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Pasta alla Zozzona ist römische Dekadenz auf die Spitze getrieben

Dieses römische Pasta-Gericht ist zu viel. ZU VIEL

Kann man wirklich Carbonara und Amatriciana kombinieren? Und soll man? Food-Baroni macht die Probe aufs Exempel.
17.09.2024, 11:11
Oliver Baroni
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Es wurde gepriesen als das ultimative römische Pastagericht – aber nur hinter vorgehaltener Hand. Denn es galt als etwas ... na ja, unanständig. Als in den frühen Nuller-Jahren erstmals Gerüchte über diese Pasta ausserhalb von Rom kursierten, war bald mal die Rede von «Rome's dirty secret». Ein Pastagericht, das derart opulent und dekadent war, dass man gar etwas beschämt war, dessen Existenz zuzugeben – signore e signori: la pasta alla zozzona.

Pasta alla zozzona – Rome's dirty secret.
Bild: obi

«Zozzona» könnt ihr selbst googeln. Ich sage hier nur, dass wir mit dem Stichwort «dreckig» nicht komplett daneben liegen.

Das Gericht stellt auch die radikale Konsequenz der evolutionären Logik jener urrömischen Pastarezepte dar, die mit Cacio e Pepe beginnen und mit Carbonara und Amatriciana aufhören ... beziehungsweise nun mit alla Zozzona.

Pasta mit Pecorino-Käse (cacio) und schwarzem Pfeffer (pepe) ist das Ur-Gericht – und eines, das älter ist als schriftliche Rezepte. Gibt man gebratenen Guanciale bei, jenen aus der Schweinebacke (italienisch «guancia») hergestellten, ungeräucherten Speck aus Lazio, der mit Pfeffer und Peperoncino gewürzt und 1–3 Monate gereift wird, heisst das Gericht Pasta alla Gricia.

Kommt nun eine passata di pomodoro hinzu, nennt man es Pasta Amatriciana. Nimmt man statt Tomaten lieber Eigelb, haben wir die klassische Pasta alla Carbonara neueren Datums. So weit, so sattsam bekannt.

Guckt – hier ein Flussdiagramm zur Veranschaulichung:

Etymologie römischer Pasta-Gerichte: Caio e pepe – alla gricia – carbonara – amatriciana – ZOZZONA.
Bild: obi (photos: Shutterstock)

Okay, der Logik zufolge soll also Pasta alla Zozzona nebst Guanciale und Pecorino sowohl die Tomatensauce der Amatriciana als auch das Eigelb der Carbonara beinhalten?

Boah. Echt jetzt?

Spontan bin ich hier an die italoamerikanische Küche erinnert, die allzu oft der irrigen Meinung nach agiert, je mehr Zutaten ein Gericht aufweise, desto feiner müsse es werden. Dies ergibt dann Albernheiten wie Chicken Alfredo Parmiggiano Pasta und Konsorten, die letztendlich in einem üppigen Irgendwas enden, mit einem undurchsichtigen Geschmacksdurcheinander. Typische italienische Gerichte begnügen sich dagegen mit weniger Zutaten und lassen so die Aromen besser zur Geltung kommen. In die Zozzona aber sollen nebst Guanciale, Tomaten und Ei auch noch Zwiebel und Wurst reinkommen. Zu viel?

Pasta alla zozzona – Rome's dirty secret.
Bild: obi

Aber vermutlich ist dies auch das Konzept hinter Pasta alla Zozzona: Ja, einerseits ist es sehr wohl ein Produkt der altehrwürdigen Küche Lazios, der Kulminationspunkt der Evolution typischer römischer Pastagerichte also; andererseits aber auch eine Ablehnung der Tradition und ein Bekenntnis zu Masslosigkeit und Selbstgenuss.

Fragt sich nur: Ist es auch fein? Es gibt nur einen Weg, dies herauszufinden. Jetzt wird gekocht!

