Die 13. AHV-Rente erfreut sich in den Umfragen grosser Beliebtheit. Selbst die Wählerschaft der bürgerlichen Parteien (mit Ausnahme der FDP) will die Volksinitiative der Gewerkschaften «Für ein besseres Leben im Alter» mehrheitlich annehmen. Die Gegnerschaft wirkte ratlos bis paralysiert, doch seit Montag ist die grossflächige Nein-Kampagne angelaufen.
Das Nein-Komitee trat am Dienstag vor die Medien und bezeichnete die 13. AHV-Rente als unsozial und teuer. Tags zuvor hatte Elisabeth Baume-Schneider beim ersten öffentlichen Auftritt als Vorsteherin des Innendepartements die Argumente des Bundesrats erläutert. Er empfiehlt die Initiative zur Ablehnung, ebenso die Renteninitiative der Jungfreisinnigen.
Im Vorfeld war man gespannt, wie die Sozialdemokratin die Aufgabe meistern würde, sich «contre coeur» gegen eine linke Volksinitiative für den Ausbau des Sozialstaats einsetzen zu müssen. Sie tat dies mit der gebotenen Korrektheit, indem sie erst die AHV als «sozialste Einrichtung des Landes» rühmte und dann vor den finanziellen Folgen eines Ja warnte.
Eine Annahme würde die AHV-Rechnung «rasch aus dem Gleichgewicht bringen», sagte Baume-Schneider: «Wir müssen sicherstellen, dass die AHV leistungsfähig bleibt.» Dies streben die Jungfreisinnigen mit ihrer Initiative an, über die ebenfalls am 3. März abgestimmt wird. Sie will das Rentenalter auf 66 erhöhen und danach an die Lebenserwartung koppeln.
Bei der bürgerlichen Mehrheit im Bundesrat genoss dieses Anliegen ursprünglich grosse Sympathie. Sie liebäugelte mit einer Ja-Empfehlung. Baume-Schneiders Vorgänger Alain Berset konnte es verhindern. Das Hauptargument: Der vorgesehene Automatismus sei zu «rigide». Er passe «nicht zur Kultur der Schweiz», so Baume-Schneider.
Heutige Sonderregeln etwa für das Baugewerbe seien infrage gestellt, meinte die Bundesrätin. Die Initianten bestreiten dies, doch ihr Anliegen hat in den Umfragen einen schweren Stand. Trotz Durchhalteparolen der FDP wird man den Eindruck nicht los, die Bürgerlichen und die Wirtschaft hätten die Renteninitiative bereits «abgeschrieben».
Welche finanziellen Konsequenzen aber haben die beiden Volksinitiativen für die AHV? Das zuständige Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) gab darüber ebenfalls am Montag in einem ausführlichen Mediengespräch Auskunft. Das kurze Fazit: Die 13. AHV-Rente wird teurer, als die Initianten behaupten. Aber auch die Renteninitiative ist kein «Allheilmittel».
Das Hauptproblem der Altersvorsorge ist die Bevölkerungsstruktur. Bei der Einführung der AHV 1948 gab es mehr als sechs erwerbstätige Personen pro Rentnerin oder Rentner. Heute sind es noch drei, und wegen der tiefen Geburtenrate von weniger als 1,5 Kindern sinkt die Zahl weiter. Einwanderung könne die Entwicklung bremsen, aber nicht stoppen.
Die Babyboomer-Generation habe noch positive Auswirkungen auf die AHV (sie zahlt mehr ein, als sie bezieht), doch das werde sich in den nächsten Jahren ändern. Positiv seien auch die hohe Erwerbsquote und der im europäischen Vergleich hohe Anteil der Lohnsumme am BIP, doch damit lasse sich der negative Demografie-Trend nicht ausgleichen.
Dank der 2021 angenommenen AHV 21 (mit dem Frauenrentenalter 65 und einer Erhöhung der Mehrwertsteuer) befindet sich das Sozialwerk laut dem BSV in einer guten Lage. Ab 2030 werde die AHV jedoch mehr ausgeben als einnehmen. Von links wird kritisiert, die finanziellen Aussichten seien in der Vergangenheit zu pessimistisch geschildert worden.
