Sie entscheidet im Ernstfall, ob dein Handy angezapft oder dein PC gehackt wird
Die Schweizer Richterin Salome Zimmermann genehmigt, wen der Geheimdienst heimlich überwachen darf.
screenshot: tages-anzeiger
Seit dem 1. September darf der Schweizer Geheimdienst Räume verwanzen, Telefone abhören und mit Spähsoftware in Computer eindringen: Sei dies, um Terroristen aufzuspüren, um zu verhindern, dass Massenvernichtungswaffen in falsche Hände gelangen, oder um Wirtschaftsspionage zu bekämpfen...
Der «Tages-Anzeiger» hat mit der Frau gesprochen, die die weitreichenden Überwachungsmassnahmen «praktisch im Alleingang» genehmigt. Es ist die Richterin Salome Zimmermann aus Zürich. Sie ist die Präsidentin der Abteilung I des Bundesverwaltungsgerichts.
Hier sind ihre wichtigsten Aussagen:
Ob sie ein Problem damit hat, mit geheimen Entscheiden massiv in die Privatsphäre Betroffener einzugreifen:
«Ich war letzte Woche in Berlin in einer Ausstellung über Kafkas ‹Der Prozess›. In Franz Kafkas Buch weiss der Betroffene nicht, wessen er beschuldigt wird. Ich überlegte mir: Bei uns weiss er nicht einmal, dass er in einem Prozess steckt. Ich spüre die grosse Verantwortung, die auf mir lastet. [...] Ich habe grossen Respekt vor der beschuldigten Person, aber auch vor dem Rechtsstaat, der sich bedroht fühlt und vielleicht bedroht ist.»
… die Anzahl der Anträge
«Das darf ich nicht beantworten. Alles, was wir vom NDB bekommen, ist geheim. […] Wir erledigen, was kommt.»
Ob sie Alarm schlägt, wenn (zu) viele Überwachungen beantragt werden:
«Das ist nicht unsere Aufgabe. Ich lege jährlich in einem – wiederum geheimen – Bericht Rechenschaft ab an die Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments. Dort werde ich Zahlen über Gutheissungen und Ablehnungen offenlegen. Es ist dann Aufgabe dieser politischen Instanz, das allenfalls zu tun, was Sie Alarmschlagen nennen.»
… ihre Vorbereitung auf die Aufgabe:
«Nicht nur mit unzähligen Sitzungen […]. Ich las auch viel über Demokratie und Rechtsstaat. Stark beeindruckt hat mich das Buch ‹Gegen den Hass› der deutschen Philosophin und Politologin Carolin Emcke […]. Sie schreibt: Demokratiefeindlichkeit lässt sich nur mit demokratischen, rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen. Wenn die liberale, offene Gesellschaft sich verteidigen will, dann kann sie das nur, indem sie liberal und offen bleibt.»
… den Ort der Anhörungen
«Wir haben bei uns in St.Gallen [dem Sitz des Bundesverwaltungsgerichts] einen gesicherten Raum eingerichtet, zu dem nur wenige Personen Zutritt haben. Wir reinigen den Raum sogar selber.»
Warum gerade sie?
«Das Gesetz legt fest, dass die Präsidentin oder der Präsident der Abteilung I des Bundesverwaltungsgerichts dafür zuständig ist. Ich habe die Aufgabe also nicht gewählt, sondern sie wurde mir kraft meiner Funktion zugeschrieben.»
… ihre ganz persönliche Vorfreude auf den Job
«[…] Ich bin auch ein wenig stolz, dass eine linke Frau aus einer religiösen Minderheit eine solche Aufgabe übernehmen kann, und nicht jemand aus der Elite mit Beziehungen in die oberen Kreise der Gesellschaft. Ich glaube, wir dürfen alle stolz sein, dass so etwas in der Schweiz möglich ist.»
Des gesamte Interview kannst du beim Tages-Anzeiger lesen.
Geheimdienst-Richterin
Der «Tages-Anzeiger» beschreibt Salome Zimmermann als 62-jährige Mutter zweier erwachsener Söhne, die eine Karriere mit besonderen Stationen gemacht habe. «Das SP-Mitglied arbeitete bei einer Privatbank und in einer Wirtschaftskanzlei. Zimmermann lebte aber auch zweieinhalb Jahre in den USA und war an der Oper in Philadelphia Regieassistentin. In Zürich präsidierte sie acht Jahre lang die Stiftung Frauenhaus.»
Sie leistete auch freiwillig Militärdienst, brachte es bis zum Hauptmann. Das habe mit ihrer jüdischen Herkunft zu tun, sagt sie im Interview. «Als ich jung war, sagte man uns: Hitler kam nicht, weil es die Schweizer Armee gab. Ich hatte als junge Frau das Gefühl, ich könne etwas zurückgeben.»
Sie leistete auch freiwillig Militärdienst, brachte es bis zum Hauptmann. Das habe mit ihrer jüdischen Herkunft zu tun, sagt sie im Interview. «Als ich jung war, sagte man uns: Hitler kam nicht, weil es die Schweizer Armee gab. Ich hatte als junge Frau das Gefühl, ich könne etwas zurückgeben.»
(dsc/mlu)
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