Was ihm auch seine ärgsten Gegner nicht gewünscht haben, ist ihm widerfahren. Am Sonntagvormittag wurde Martin Wagner in seinem Haus in Rünenberg erschossen. Den drei Kindern, die erst kürzlich die Mutter nach langer Krankheit verloren haben, wurde nun der Vater entrissen.
Was zur Tat geführt hat, werden die Ermittlungen weisen. Wagners Begabung, Menschen gegen sich aufzubringen, ist allerdings legendär. Diese Bemerkung, die in allen anderen Nachrufen mir bekannter Menschen deplatziert schiene, versucht Wagner so zu würdigen, wie er sich selbst am liebsten gesehen hat. Denn als ich im vergangenen Frühjahr ein letztes Porträt über ihn schrieb, schlug er mir vor, wie ich es übertiteln soll: «Ich habe ein grosses Belästigungspotenzial».
Martin Wagner war ein Anwalt mit dem Zweihänder. Er kannte das Recht gut, nicht aber um es nach Treu und Glauben zum Durchbruch zu wahren. Jeder Vertrag, so erzählte er, hat seinen Preis. Ihn einzuhalten oder ihn zu brechen, war für ihn eine Frage der Opportunitätskosten. Nicht dass er der einzige Wirtschaftsanwalt gewesen wäre, der nach dieser Maxime handelt.
Doch keiner mir bekannter handelte offener und radikaler danach.
Wagner «verhöhnt und versöhnt» habe ich in diesem Porträt geschrieben. Denn dies gehörte zu den Geheimnissen von Wagners Persönlichkeit: Immer wieder hatte er es geschafft, Menschen auf das Heftigste vor den Kopf zu stossen, um sie bei nächster Gelegenheit wieder für sich zu gewinnen. Es gibt dafür viele Beispiele, das prominenteste ist Christoph Blocher. Wagner hielt als dessen Treuhänder Aktien der «Basler Zeitung» und war zeitweise deren Verleger. Als die von ihm aufgezogene, versteckte Firmenkonstruktion aufzufliegen drohte, distanzierte er sich öffentlich von Blocher, schimpfte ihn «menschenverachtend» und «demokratiefeindlich». Wo bei anderen Menschen das Tuch damit gänzlich zerschnitten gewesen wäre, ging Wagner darüber hinweg, als sei nichts gewesen.
Wagner wollte auch persönliche Angriffe nicht persönlich verstanden haben. So habe ich ihn in meiner Zeit als Journalist sowohl als meinen Redaktionsanwalt erlebt, der die Gegenpartei gehörig unter Druck setzte, als auch als Gegenanwalt, der unsere Redaktion gehörig unter Druck setzte. Nur ein Fall war rasch vom Tisch, als Wagner gleichzeitig Gegenanwalt und Anwalt war, wie er feststellen musste. Wenn er klagte, dann nicht in der Überzeugung recht zu haben, er klagte, im Interessen seiner Mandaten und diese dankten es ihm.
Zu zwei Kreisen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, blieb Wagner aber in unverbrüchlicher Loyalität verbunden. Zum einen zur Wirtschaftskammer Baselland. Als junger Anwalt kam er in der Kanzlei von Markus Bürgin zum Gewerbeverband. Alles was der langjährige Wirtschaftskammer-Direktor Hans-Rudolf Gysin danach politisch vortrug, war im Hintergrund von Wagner juristisch vorbereitet. Obwohl Wagner es auch finanziell längst nicht mehr nötig gehabt hätte, sich mit gewerblichem Kleinkram abzugeben, blieb er «Chefjurist» der Wirtschaftskammer.
Gänzlich untrennbar war zum anderen Wagners Verbindung zu Bernhard Burgener. Das war mehr als Geschäft, das war Familie. Burgeners zuweilen abenteuerlicher Aufstieg zum Boss der Constantin Medien und des FC Basel war von unzähligen, wüsten rechtlichen Auseinandersetzungen begleitet. Wagner, von Anfang an dabei, stiess auf Gegenanwälte, die keinen Unterzug ausliessen, um zu schaden. Wagner hielt dagegen, nicht selten mit groben Mitteln, aber meist erfolgreich. Das zeichnet ihn aus.
Was wir wirklich an Martin Wagner gehabt haben, werden wir nun erkennen, wenn wir ihn nicht mehr haben.