Zwei Polizisten haben ihr Amt missbraucht, indem sie einen renitenten Mann auf der Berner Bahnhofwache durch eine Urinpfütze schleiften. Zu diesem Schluss kommt das bernische Obergericht, das am Dienstag das Urteil der Vorinstanz bestätigte.
Was genau am 1. Februar 2014 geschah, ist unklar. Ein offenkundig zugedröhnter Mann hatte die Polizisten im Bahnhof angepöbelt, worauf er zum Drogentest auf die Wache gebracht wurde. Dort pinkelte der Mann an die Zellentür und widersetzte sich der Aufforderung, die Pfütze aufzuputzen.
Nach Überzeugung des Obergerichts drückte ihn der eine Polizist darauf zu Boden und schleifte ihn durch die Lache, «um ihm eine Lektion zu erteilen». Das sei ein klassisches Beispiel für Amtsmissbrauch, sagte die vorsitzende Richterin bei der Urteilsbegründung.
Auch der andere Polizist sei zu weit gegangen. Er soll die Jacke des Mannes in die Pfütze gelegt haben.
Das Gericht stützte sich im Wesentlichen auf die Aussagen einer Polizeipraktikantin, die bei dem Vorfall zugegen war. Ihre Schilderung sei glaubhaft und schlüssig; die Beschuldigten hätten dagegen «holprig und ausweichend» ausgesagt.
Die beiden hatten erklärt, der Mann habe herumgefuchtelt und die Fäuste erhoben. Ihr Einsatz sei stets im Rahmen des Erlaubten geblieben. Anders sah es das Obergericht: Die zwei Männer hatten «das zulässige Mass an Zwang klar überschritten».
Die beiden Männer wurden zu bedingten Geldstrafen verurteilt. Seit dem erstinstanzlichen Urteil sind sie freigestellt. Das Polizeikommando hat die fristlose Kündigung in Aussicht gestellt, sollte das Urteil in Rechtskraft erwachsen. Noch ist offen, ob die zwei Polizisten den Fall weiterziehen.
Der Polizeiverband Bern Kanton (PVBK) spricht von einem «tragischen Einzelfall». Die beiden Polizisten seien keine Rambos, sondern besonnene Familienväter, die sich ein einziges Mal auf der engen Bahnhofwache hätten provozieren lassen, sagte Verbandspräsident Adrian Wüthrich nach der Urteilseröffnung.
Er setzt sich dafür ein, dass den Polizisten nicht gekündigt wird. Dafür sei der Fall zu wenig gravierend. Der Verband ist der Meinung, dass die zwei Männer polizei-intern versetzt werden und so weiterbeschäftigt werden können.
Der renitente Mann blieb dem Prozess in zweiter Instanz fern. Das Regionalgericht in Bern hatte ihn letzten Herbst vom Vorwurf der Gewalt und Drohung gegen Beamte freigesprochen. (whr/sda)