Schweiz
Bundesrat

Bundesrat: Kaum Vertreter der Städte im Gremium

Die urbane Stimme ist leise: Schweizer Städte sind im Bundesrat kaum vertreten

Die Schweiz wird zunehmend ein Land der Städter, und entsprechend gewinnen auch deren spezifische Probleme immer mehr an Gewicht. Doch die urbane Schweiz ist im Bundesrat fast gar nicht vertreten.
07.12.2018, 05:22
Dominic Wirth / ch media
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Jede Bundesratswahl bleibt auf ihre Art in Erinnerung, und schon jetzt ist klar, was von der Ersatzwahl dieser Woche bleiben wird: Es war der Tag der Frauen. Zum ersten Mal wurden mit Karin Keller-Sutter und Viola Amherd auf einen Schlag zwei von ihnen in die Regierung gewählt.

Auch andere Ersatzwahlen hatten ihre eigene Geschichte: die im Jahr 2017 etwa jene des Kantons Tessin, der mit Ignazio Cassis nach fast 20-jähriger Absenz wieder in den Bundesrat einzog.

ARCHIVBILD ZUR RECHNUNG 2017 DER STADT ZUERICH, AM DIENSTAG, 13. MAERZ 2018 - View of the city of Zurich with the Uetliberg in the background and the Prime Tower (right), pictured from the Swissmill T ...
Zürich ist wie diverse andere grosse Schweizer Städte im Bundesrat nicht vertreten.Bild: KEYSTONE

Bei Bundesratswahlen geht es immer um Ansprüche, sie werden von hier und da angemeldet, von Parteien, von Regionen, von sprachlichen Minderheiten, von Frauen und Männern. Die urbane Schweiz hat dabei in der Regel wenig zu melden.

Derzeit sind die fünf grossen städtischen Zentren – Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich – nur mit Simonetta Sommaruga, die in der Stadt Bern und der Vorortgemeinde Köniz lebt, vertreten.

Daran wird sich auch mit den neu gewählten Bundesrätinnen, der Wilerin Karin Keller-Sutter und Viola Amherd aus Brig, nichts ändern. Dabei ist der Trend klar: Die Schweiz wird zunehmend ein Land der Städter, und entsprechend gewinnen auch deren spezifische Probleme immer mehr an Gewicht.

Die neuen Bundesrätinnen sind vereidigt

Noch nie zuvor wurden in der Schweizer Geschichte gleichzeitig zwei Bundesrätinnen vereidigt. Viola Amherd (CVP) und Karin Keller-Sutter (FDP) schwören im Nationalratssaal, ihre Pflichten des Amtes gewissenhaft zu erfüllen. Video: © CH Media Video Unit

Linke wollen urbaneren Bundesrat

Die Landbevölkerung fühle sich überfahren von den Städtern, abgehängt, sei ohnmächtig: Das sagte SVP-Doyen Christoph Blocher nach dem klaren Volks-Nein zur Selbstbestimmungs-Initiative.

Die Zusammensetzung des Bundesrats, in dem Vertreter aus dem ländlichen Raum so klar in der Überzahl sind, führt indes auch zu einer anderen Frage: Haben die urbanen Schweizer Zentren im Bundesrat ein Repräsentationsproblem?

Die Antwort von Beat Jans ist klar: Ja. «Die urbane, weltoffene Schweiz müsste im Bundesrat stärker vertreten sein, dieser so wichtige Teil der Schweiz spielt dort eindeutig eine zu kleine Rolle», sagt der SP-Nationalrat aus Basel.

Das beste Beispiel ist für Jans die Wohnpolitik, ein Thema, das die Menschen in Basel, Genf oder Zürich wie kaum ein anderes bewege. Und vom Bundesrat dennoch «stiefmütterlich» behandelt wird, wie der SP-Vizepräsident es formuliert. «Das zeigt sich etwa in der Ablehnung der Initiative für mehr bezahlbaren Wohnraum», sagt er.

