Kurz vor dem vergangenen Wochenende stellte die Nachricht des Bundesrates die Welt der Lehrpersonen auf den Kopf: Innerhalb kürzester Zeit müssen Lehrerinnen und Lehrer die Bildung tausender Schülerinnen und Schüler von Präsenz- auf Fernunterricht umstellen. Drei Lehrerinnen erzählen, wie es ihnen mit dem neuen Alltag geht und wie sie ihren Unterricht gestalten:
Zuerst ging es darum, alle Schülerinnen und Schüler meiner acht Klassen zu informieren. Da ich an zwei verschiedenen Schulen arbeite, war das etwas schwierig. Dann musste ich sofort umstellen und planen, was ich dieses Semester mit ihnen machen möchte. Ich habe für alle Klassen ein Dossier mit Aufträgen und Arbeitsblättern erstellt.
An der Kantonsschule in Wetzikon nutze ich Microsoft Teams und an der Privatschule Aurum in Zürich die Plattformen Classowl und Zoom. Bei Teams kann ich Aufträge hochladen und mit den Schülern chatten. Mit Zoom führe ich Videokonferenzen durch und kann meinen Bildschirm mit ihnen teilen, um etwas zu erklären. Ich führe weiterhin, so gut es geht, mit jeder Klasse Präsenzzeiten, damit sie Fragen stellen oder wir uns austauschen können.
Daneben produziere ich selber Videos und Podcasts – hierfür habe ich mir nun extra Equipment bestellt. Mir ist es wichtig, den Unterricht trotzdem möglichst vielfältig und kreativ zu gestalten.
Was etwas auf der Strecke bleibt, ist die nonverbale Kommunikation und das Zwischenmenschliche. Normalerweise merke ich sofort, wenn ich das Klassenzimmer betrete, wie die Stimmung ist. Ob sie gereizt sind, aufgewühlt oder munter. Um ihren Gemütszustand weiterhin etwas zu spüren, habe ich die Schüler aufgerufen, ein Selfie zu machen und zu schreiben, wie es ihnen geht.
Im Fernunterricht ist es etwas schwierig, zu kontrollieren, ob alle die Aufträge erledigen. Deshalb setze ich zwei Deadlines pro Woche, um sicherzustellen, dass sie es auch verstanden haben. Trotzdem müssen die Jugendlichen nun viel Eigenverantwortung übernehmen.
Ich vermisse das Unterrichten und meine Schülerinnen und Schüler sehr. So alleine zu Hause zu sein, ist ungewohnt. Ich bin Lehrerin geworden, weil ich es liebe, mit dieser Altersgruppe zusammenzuarbeiten und ihnen meine Leidenschaft für das Fach Geschichte rüberzubringen. Die Interaktion fehlt mir wahnsinnig; ich möchte wissen, wie es ihnen geht und wie sie das Ganze meistern.
Ich habe seit Sonntag viel gearbeitet, an den ersten beiden Tagen wurde es recht spät. Denn für mich war es eine riesige Umstellung. Unser «Kerngeschäft» ist es ja, mit den Kindern zu reden und ihnen etwas zu erklären.
Wir arbeiten jetzt mit «Learningview»; einer App, auf der man einen Wochenplan erstellen und Aufträge erfassen kann. Die Schülerinnen und Schüler können ein erledigtes Arbeitsblatt abfotografieren und es hochladen, damit ich es korrigieren kann – oder sie korrigieren es mit der von mir hochgeladenen Lösung selbst. Ausserdem kann ich Sprachnachrichten aufnehmen und ihnen einen Auftrag erklären. Und auch sie können, beispielsweise beim Fremdsprachen-Unterricht, ein Sätzchen aufnehmen und ich kann es mir anhören. Der Vorteil: Für die App braucht es keinen Laptop. Die Kinder können ganz einfach mit dem Smartphone der Eltern darauf zugreifen. Der Nachteil: Momentan sind viele dieser Seiten überlastet, das stellt uns wieder vor neue Herausforderungen.
Für die Kommunikation mit den Eltern nutze ich die Plattform «Schabi.ch». Hier können wir Informationen, die wir von der Schulleitung oder vom Bund erhalten, den Eltern mitteilen. Das hilft, denn nicht alle Eltern haben eine eigene E-Mail-Adresse.
