Junge Mütter erleben es nach der Geburt jedes Mal aufs Neue: Parlamentsmandate lassen sich nur schwer mit Familienpflichten vereinbaren. Die Gesetze, die Vorschriften, auch die Gebäude sind nicht auf die Bedürfnisse frisch gebackener Eltern ausgerichtet.
Die Pflicht, Gesetze mitzugestalten und bei wichtigen Abstimmungen anwesend zu sein, wollen sie weiterhin wahrnehmen, sind sie doch vom Volk dafür gewählt worden. Doch mehrere Hindernisse erschweren diese Aufgabe.
Zunächst besteht ein Widerspruch zwischen politischen Pflichten und dem Gesetz. Der Erwerbsersatz entfällt, sobald eine Mutter während des Mutterschaftsurlaubs abstimmen geht. Das Sitzungsgeld für die Parlamentsarbeit erhält sie zwar weiterhin, aber der Erwerbsersatz für ihre berufliche Tätigkeit wird gestrichen.
Das bedeutet: Die Parlamentarierin ist gezwungen, sich zwischen Arbeit und Familie zu entscheiden. Sibel Arslan (Basta/BS) und Irène Kälin (Grüne/AG) reichten Vorstösse ein, um Auswege aus diesem Dilemma zu suchen. Die Antwort des Bundesrats fällt ernüchternd aus: Es gebe keine einfache Lösung, allenfalls müsse sogar die Verfassung geändert werden.
Irène Kälin will das nicht glauben: «Im digitalen Zeitalter sollte es möglich sein, das Votum bei wichtigen Abstimmungen elektronisch abzugeben.» GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy (BE) pflichtet ihr bei: Kreative Lösungen seien gefragt.
Kälin und Bertschy sind im letzten Jahr zum ersten Mal Mutter geworden. Und sie mussten erfahren, dass das Bundeshaus nicht als Ort für Mütter konzipiert wurde. Es fehlen Rückzugsorte, die Architektur erschwert den Zugang für Kinderwagen und Angehörige sind erst seit dieser Session zugelassen. Vorher mussten sie im Foyer warten und konnten der Mutter nicht helfen, wenn sie abstimmen musste. Der Familienbadge soll das ändern.
Obwohl es nicht die ersten Babys unter der Bundeshauskuppel sind, setzen sich Verbesserungen nur zögerlich durch. Ein Wickeltisch wurde erst installiert, als Irène Kälins Partner den Sohn auf einem Kaffeetisch wickeln musste. Eine Alternative gab es bis dahin nicht.
Mit der Geburt von Kathrin Bertschys Tochter hätte neu ein Stillzimmer zur Verfügung stehen sollen, damit die Mütter sich zurückziehen können. Der Versuch scheiterte. Denn die Idee, das Raucherzimmer zum Stillzimmer umzufunktionieren, stiess auf grossen Widerstand. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (ZG) beantragte dem Büro des Nationalrats, ein anderes Zimmer zu suchen – und die Raucher in Ruhe zu lassen.
Dass sich der Raum, der den Müttern heute schon zur Verfügung steht, in einem anderen Gebäude befindet, sieht auch Aeschi als Problem: Das erschwert das Abstimmen im Ratssaal. «Im Bundeshaus gibt es aber genügend Zimmer. Für die Mütter findet sich sicher eine Lösung», sagt Aeschi. Weil die Suche bisher erfolglos verlief, hat das Büro des Nationalrats mit Isabelle Moret eine Delegierte fürs Stillzimmer ernannt.
Die FDP-Nationalrätin muss dem Büro bis Mitte Mai Vorschläge unterbreiten. «Dass jede Mutter eine Lösung findet, die ihr entspricht, liegt mir am Herzen», sagt Moret auf Anfrage. Sie werte es als starkes Zeichen, wenn der Rat für die nächste Legislatur ein Stillzimmer einrichte. Nur kommt das für so manche Mutter zu spät.