Viola Amherd war sichtlich angesäuert. Am Mittwoch äusserte sich die Mitte-Bundesrätin vor den Medien zu den Turbulenzen, die ihr Departement VBS tags zuvor erschüttert hatten. Es begann mit dem Korruptionsfall in zweistelliger Millionenhöhe beim Rüstungskonzern Ruag, den die Eidgenössische Finanzkontrolle enthüllt hatte.
Kaum waren diese News halbwegs verdaut, wurde der «Doppelrücktritt» von Armeechef Thomas Süssli und Christian Dussey, Chef des Nachrichtendienstes NDB, bekannt. Viola Amherd hatte zuvor den Gesamtbundesrat informiert, worauf es offenbar zu einer Indiskretion an die NZZ kam. Das VBS hat Strafanzeige gegen Unbekannt eingereicht.
Amherd kritisierte das Leck und die Verletzung des Amtsgeheimnisses vor den Medien scharf: «Eine solche Art und Weise, mit vertraulichen Informationen umzugehen, führt unseren Institutionen grossen Schaden zu.» Von der guten Laune, die sie bei solchen Gelegenheiten gerne zu vermitteln versucht, war in diesem Moment nichts zu sehen.
Von einer Regierungskrise zu sprechen, ist übertrieben. Dafür ist unser politisches System zu sehr auf Stabilität ausgelegt. Trotzdem ist es kein gutes Zeichen, wenn es im VBS drunter und drüber geht, und das in der grössten sicherheitspolitischen Krise in Europa seit 1945. Kein Wunder, wird Amherds abrupter Rücktritt zu Jahresbeginn als Flucht interpretiert.
Ihre Hinterlassenschaft wird durch die neuesten Turbulenzen erheblich beschädigt. Dabei hat sie nicht nur den F-35-Kampfjet durch die Volksabstimmung gebracht, sondern die Zeitenwende durch den Ukraine-Krieg als Chance begriffen, ihr Profil im zuvor ungeliebten VBS zu schärfen. Doch es ist nun einmal häufig der letzte Eindruck, der haften bleibt.
Der Ruag-Skandal um Abzocke beim Handel mit Panzer-Ersatzteilen ist für die Bundesrätin besonders unvorteilhaft, denn ein Whistleblower hatte 2019 Alarm geschlagen. Doch im Departement und im Konzern nahm ihn niemand ernst, lieber schaute man weg. Dabei sind die häufig wenig transparenten Rüstungsgeschäfte als korruptionsanfällig bekannt.
Die Abgänge von Dussey und Süssli wiederum fallen auf Amherd zurück, denn sie hat beide für ihre Ämter ausgewählt. Nur einen Tag, nachdem der Armeechef Ende Januar die Kündigung eingereicht hatte, trat er zusammen mit der Departementsvorsteherin vor die Medien, um sich zu den Problemen rund um Beschaffungsprojekte der Armee zu äussern.
Es ist nachvollziehbar, dass Thomas Süssli sich nicht zum geplanten Abgang geäussert hat. Es hätte zu diesem Zeitpunkt wie ein Schuldeingeständnis gewirkt. Dennoch war es nicht sehr klug von Viola Amherd, fast einen Monat zu warten, bis sie das Kollegium über die Personalrochaden informierte. Es wirkt, als lasse sie auf der Zielgeraden die Zügel schleifen.
Nun steht sie im Regen. Die Reaktionen sind entsprechend. Interessant sind dabei zwei Beiträge in der NZZ. Der eine liest sich wie eine Abrechnung mit der Verteidigungsministerin, der ein «Führungsversagen» während der gesamten Amtszeit vorgeworfen wird. Gleichzeitig skizziert der Sicherheitsexperte der Zeitung in einem Kommentar ein differenzierteres Bild.