Parallel zum Fernunterricht haben wir fixe Telefonzeiten eingeplant, während welcher wir eine Viertelstunde mit dem Kind und bei Bedarf mit den Eltern telefonieren. Sie können Fragen stellen, aber es geht auch darum, herauszufinden, wie sie sich fühlen. Es ist wichtig, dass die Beziehungsarbeit auch während diesen Wochen nicht vergessen geht. Wir versuchen, den Fernunterricht möglichst so zu gestalten, dass die Kinder selbstständig arbeiten können und die Eltern sie nicht allzu fest unterstützen müssen. Sie sind sich auch schon vom regulären Unterricht gewohnt, selbstständig Arbeitsaufträge zu erledigen. In der Betreuung sind die Eltern aber jetzt um einiges mehr gefordert.
Dass ich nun nicht mehr jeden Tag vor meiner Klasse stehe, ist sehr komisch. Es ist so ruhig … Ich vermisse das Unterrichten extrem. Es ist ein komplett anderer Job; ich bin nicht Lehrerin geworden, um alleine im Klassenzimmer zu sein. Sondern wegen der Zusammenarbeit mit den Kindern. Wenn ich mir vorstelle, dass die Schulen vielleicht noch länger geschlossen bleiben, finde ich das sehr traurig.
Am Montagmorgen um halb acht hatten wir mit allen Oberstufenlehrpersonen eine Krisensitzung. Hierfür sind wir natürlich extra in ein Zimmer gegangen, in dem wir den Abstand von zwei Metern einhalten konnten. Anschliessend ist jede Lehrperson in ihr Schulzimmer gegangen und hat für ihre Fächer Dossiers mit Arbeitsblättern und Aufträgen zusammengestellt. Für meinen Fremdsprachenunterricht habe ich zum Beispiel Bücher rausgesucht, die die Schüler lesen sollen und dazu Arbeitsblätter erarbeitet.
Am Dienstag sind alle Kinder des ganzen Schulhauses (auch Kindergarten und Primarschule) nach Alphabet im Viertelstundentakt vorbeigekommen, um das Unterrichtsmaterial abzuholen. Auch hierbei mussten alle die Abstände einhalten.
Hier auf dem Land ist es mit der Digitalisierung etwas schwierig. Einige Lernende haben noch keinen Zugang zu einem Computer oder zum Internet. In meiner Klasse geht es; praktisch alle haben ein Smartphone. Deshalb kommunizieren wird nun über Microsoft Teams. Dort können sie mir in Chats Fragen stellen. Grundsätzlich sollten die Schülerinnen und Schüler drei Stunden pro Tag an den Dossiers arbeiten, jedoch dürfen wir keine Deadlines setzen oder Prüfungen durchführen. Aus Gründen der Chancengleichheit sollen die Aufgaben repetitiv sein, nicht dass die Lernenden selbstständig neuen Stoff zuhause erarbeiten müssen.
Um mit den Schülerinnen und Schülern in Kontakt zu bleiben und sicherzugehen, dass es ihnen in dieser Situation gut geht, hat jede Lehrperson acht bis 12 Schüler, mit denen sie einmal pro Woche telefoniert und nachfragt, wie es läuft.
Als wir letzten Freitag durch die Medienkonferenz vernommen haben, dass wir die Schule schliessen müssen, waren viele Schülerinnen und Schüler überrascht und auch etwas verzweifelt. Am Dienstag, als sie ihr Material abholten, waren die meisten von der Situation eingeschüchtert. Dass sie ihre Lehrpersonen nicht mal mehr per Ellenbogen begrüssen durften, ging vielen nahe. Auch mir; ich hatte Tränen in den Augen.
Ich vermisse meine Schülerinnen und Schüler sehr. Gestern habe ich ihnen einen Brief geschrieben und gesagt, wie es mir geht und dass ich hoffe, dass diese Zeit bald durch ist. Viele von ihnen haben mir dann zurückgeschrieben und mein Leid geteilt. Ich denke, vielen geht nun ein Licht auf und sie merken, dass es nicht nur schlimm ist, wenn man in die Schule «muss».