Das war die Bundesratswahl 2018:

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Im Bundeshaus am Tag der Bundesratswahlen
Die beiden neuen Bundesrätinnen Karin Keller-Sutter und Viola Amherd bei der Vereidigung.
quelle: keystone / anthony anex
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Jans findet, dass es bald weitere Bundesräte aus den urbanen Zentren brauche. Und sich dafür auch der Städteverband stärker in Szene setzen müsse, etwa indem auch er vor den Bundesratswahlen Hearings mit den Kandidaten durchführe. Auch die grüne Nationalrätin Aline Trede bemängelt, die städtische Bevölkerung sei derzeit zu wenig vertreten im Bundesrat.

«Dabei sollte das Gremium doch die schweizerische Gesellschaft abbilden», sagt die Stadtbernerin. Das Repräsentationsproblem zeigt sich für sie nicht nur im Bundesrat, sondern auch in der Legislative.

Trede sympathisiert – wie Beat Jans – bis heute mit einer Idee, die im Nationalrat schon vor acht Jahren scheiterte: Die grosse Kammer lehnte damals den Vorschlag ab, Städten mit über 100'000 Einwohnern einen Sitz im Ständerat zu gewähren.

Viola Amherd: «Ich bin sehr glücklich»

Die neugewählte Bundesrätin Viola Amherd zeigte sich nach der Wahl erfreut über das ausgezeichnete Resultat. Video: © sda-Video

Bürgerliche Politiker sehen die urbane Untervertretung im Bundesrat weniger dramatisch. Regine Sauter, FDP-Nationalrätin aus der Stadt Zürich, ist zwar der Meinung, dass die städtische Perspektive in einem Gremium wie dem Bundesrat wichtig sei. «Man sollte natürlich an die Zentren denken, und es wäre wünschenswert, wenn sie im Bundesrat besser vertreten wären», sagt sie.

Doch die Direktorin der Zürcher Handelskammer findet auch, dass die Städte ihre Interessen auf anderen Wegen einspeisen müssten. Und es sonst schon genug Gezerre um die Bundesratssitze gibt. Weitere Anspruchsmeldungen sind da in Sauters Augen fehl am Platz.

Keller-Sutter: «Es ist wie bei einer bestandenen Prüfung»

Die neugewählte Bundesrätin Karin Keller-Sutter zeigte sich nach der Wahl gelöst. Video: © sda-Video

«Wichtig ist, wie jemand denkt»

Guillaume Barazzone sitzt für den Stadtkanton Genf im Nationalrat und ist Mitglied der Genfer Stadtregierung. Der CVP-Politiker sagt, es sei sekundär, woher ein Politiker komme. «Es geht vor allem darum, wie jemand denkt und wo er politisch steht», sagt er. Zudem sei eine angemessene Vertretung eher im Parlament notwendig. (aargauerzeitung.ch)

Nico Franzoni an der Nacht der langen Messer

Video: watson/Angelina Graf, Nico Franzoni
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18 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Eskimo (Inuit für die Selbstgerechten)
07.12.2018 06:57registriert Februar 2015
Ich finde jeder CH Bürger sollte seinen eigenen persönlichen Bundesrat bekommen der seine Interessen in Bern vertritt...😉
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Eine_win_ig
07.12.2018 06:40registriert Dezember 2016
Kann mir dann jemand erklären, für was die Stadtparlamente und Stadträte noch gut sind? Wäre es nicht deren Aufgabe, die Interessen Ihrer Städte gegenüber Bundesbern zu vertreten? Es ist mir klar, dass der Gemeindepräsident von Hinterdottigen keine offene Ohren findet in Bern. Ein Stapi aus Bern, Zürich, Genf etc. hat da schon mehr Erfolg. Meist sind diese Damen und Herren ja auch politisch sehr gut vernetzt.

Und sonst kann man die Liste nach Urbanität noch erweitern: Secondos, Religion, sexuelle Orientierung, Ausbildungsniveau, Freizeitaktivitäten, Altersgruppe, etc.....
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