Eine Passage der Klage gegen das neue EU-Waffenrecht, welche die Tschechische Republik am 9. August 2017 beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) hinterlegte, hat es in sich. Sie betrifft eine Ausnahmeregelung für die Schweiz: Armeeangehörige dürfen ihre Dienstwaffe am Ende der Wehrpflicht behalten.
Diese Ausnahme vermittle zwar «den Eindruck einer scheinbar neutralen Massnahme», hält die Tschechische Republik in ihrer Klage gegen das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union fest. Gleichwohl seien die Voraussetzungen so abgefasst, «dass sie nur durch das Schweizer System, eine Waffe nach Beendigung des Wehrdienstes behalten zu dürfen, erfüllt» würden. Tschechien macht deshalb einen «Verstoss gegen das Diskriminierungsverbot» geltend.
Die Klage Tschechiens war zwar bekannt. Nicht aber, dass die Republik auch gegen die Ausnahmeregelung klagt. Das hat die «NZZ am Sonntag» publik gemacht. Für Werner Salzmann war das eine Überraschung. «Das ist neu für mich», sagt der SVP-Nationalrat und Präsident der sicherheitspolitischen Kommission (SiK). Obwohl er sich «intensiv» mit dem neuen EU-Waffenrecht auseinandergesetzt habe. Salzmann ist auch noch Präsident des Berner Schiesssportverbandes.
Die Ausnahme in der EU-Richtlinie 91/477/EWG betrifft Staaten, in denen «allgemeine Wehrpflicht herrscht und in denen seit über 50 Jahren ein System der Weitergabe militärischer Feuerwaffen an Personen besteht, die die Armee nach Erfüllung ihrer Wehrpflicht verlassen». Diese Schengen-Staaten könnten den Armee-Angehörigen eine Genehmigung erteilen, die Waffe zu behalten, die sie im Wehrdienst benutzt hätten, steht in der Richtlinie. Die Schweiz wird zwar nicht erwähnt. Es geht aber offensichtlich um sie.
Tschechiens Klage gegen die Ausnahmeregelung wird heute ein Thema sein an der Sitzung der sicherheitspolitischen Kommission (SiK) zur Revision des Waffengesetzes. Mit ihr will der Bund sein Waffenrecht an die neuen EU-Regeln anpassen. Sie wollen den Zugang zu halbautomatischen Waffen erschweren. «Wir müssen an der Sitzung diskutieren, was diese Unsicherheit wegen Tschechien bedeutet», sagt Präsident Werner Salzmann. Die SVP hatte zuvor in der Kommission einen Antrag auf Sistierung der Vorlage gestellt – bis der EuGH über die Klage Tschechiens gegen das EU-Waffenrecht entschieden hat. Die Kommissionsmehrheit lehnte den Antrag aber ab.
Für Werner Salzmann ist eines klar: Sollte der Europäische Gerichtshof der Klage Tschechiens gegen die Ausnahmeregelung stattgeben und sie als diskriminierend bezeichnen, hätte dies erhebliche Folgen für die Schweiz. «Sollte die Heimabgabe der Armeewaffen plötzlich nicht mehr möglich sein, wäre das eine Umkehr des Volksentscheides von 2011», sagt er. Am 13. Februar 2011 lehnte die Schweizer Bevölkerung die Initiative für den Schutz vor Waffengewalt mit 56.3 Prozent Stimmen ab. Die Initiative forderte unter anderem, dass Armee-Angehörigen beim Ausscheiden aus dem Militär keine Feuerwaffen überlassen werden dürften.
Sollte der EuGH die Ausnahmeregelung als diskriminierend taxieren, «wäre das sehr brisant und würde die Ausgangslage komplett ändern», sagt Salzmann. Der Bundesrat stünde vor der Frage, ob er eine neue Vorlage ausarbeiten soll. Salzmann sagt: «Dann müsste es meines Erachtens zwingend zu einer neuen Abstimmung kommen.» Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) ist sich der Problematik bewusst. «Wir verfolgen das Verfahren mit», schreibt es. «Für eine Stellungnahme ist es zurzeit aber noch zu früh.» Die Sicherheitskommission will die Detailberatung der Vorlage noch diese Woche beenden. «Ziel ist es», sagt Salzmann, «bis Dienstag einen Vorschlag für den Nationalrat zu verabschieden.»