Als Hauptgrund für den «Trümmerhaufen» im VBS düfte sich kaum die Amtsführung von Viola Amherd herausstellen, sondern «das Desinteresse des Gesamtbundesrats für die Landesverteidigung und ein gnadenloser Verteilkampf um die Bundesfinanzen». Oder anders gesagt: Selbst auf höchster Ebene hat man die Zeitenwende nicht verstanden.
Das gilt nicht zuletzt für Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (FDP), deren Reaktion auf die Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance an der Münchner Sicherheitskonferenz den Eindruck hinterliess, sie habe nicht realisiert, was geopolitisch gerade abgeht. Auch bei der Wiederaufrüstung der Schweizer Armee steht sie als Finanzministerin auf der Bremse.
Die Schweizer Politik streitet über die Frage, bis wann das Armeebudget auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts ansteigen soll (2032 oder 2035). Dabei fordert US-Präsident Donald Trump die Europäer auf, künftig fünf Prozent zu investieren. Doch das Parlament tut sich schon schwer damit, im Bundesbudget Geld für das eine Prozent zu finden.
Ohne Mehreinnahmen wird es nicht gehen. Keller-Sutter warnt zu Recht, dass dies leichter gesagt ist als getan. Denn für Steuererhöhungen oder eine Lockerung der Schuldenbremse braucht es in der Regel ein obligatorisches Referendum mit Ständemehr. Selbst bürgerliche Politiker bezweifeln, dass das Stimmvolk höhere Steuern für die Armee akzeptieren würde.
Umfragen zeigen, dass viele im Gegenteil noch immer am liebsten beim Militär sparen würden. Vielleicht bewirkt die Disruption seit Trumps Amtsantritt im Januar ein Umdenken. Aus dem Parlament gibt es ein positives Signal: Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats fordert den Bundesrat auf, enger mit Europa zusammenzuarbeiten.
In der nächste Woche beginnenden Frühjahrssession soll eine entsprechende Erklärung verabschiedet werden. Die Chancen stehen gut, denn in der Kommission waren nur die SVP und zwei der drei FDP-Mitglieder dagegen. Ein solcher Schritt wäre zwingend, gerade wenn sich die USA unter Trump sicherheitspolitisch von Europa und der NATO abwenden sollten.
Es gehört zu den Errungenschaften von Amherds Amtszeit, dass sie auf eine stärkere Zusammenarbeit mit der NATO gedrängt hat, trotz heftigem Widerstand von Seiten der Neutralitäts-Puristen. Denn es ist schwer vorstellbar, dass die NATO-Staaten ausgerechnet die reiche Schweiz auf Dauer als militärische Trittbrettfahrerin akzeptieren würden.
Hier ist auch ihr Nachfolger gefordert, ob er Martin Pfister oder Markus Ritter heisst (welches Bundesratsmitglied will unter diesen Umständen schon ins VBS wechseln?). Während man Ritter zutraut, den «Trümmerhaufen» aufzuräumen, ist bei der internationalen Zusammenarbeit eher auf den Regierungsrat aus dem «globalen» Kanton Zug Verlass.
Der Landwirt aus dem St.Galler Rheintal tut sich mit der Öffnung schwerer. Die Turbulenzen im VBS verleihen der vermeintlich faden Bundesratswahl in zwei Wochen eine gewisse Würze, auch wenn man mehr denn je bedauert, dass Mitte-Präsident Gerhard Pfister nicht antritt. Er ist einer von wenigen Schweizer Politikern, die die Zeitenwende kapiert haben.
Aber der Saustall Ruag schlägt dem Fass den Boden aus.
Der Whitleblower wurde rausgeekelt, die Untersuchung in der Ruag bewerkstelligte der Beschuldigte selber !! Und es kam jetzt aus, dass er völlige Freiheit hatte zu tun und lassen, wie ihm gerade wohl war.
Es ist ein richtig abgeranzter Sauladen. Ich würde aber nicht BR Amherd allein verantwortlch machen, sondern alle ihre Vorgänger.
Im Prinzip bin ich geschockt, was in unserem Militär abgeht.