Ein namhafter SVP-Politiker, dem Zürcher Flügel zuzurechnen, enervierte sich kürzlich sehr. Es sei im Dezember 2007 gar nicht Eveline Widmer-Schlumpf gewesen, die bei der Abwahl von Christoph Blocher falsch gespielt habe. Vielmehr sei dies Ueli Maurer gewesen, damaliger SVP-Präsident. Er habe am Vorabend der Abwahl gar nicht versucht, Widmer-Schlumpf anzurufen, um sie mit Gerüchten zu konfrontieren, wonach sie Mitte-Links als Sprengkandidatin zur Verfügung stehe.
Maurer, dies also die zornige Vermutung, habe absichtlich nichts gegen die absehbare Abwahl von Blocher unternommen. Die Episode zeigt jedenfalls, wie sehr sich der ehemalige Parteipräsident und einige Hardliner auseinandergelebt haben.
Denn nicht alle goutieren, dass der ehemals als Blochers Laufbursche Abgestempelte endgültig im Amt als Bundesrat angekommen ist. Er hat damit das geschafft, was seinem neidischen Widersacher nie vergönnt war: Maurer wurde mehrmals als Bundesrat wiedergewählt, und am 5. Dezember 2018 sogar mit einem historischen Resultat zum zweiten Mal zum Bundespräsidenten: 201 von 209 gültigen Stimmen, das wird ihm so schnell keiner nachmachen.
Maurer, mittlerweile 68, hat sich den Respekt erarbeitet. Er wird links und rechts, in der Mitte und im Bundesrat als verlässlicher Partner geschätzt. Der Bundespräsident 2019 freute sich, für ihn völlig untypisch, sogar ausgelassen über das Resultat, er bedankte sich begeistert und begeisternd: «Politik muss Freude und Spass machen.»
Umgekehrt proportional dazu hat sich allerdings das Verhältnis von Maurer zum Blocher-nahen Teil der SVP um Leute wie Fraktionschef Thomas Aeschi abgekühlt. Längst gilt er dort als «halber Bundesrat» wie weiland Samuel Schmid, und man hofft auf baldigen Abgang.
Man stösst sich daran, dass Maurer als Finanzminister nicht nur die Politik von Amtsvorgängerin Widmer-Schlumpf übernahm, sondern auch ihr Personal. Dass er die ehemalige Bündner SVP-Regierungsrätin Barbara Janom Steiner (BDP) nun zur Präsidentin des Bankrats der Schweizerischen Nationalbank (SNB) machte, stiess besonders sauer auf.
Maurer ist sogar das geworden, was einige SVP-Grössen gerne verhöhnen: eine Art Internationalist. Als Finanzminister reist er im Gegensatz zu früher viel, fühlt sich wohl beim oft entspannten und interessanten Austausch mit Kollegen aus aller Welt.
Er geniesst seine Auftritte in Gremien wie dem Internationalen Währungsfonds IWF, wo er zum gefragten Redner geworden ist. Er referiert aus dem Stegreif über Unerklärbares wie Blockchain oder Bitcoin und erhält stehende Ovationen. Er versteht das als Einsatz für sein Land. «Es ist für die Schweiz viel besser, mit am Tisch zu sitzen, als auf dem Menü zu stehen», sagte er auch schon.
Dass ihm der Knopf so richtig aufging, hat auch mit dem Departement zu tun. Als Verteidigungsminister sagte er zu Vertrauten, frustriert über das teilweise intrigante Verhalten von Generälen und Obersten dieser Friedensarmee, deren Bürokratie sich um sich selber dreht: «Ich werde hier von morgens bis abends angelogen.»
Maurer, der nicht gerne Streit hat, legte sich allerdings nicht wirklich mit seinen selbstherrlichen Berufsoffizieren an. Sein Nachfolger Guy Parmelin (SVP) nahm einige Anläufe, lief aber auf. Beide hoffen jetzt insgeheim, dass die neue VBS-Chefin Viola Amherd (CVP) es schafft, die Oberhand zu gewinnen.
Im Finanzdepartement (EFD) stiess Maurer auf eine ganz andere Welt, in der es mehr um die Sache geht als um Pfründen. Die Zahlen stehen im Mittelpunkt, das Departement gilt als gut organisiert, viele brillante Leute arbeiten hier, nüchterne Arbeit ist der Alltag. «Nach der Arbeit gehen die EFD-Mitarbeiter nicht in die Beiz, sondern nach Hause zu ihren Familien», drückt sich ein VBS-Insider aus.
Geht es nach Vertrauten, ist Maurer derart begeistert bei der Sache, dass er Ende 2019, nach seinem Präsidium, nicht als Bundesrat aufhören werde. «Und er will nicht, dass Alain Berset das EFD übernimmt», sagt einer.
Was er lieber nicht sagt: Ueli Maurer, der sich eben erst so richtig von Herrliberg emanzipiert hat, würde mit Sicherheit auch nicht gerne den Weg frei machen für eine Bundesrätin namens Magdalena Martullo-Blocher. (aargauerzeitung.ch)