Das BSV kontert, dass sich zehnjährige Finanzperspektiven gemäss empirischen Untersuchungen als zuverlässig erwiesen hätten. Für die 13. AHV-Rente bedeutet dies: Die AHV-Rechnung würde schon mit ihrer Einführung – gemäss Initiativtext am 1. Januar 2026 – ins Minus rutschen. Bis 2033 steige das Defizit auf sieben Milliarden Franken pro Jahr.
«Bei einem Ja muss der Bundesrat sofort reagieren», meinte BSV-Direktor Stéphane Rossini. Bereits bei der Umsetzung brauche es zusätzliche Einnahmen, so der frühere SP-Nationalrat. Laut den Initianten genügt ein zusätzlicher Lohnbeitrag von je 0,4 Prozent von Arbeitgebern und Arbeitnehmenden. Beim BSV winkt man ab: «Das reicht nicht.»
Schon bei der Einführung der 13. Rente seien zusätzliche 0,7 Prozentpunkte nötig. Allerdings seien Lohnabzüge unbeliebt und schwer durchsetzbar, gibt ein BSV-Experte im Gespräch zu bedenken. Weil sich der Bundesbeitrag an die AHV ohnehin im «Gleichschritt» mit den Ausgaben erhöhe, laufe es am Ende wohl erneut auf die Mehrwertsteuer hinaus.
Sie muss laut dem BSV um mindestens einen Prozentpunkt erhöht werden, um die Zusatzrente zu finanzieren. Der Normalsatz würde auf 9,1 Prozent ansteigen. Immerhin einen positiven Effekt hätte die 13. Rente in einem solchen Fall. Dank dem «Zustupf» würden Pensionierte mehr konsumieren und damit selber zu seiner Finanzierung beitragen.
Höhere Steuern und Abzüge aber sind unpopulär. Die Renteninitiative will sie verhindern. Sie saniere die erste Säule, ohne dass Rentenkürzungen, zusätzliche Steuern oder höhere Lohnabgaben nötig würden, behauptete Matthias Müller, Präsident der Jungfreisinnigen, letzte Woche vor den Medien. Beim BSV aber hält man nichts von solchen Versprechungen.
«Die Renteninitiative genügt nicht für eine Stabilisierung der AHV», hiess es am Montag. Sie bremst den Abwärtstrend, doch auch mit Rentenalter «66+» wird die Rechnung ab den 2030er-Jahren defizitär. Für einen stärkeren Effekt müsste das Rentenalter wohl auf 67 Jahre erhöht werden, doch dafür fehlte dem Jungfreisinn – verständlicherweise – der Mut.
Hinzu kommt, dass man von einer Koppelung an die Lebenserwartung nicht zu viel erwarten darf. Die Kurve ist in den letzten Jahren abgeflacht und befindet sich am unteren Rand der Szenarien des Bundesamts für Statistik, wie die zuständige Bereichsleiterin Johanna Probst am Montag erläuterte. Das liege auch an der Übersterblichkeit wegen Covid-19. Ähnliche Effekte könne es durch die Zunahme der Hitzeopfer in heissen Sommern geben.
Die Erhöhung des Rentenalters allein generiere aus heutiger Sicht nicht genug finanzielle Mittel zur langfristigen Sicherung der AHV-Finanzen, hält das BSV fest. Die Renteninitiative beschere der AHV zusätzliche Mittel im Umfang von 0,3 bis 0,5 Mehrwertsteuerprozenten. Längerfristig jedoch brauche es weitere Einnahmen, um die AHV zu stabilisieren.
Einen nächsten Reformschritt hat das Parlament beim Bundesrat «bestellt». Elisabeth Baume-Schneider kündigte am Montag einen Bericht bis Ende 2026 an. Sollte die 13. AHV-Rente jedoch am 3. März angenommen und die Renteninitiative abgelehnt werden, muss der Bundesrat nach Ansicht seiner Sozialversicherungsexperten schneller handeln.
zur langfristigen Sicherung AHV verwenden, so käme die Steuer der gesamten Gesellschaft zu gute.
Und die Trennung von Religion und Staat wäre auch ein Schritt weiter.