Der Kampf um Boden für Skater in Interlaken wird mit grossen Worten geführt. bild: facebook/davidbacher
Seit die Interlakner Skater keinen eigenen Park mehr haben, rollen sie auf betonierten Schulanlagen hin und her. Weil den Anwohnern der Lärm zu viel wurde, gilt ab morgen ein Verbot. Jugendliche fühlen sich vertrieben – und rufen zum Widerstand auf.
Müsste man für die Schweiz einen Durchschnitts-Wert angeben, man könnte getrost die Gemeinde Interlaken nennen. Die Einwohnerzahl von 5700 Menschen: Durchschnitt. Interlaken ist weder städtisch noch ländlich, der Gemeinderat ist gutbürgerlich, der Ausländeranteil mit 20 Prozent ebenfalls: durchschnittlich. Und keine Gemeinde stimmt so oft genau gleich ab wie die Mehrheit der Schweizer. Interlaken ist, was sein Slogan verspricht: «Pure Switzerland».
Doch es geht ein Riss durch die Durchschnitts-Schweiz.
Hier die gutbürgerlichen Gartenpfleger, die nach Ruhe sinnen und Veränderungen verwünschen. Da die skatende Jugend, die sich je länger je mehr an den Rand gedrängt fühlt.
Schweizerisch, durchschnittlich: Interlaken. Bild: RUBEN SPRICH/REUTERS
Seit der einzige Skatepark der Region 2011 geschlossen wurde, weichen Skater auf die Schulanlagen aus. Zahlreiche Anwohner der Schulhäuser haben sich inzwischen beschwert, weil sie sich durch den Lärm belästigt fühlten. Die Konsequenz wird ab morgen spürbar sein. Denn ab morgen darf in Interlaken niemand mehr auf Schulanlagen der Kindergärten und Volksschulen Velo oder Skateboard fahren. So lautet der Beschluss der Änderung zum Polizeireglement des Grossen Gemeinderats vom vergangenen Dienstag.
Für die skatende Jugend und deren Fürsprecher ein Skandal. Dimitri Rougy, Co-Präsident des Jugendparlaments Berner Oberland, etwa ist mehr als verärgert. Einen «schlechten Witz» nennt er das Verbot, einen «weiteren Schritt in die falsche Richtung».
Dimitri Rougy präsidiert das Jugendparlament Berner Oberland. bild: jugendparlament Berner oberland
Rougy ist entschlossen, etwas «gegen das Bünzlitum lärmempfindlicher Anwohner» zu unternehmen. «Kaum sitzt man mit einer Gitarre draussen, greift garantiert schon ein Anwohner zum Hörer, um die Polizei zu alarmieren», beschreibt er den Zustand in der Durchschnitts-Schweiz.
Das sei aber nicht das einzige Problem – auch die Politik, die solche Beschlüsse wie das Skater-Verbot erlasse, bestätige die intolerante Haltung eher, als dass sie einen Diskurs im Dorf anstrebe. Das wiederum fördere die «passiv-aggressive Stimmung», die in der Stadt herrsche, so Rougy. «Die Jungen können sich ohnehin schon nicht mit Interlaken identifizieren, jetzt werden sie weiter verdrängt», sagt der 19-Jährige. Jetzt bringt dieser Frust die Interlakner Volksseele zum Kochen. Zumindest die der Jugend.
Denn die ältere Garde sieht das anders. Zum Beispiel Gemeinderat Peter Michel, SVPler und erfolgreichster Steinstösser, den die Schweiz je gesehen hat. Er sagt gegenüber der «Berner Zeitung», ein Skatepark sei das Bedürfnis einer kleinen Gruppe. Er finde, in Interlaken gebe es genügend Möglichkeiten, «wo sich speziell Jugendliche aufhalten können».
Der Gemeinderat macht es den Skatern besonders schwer: Vergangenen Dienstag hat er nicht nur das Verbot beschlossen, sondern auch, dass die Gemeinde dem Verein «Skatepark Bödeli», der mehrere 100 Mitglieder zählt, keine Unterstützung bei der Standortsuche leistet. Rougy spricht von «sukzessiver Verdrängung der Jugendlichen». «Das ist wie eine Blase, die sich während der letzten Jahre aufgebläht hat», sagt Rougy. «Und diese Blase platzt jetzt.» Die Interlakner Jugend probt den Aufstand.
Damit könnte Interlaken ein Exempel statuieren. Denn was in der Durchschnitts-Gemeinde vor sich geht, passiert auch andernorts, nur die Protest-Partys blieben bislang aus: Schlieren versenkte erst vergangenen Sommer den Zusatzkredit für einen Skatepark, nachdem der sechs Jahre andauernde Streit mit den Anwohnern das Projekt verteuert hatte.
Auch in Biel mussten Skater 2015 einen Platz am See wieder räumen, weil Anwohner sich über Lärm beschwert hatten. Und die Zürcher Gemeinde Stäfa hat 2011 ein Projekt für eine Skateranlage beerdigt, weil sie nach mehreren Anläufen keinen geeigneten Standort gefunden hatte. Auch da hatte sich Widerstand bei potenziellen Anwohnern geregt. Man könnte das beliebig ausdehnen: Fussballplätze, die wegen einzelner Klagen verhindert werden, Clubs, die niemand in der Nachbarschaft will.
Christoph Hak, der Leiter der Schlieremer Jugendarbeit, urteilte damals nach dem Abschmettern des Skatepark-Kredits in der «Limmattaler Zeitung»: Man wolle den Jungen Freiräume geben, aber nicht bei sich in der Nachbarschaft.
Doch dieses Mal, in Interlaken, regt sich der Widerstand auf der Seite der Lärmenden. 400 Leute haben sich zur Kundgebung «Aktion für öffentlichen Raum» angemeldet. Gemeinsam wollen sie auf Rollen die Schulhausplätze umrunden und Partys an jenen Orten feiern, von denen sie wegen der Lärmklagen vertrieben wurden.
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