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Wie viele Skandale verträgt es noch? Für Berset wird es eng

Bundesrat Alain Berset und Peter Lauener, Kommunikationschef EDI, kommen zu einer Medienkonferenz des Bundesrates zur aktuellen Lage im Zusammenhang mit dem Coronavirus, am Freitag, 17. September 2021 ...
Peter Lauener (l.) war jahrelang Alain Bersets vielleicht engster Vertrauter.Bild: keystone
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Wie viele Skandale verträgt es noch? Für Berset wird es langsam eng

Juristisch dürfte die Affäre um die Corona-Indiskretionen seines Ex-Kommunikationschefs für Alain Berset kaum Folgen haben. Politisch aber sieht er einmal mehr schlecht aus.
16.01.2023, 14:5117.01.2023, 17:30
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Den Beginn seines zweiten Präsidialjahres hatte sich Alain Berset bestimmt einfacher vorgestellt. Trotz seines blamablen Wahlresultats als Bundespräsident wollte der Freiburger nochmals durchstarten. «Ich bin noch voller Energie und habe Lust, weiterzumachen!», dementierte er in einem Interview mit dem «Blick» Spekulationen über einen baldigen Rücktritt.

Nun aber wird der Gesundheitsminister von Vorkommnissen während der Corona-Pandemie eingeholt. Am Samstag veröffentlichte die «Schweiz am Wochenende» Auszüge aus E-Mails von Bersets Ex-Kommunikationschef Peter Lauener an Ringier-CEO Marc Walder mit «vertraulichen» Informationen zu bevorstehenden Entscheiden des Bundesrats.

Im «Blick» erschienen in der Folge «exklusive» Meldungen zu den entsprechenden Themen. Der Verdacht steht im Raum, dass mit den Indiskretionen aus dem Innendepartement versucht wurde, Druck auf den Gesamtbundesrat auszuüben, damit er in Alain Bersets Sinn entscheiden würde. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Systematische Indiskretionen

Die «Blick»-Führung versuchte am Montag, den CEO in einem Mail an die Belegschaft aus der Schusslinie zu nehmen. Konkret geht es um zwei von der «Schweiz am Wochenende» erwähnte Artikel zur Impfstoffbeschaffung und zu möglichen Lockerungen. Beide basierten auf Recherchen, Marc Walder sei in keiner Weise involviert gewesen.

Gleichzeitig haben die «Blick»-Medien die Affäre bislang totgeschwiegen. Und es geht keineswegs nur um diese beiden Artikel. Während der Coronakrise hatte der «Blick» zeitweise fast wöchentlich im Vorfeld von Bundesratssitzungen «exklusiv» über die Pläne des Innendepartements berichtet. Auch andere Medien hatten entsprechende Infos.

Marc Walders ominöses Video

Kein Medium aber berichtete so ausgiebig wie der «Blick», der offensichtlich über beste Verbindungen verfügte, besonders zu Peter Lauener. Dieser habe «praktisch eine Standleitung in die Ringier-Chefetage beziehungsweise in das Homeoffice, in dem Manager Marc Walder meist weilte» unterhalten, schrieben die Tamedia-Zeitungen am Montag.

Marc Walder von Ringier beim Swiss Media Forum vom Donnerstag, 23. September 2021 im KKL in Luzern. (KEYSTONE/Urs Flueeler).
Ringier-CEO Marc Walder gerät durch die Affäre unter Druck.Bild: keystone

Anscheinend nicht ohne Erfolg. Letztes Jahr veröffentlichte der «Nebelspalter» im Vorfeld der Abstimmung über das Medienpaket ein Video. Darin sagte Walder, man wolle in der Coronakrise «die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung», ergänzt mit dem Zusatz «und da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt».

Bersets Skandalchronik

Das Video warf ein schlechtes Licht nicht nur auf Ringier, sondern die gesamte Branche. Die neusten Enthüllungen tragen ebenfalls nicht dazu bei, das Vertrauen in die «vierte Gewalt» zu stärken. Anscheinend gibt es keine Hinweise, dass der Gesundheitsminister in die Indiskretionen persönlich involviert war. Doch sie reihen sich ein in seine Skandalchronik.

Dazu gehört eine aussereheliche Affäre, nach deren Beendigung der SP-Politiker von seiner Ex-Geliebten erpresst wurde. Sie wurde verurteilt, während die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft sowie die Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat Berset vom Vorwurf entlasteten, er habe eine «Vorzugsbehandlung» erhalten.