Zutaten:

Pasta alla zozzona. Pecorino, Guanciale, Salsiccia UND Ei.
Bild: obi
  • Olivenöl
  • Zwiebel, fein gehackt
  • 1 getrockneter Peperoncino, zerbröselt (fakultativ)
  • Guanciale, in Würfeli geschnitten
  • Salsiccia, enthäutet und in Stücke gemanscht
  • Salz (wenig) und frisch gemahlener schwarzer Pfeffer (viel)
  • Passata di pomodoro (oder pomodori pelati trifolati o. Ä.)
  • Eigelb
  • Pecorino Romano, gerieben
  • mezze maniche, 80–100 g pro Person

Was die Mengen betrifft, gilt Augenmass und Common Sense. Alle von mir recherchierten Rezepte geizten ganz und gar nicht beim Olivenöl (dies, obwohl der Guanciale und das Wurstfleisch alleine schon einiges an Fett hergeben). Bei Zwiebel, Guanciale, Wurst und Pecorino ist jeweils eine Handvoll pro Person angebracht. Eigelb: eins pro Person.

Pasta alla zozzona. Pecorino, Guanciale, Salsiccia UND Ei.
Bild: obi

Zubereitung:

  • In einer grossen Pfanne Zwiebel und Peperoncino in etwas Olivenöl auf mittlerer Flamme anbraten. Danach Guanciale beigeben, Hitze erhöhen und 1–2 Minuten sautieren. Wurstfleisch beigeben und alles sautieren, bis das Fleisch beginnt, kross zu werden. Dauert ein paar Minuten.
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gif: obi
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gif: obi
  • Derweil Pasta in einen grossen Topf kochendes, gesalzenes Wasser geben (ja, 100 g pro Person als Hauptgang, 80 g als Vorspeise. Hey, das wird ein ordentlich deftiges Gericht, es braucht also keine Unmengen). Den Küchenwecker auf 4 Minuten weniger als auf der Packungsangabe stellen.
  • Tomaten-Passata dem Fleisch beigeben, Hitze auf niedrig stellen.
Pasta alla zozzona. Pecorino, Guanciale, Salsiccia UND Ei.
Bild: obi
  • Währenddessen: In einem Schälchen Eigelb mit Pecorino und ordentlich schwarzem Pfeffer untermischen.
  • 4 Minuten vor Schluss der Pasta-Kochzeit die Pasta ableeren und der Sauce beigeben (sie wird nun in der Sauce weitergekocht). Mit Salz (wenig) und Pfeffer (genug) abschmecken.
Pasta alla zozzona – Rome's dirty secret.
Bild: obi
  • Sobald die Pasta al dente ist, die Pfanne vom Herd nehmen. Pecorino-Eigelb-Mischung beigeben und vorsichtig untermischen. Essen (und dabei bloss nicht an die Kalorien denken).

Und? Wie ist's?

In einem Wort: Reichhaltig. Erwartungsgemäss reichhaltig ...

Pasta alla zozzona. Pecorino, Guanciale, Salsiccia UND Ei.
Bild: obi

... aber kein kompletter Vorschlaghammer. Dies wohl, weil da weder Butter noch Rahm Verwendung finden. Trotz aller Üppigkeit sind dennoch die Geschmacksnoten der einzelnen Zutaten ausmachbar. Eine leicht säuerliche Note ist erkennbar – Pecorino und Tomaten tun das Ihre –, die das salzige Umami der Fleischprodukte balanciert.

Pasta alla zozzona. Pecorino, Guanciale, Salsiccia UND Ei.
Bild: obi

Durchaus fein also. Und dennoch zu viel. Zu viel. Ein, zwei Zutaten weniger, und es wäre ein schmackhafteres Gericht. Aber dann wären wir ja wieder bei Carbonara oder Amatriciana.

Hey, vielleicht darf es gelegentlich auch mal ... zu viel sein.

#ItaliansDoItBetter

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67 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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MarGo
17.09.2024 11:22registriert Juni 2015
Also die Bruzzel-Gifs um halb 12... Das ist zu viel für mich - ich mach Mittag. ;)
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Hans Jürg
17.09.2024 12:06registriert Januar 2015
Sieht lecker aus und aufgrund des Rezepts schmeckt er wohl auch sehr gut. Muss ich mal probieren.

Zum Glück sind Geschmäcker verschieden. Was er eine scheusslich findet, von dem kann der andere nicht genug bekommen.

Ich akzeptiere sogar, dass Leute Pizza Hawai mögen. So lange ich das nicht essen muss, ist es mir egal, was andere essen.

Leben und Leben lassen oder besser Essen und Essen lassen.
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Nichtregierung
17.09.2024 11:21registriert August 2024
Freut euch des Lebens! Immer wieder passiert es mir, dass ich mich nicht entscheiden kann, ob's Carbonara oder Amatriciana werden soll. Nun gibt es endlich eine Lösung!
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