Es wurde gepriesen als das ultimative römische Pastagericht – aber nur hinter vorgehaltener Hand. Denn es galt als etwas ... na ja, unanständig. Als in den frühen Nuller-Jahren erstmals Gerüchte über diese Pasta ausserhalb von Rom kursierten, war bald mal die Rede von «Rome's dirty secret». Ein Pastagericht, das derart opulent und dekadent war, dass man gar etwas beschämt war, dessen Existenz zuzugeben – signore e signori: la pasta alla zozzona.
«Zozzona» könnt ihr selbst googeln. Ich sage hier nur, dass wir mit dem Stichwort «dreckig» nicht komplett daneben liegen.
Das Gericht stellt auch die radikale Konsequenz der evolutionären Logik jener urrömischen Pastarezepte dar, die mit Cacio e Pepe beginnen und mit Carbonara und Amatriciana aufhören ... beziehungsweise nun mit alla Zozzona.
Pasta mit Pecorino-Käse (cacio) und schwarzem Pfeffer (pepe) ist das Ur-Gericht – und eines, das älter ist als schriftliche Rezepte. Gibt man gebratenen Guanciale bei, jenen aus der Schweinebacke (italienisch «guancia») hergestellten, ungeräucherten Speck aus Lazio, der mit Pfeffer und Peperoncino gewürzt und 1–3 Monate gereift wird, heisst das Gericht Pasta alla Gricia.
Kommt nun eine passata di pomodoro hinzu, nennt man es Pasta Amatriciana. Nimmt man statt Tomaten lieber Eigelb, haben wir die klassische Pasta alla Carbonara neueren Datums. So weit, so sattsam bekannt.
Guckt – hier ein Flussdiagramm zur Veranschaulichung:
Okay, der Logik zufolge soll also Pasta alla Zozzona nebst Guanciale und Pecorino sowohl die Tomatensauce der Amatriciana als auch das Eigelb der Carbonara beinhalten?
Boah. Echt jetzt?
Spontan bin ich hier an die italoamerikanische Küche erinnert, die allzu oft der irrigen Meinung nach agiert, je mehr Zutaten ein Gericht aufweise, desto feiner müsse es werden. Dies ergibt dann Albernheiten wie Chicken Alfredo Parmiggiano Pasta und Konsorten, die letztendlich in einem üppigen Irgendwas enden, mit einem undurchsichtigen Geschmacksdurcheinander. Typische italienische Gerichte begnügen sich dagegen mit weniger Zutaten und lassen so die Aromen besser zur Geltung kommen. In die Zozzona aber sollen nebst Guanciale, Tomaten und Ei auch noch Zwiebel und Wurst reinkommen. Zu viel?
Aber vermutlich ist dies auch das Konzept hinter Pasta alla Zozzona: Ja, einerseits ist es sehr wohl ein Produkt der altehrwürdigen Küche Lazios, der Kulminationspunkt der Evolution typischer römischer Pastagerichte also; andererseits aber auch eine Ablehnung der Tradition und ein Bekenntnis zu Masslosigkeit und Selbstgenuss.
Fragt sich nur: Ist es auch fein? Es gibt nur einen Weg, dies herauszufinden. Jetzt wird gekocht!
Was die Mengen betrifft, gilt Augenmass und Common Sense. Alle von mir recherchierten Rezepte geizten ganz und gar nicht beim Olivenöl (dies, obwohl der Guanciale und das Wurstfleisch alleine schon einiges an Fett hergeben). Bei Zwiebel, Guanciale, Wurst und Pecorino ist jeweils eine Handvoll pro Person angebracht. Eigelb: eins pro Person.
Und? Wie ist's?
In einem Wort: Reichhaltig. Erwartungsgemäss reichhaltig ...
... aber kein kompletter Vorschlaghammer. Dies wohl, weil da weder Butter noch Rahm Verwendung finden. Trotz aller Üppigkeit sind dennoch die Geschmacksnoten der einzelnen Zutaten ausmachbar. Eine leicht säuerliche Note ist erkennbar – Pecorino und Tomaten tun das Ihre –, die das salzige Umami der Fleischprodukte balanciert.
Durchaus fein also. Und dennoch zu viel. Zu viel. Ein, zwei Zutaten weniger, und es wäre ein schmackhafteres Gericht. Aber dann wären wir ja wieder bei Carbonara oder Amatriciana.
Hey, vielleicht darf es gelegentlich auch mal ... zu viel sein.