Juristisch aus dem Schneider

Dazu gehört sein Flug nach Frankreich, bei dem er von der Luftwaffe «gegroundet» wurde, weil er angeblich militärisches Sperrgebiet überquert hatte. Doch Berset hatte das Areal nur gestreift und war von der Flugsicherung zudem mit der falschen Kennzeichnung seiner Cessna angefunkt worden. Die Franzosen verzichteten auf ein Verfahren.

Peinlich war die Geschichte für Alain Berset trotzdem, denn er hatte jahrelang versucht, sein für «Normalsterbliche» eher extravagantes Hobby vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Juristisch aber ist er genauso aus dem Schneider wie bei der ausserehelichen Affäre, und auch bei Peter Laueners Corona-Indiskretionen dürfte kaum etwas an ihm hängen bleiben.

Die Rolle des Sonderermittlers

Das wäre etwa der Fall, wenn der Ex-Kommunikationschef ihn in den Mails an Marc Walder ins CC genommen hätte. Doch dafür ist Lauener ein zu ausgebuffter «Spin Doctor». Er hatte seinen Chef jahrelang wie ein Schatten begleitet. In einer Einvernahme durch Sonderermittler Peter Marti stellte sich Berset selber als Opfer der Indiskretionen dar.

Der ehemalige Zürcher Oberrichter hatte die Affäre ins Rollen gebracht und Peter Lauener sogar für einige Tage in U-Haft gesteckt. Allerdings wird gegen den Sonderermittler nun selbst ermittelt. Er sollte herausfinden, wer einen parlamentarischen Bericht zum Skandal um die Zuger CIA-«Tarnfirma» Crypto AG an Tamedia und NZZ durchgereicht hatte.

Frage der politischen Verantwortung

Nun wird Marti verdächtigt, mit der Ausdehnung seiner Untersuchung auf die Corona-Leaks seine Kompetenzen überschritten zu haben. Ende letzten Jahres wurde deshalb ein weiterer Sonderermittler eingesetzt. Sollte sich der Verdacht bewahrheiten, dürfte Alain Berset juristisch erst recht fein raus sein. Anders sieht es bei der politischen Verantwortung aus.

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Alain Berset ist mit schwierigen Themen wie der Kostenexplosion im Gesundheitswesen konfrontiert. Skandale erleichtern ihm dies nicht.Bild: keystone

Man muss nicht gleich wie der Zürcher SVP-Nationalrat Alfred Heer seinen Rücktritt fordern oder gar eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) einsetzen. Eine solche wäre durchaus wünschenswert, aber für die gesamte Schweizer Corona-Politik, um daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen, und nicht wegen ein paar Indiskretionen an den «Blick».

Alain Berset ist ein für Schweizer Verhältnisse ungewöhnlich begabter Politiker. Die Häufung an Skandalen aber wird für den amtsältesten Bundesrat zur Hypothek, auch mit Blick auf die schwierigen Dossiers in seinem Departement. Und mit Klagen über «illegale Indiskretionen» wird er sich dem politischen Druck erst recht nicht entziehen können.

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259 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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einmalquer
16.01.2023 15:48registriert Oktober 2017
Der SP-Politiker wurde von seiner Ex-Geliebten erpresst, Berset wurde vom Vorwurf entlastetet, er habe eine Vorzugsbehandlung» erhalten.
Also kein Skandal.
Beim Flug nach Frankreich war Berset war von der Flugsicherung falsch - im Klartext: nicht - angefunkt worden.
Also kein Skandal

Es gab nicht, wie Blunschi meint, eine Häufung an Skandalen. Sie wurden von Medien herbeigeschrieben. Das schadet den Medien, die ihre Glaubwürdigkeit verlieren. Auch im vorliegenden Fall verzichten sie auf Fakten. Stützen sich auf reine Vermutungen eines ausser Kontrolle geratenen Untersuchungsrichters.
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Massalia
16.01.2023 15:35registriert Juni 2021
Veilleicht sollte man noch erwähnen, dass der SVP- Sonderermittler Marti in der Sache wohl nicht unbefangen sein wird, ist er doch ein SVP-Hardliner und Berset der SVP doch schon länger ein Dorn im Auge. Zudem hat Marti selber ein Strafverfahren am Hals, weil er als Sonderstaatsanwalt Kompetenzen überschritten haben soll. Der Tagi bezeichnete ihn übrigens als "Linkenjäger, der übers Ziel hinausschiesst".

Also Achtung watson, bevor ihr euch für eine SVP-Schmudelkampagne einspannen lässt.
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Was isch dr Hung am machä?
16.01.2023 15:20registriert Mai 2022
Kommunikative und private Patzer, so what. Kompetenter als viele seiner (ehemaligen) Kollegen ist er allemal.
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