16 Tonnen Abfall. Blech-Büchsen übersäten den Barfüsserplatz. Am Marktplatz das gleiche Bild: Bier-Hülsen überall. Die 25'000 Fans, die zum Europa-League-Final-Spiel Liverpool – Sevilla nach Basel gepilgert sind, haben am Mittwoch Spuren hinterlassen. An deren Beseitigung arbeitete die Stadtreinigung bis in die Morgenstunden. Allein: Die Blechlawine entstand illegal. Eigentlich sähe das Gesetz für einen Anlass dieser Grössenordnung die Verwendung von Mehrwegbechern oder Pfand-Abgaben vor. Beides wurde aber nicht eingesetzt. Dieser Pflicht unterstehen sonst auch Grossveranstalter wie etwa das Basel Tattoo, «Em Bebby sy Jazz» und der FC Basel bei seinen Heimspielen.
Urheber dieses Gesetzes ist Peter Howald. Als SP-Grossrat verlangte er 2008 und 2010 mit Vorstössen den Einsatz von Mehrweggeschirr im Joggeli. Die Regierung weitete anschliessend diese Forderung weiter aus, seither müssen alle Veranstaltungen mit einem Publikum von mehr als 500 Personen ein Mehrweg-Konzept befolgen. Ausgerechnet Howald allerdings war als Leiter des Sportamts am Mittwoch Projektleiter für den Europa-League-Final in Basel. Als solcher kündigte er auch kurzfristig die beiden Public Viewings an. Offenbar in Absprache mit den anderen Departementen befreite er sich dafür von jenem Gesetz, das er einst als Grossrat angeregt hatte. Von der BZ darauf angesprochen, will er kaum Stellung nehmen und verweist lieber an das Standort-Marketing. Eine Anwendung des Gesetzes bezeichnet er jedoch als «unrealistisch» und zieht einen Vergleich zur Fasnacht. Diese unterliegt dem im Januar 2015 in Kraft getretenen Gesetz nicht mehr: Der Grossrat hat die «Drey scheenschte Dääg» im Februar diesen Jahres wie auch die «Herbschtmäss» von den Auflagen ausgenommen.
Sabine Horvath vom Standort-Marketing sagt: «Die beiden Public Viewings wurden erst knapp eine Woche vor dem Final organisiert. Aufgrund der Kurzfristigkeit und des unbekannten Publikumsandrangs war es nicht möglich, ein Mehrweg-Konzept umzusetzen.» Als weiteres Argument führt sie an, dass Standbetreiber Eiche, der sowohl auf dem Marktplatz wie auch auf dem Barfi Wurst und Bier anbot, ohnehin auf diesen beiden Plätzen steht — während des täglichen Marktbetriebes. «Dieser sieht keine Depot-Abgabe für das Geschirr vor.»
Ein weiteres Problem seien die Detaillisten. Während der Barfüsserplatz immer mehr von den «Reds» eingefärbt wurde, hat wenige Meter davon entfernt der Coop Pronto Bierbüchsen verkauft, ebenfalls ohne Depot. Nur: Damit sind auch Veranstaltungen wie das Jugendkulturfestival (JKF) oder das Imagine Festival konfrontiert.
Die Veranstalter billigen diese Argumentation entsprechend nicht und sind verärgert. In einem Mailverkehr, welcher der BZ vorliegt, beschweren sich mehrere OK-Mitglieder verschiedener Anlässe über das Vorgehen des Kantons vom letzten Mittwoch. Sie wollen sich nun zusammentun und den Druck auf die Politik erhöhen. Derzeit arbeiten sie an einem Brief, der sich an die Basler Grossräte adressiert. Noch ist er nicht fertig formuliert, doch in einem Entwurf steht: «Wird diese Verhinderungs-Politik nicht gestoppt, resignieren diese engagierten Leute und so verschwinden in Zukunft diverse beliebte Basler Anlässe!» Im Schreiben nehmen die Verfasser unter anderem Bezug auf eine Motion von den Grossräten Ernst Mutschler (FDP) und Oskar Herzig (SVP), die sich für eine Lockerung der Gesetzgebung einsetzen.
Mutschler ist Obmann des «Bebbi-Jazz» und sagt: «Für uns kommt mit den Mehrwegbechern ein finanzieller Mehr-Aufwand in der Höhe von 50'000 Franken hinzu.» Durch die Sonder-Handhabe am vergangenen Mittwoch sieht er sich darin bestätigt, dass es Ausnahmen braucht: «Sonst könnten gewisse Veranstaltungen gar nicht mehr durchgeführt werden.»
Er erhält prominente Rückendeckung: «Die Behörden könnten den letzten Mittwoch zum Anlass nehmen, um einzusehen, dass dieses Konzept für grossflächigere Veranstaltungen nicht sinnvoll ist», lässt der Basler Gewerbeverband auf Anfrage verlauten. Das Konzept sei eine unnötige Regulierung für Veranstalter, die gemäss Verbands-Sprecher David Weber auch schon bei der Einführung kritisiert worden war.
Seit Anfang Jahr setzt auch der FCB Mehrwegbecher ein. Verantwortlicher ist dort Jonas Blechschmidt. Noch will der FCB keine Zahlen präsentieren, aber Blechschmidt sagt: «Was das Littering anbelangt, stellen wir eine spürbare Verbesserung fest.» Logistisch sei das neue Bechersystem jedoch eine grosse Herausforderung und auch der finanzielle Aufwand beträchtlich. Insbesondere die Rücknahme nach Spielschluss führte teilweise zu Problemen. Beim ersten Spiel war das noch nicht so: Weil die Becher speziell gestaltet und bedruckt sind, wurden rund 40 Prozent gar nie zurückgegeben — die Zuschauer wollten sie offensichtlich behalten. Ist dies gar eine mögliche Einnahmequelle für den Bebbi-Jazz? Nein, sagt Mutschler: «Wir haben im OK diese Möglichkeit auch geprüft und kamen zum Schluss, dass dies nicht zu schwarzen Zahlen führen würde.»