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Notfallknopf-Panne: IT-Experte kritisiert die Kliniken

In zahlreichen Alters- und Pflegeheimen könnte die Panne laut dem Systemhersteller noch bis Mitte nächste Woche andauern.
In zahlreichen Alters- und Pflegeheimen könnte die Panne laut dem Systemhersteller noch bis Mitte nächste Woche andauern.bild: shutterstock 

IT-Experte zu Notfallknopf-GAU in Kliniken: «Gutes Risikomanagement sieht anders aus»

In rund 400 Schweizer Spitälern und Heimen konnten Patienten wegen eines Software-Bugs nicht mehr vom Bett aus per Notfallknopf Alarm schlagen. In gewissen Institutionen ist das Problem bis heute nicht behoben. Nun prangert ein IT-Experte die fehlende doppelte Absicherung der Institutionen an.
05.01.2019, 10:1005.01.2019, 22:53
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Die Panne ist brisant: In rund 400 Spitälern und Heimen hat seit der Silvesternacht der Notfallknopf nicht mehr funktioniert. Zahlreiche Patienten und Heimbewohner in der ganzen Schweiz konnten nicht mehr vom Bett aus Alarm schlagen, wenn es ihnen schlecht ging. Schuld an der misslichen Lage, die in vielen Institutionen noch nicht behoben ist, ist ein Softwarefehler. 

Die watson-Recherchen zur Mega-Panne lösten ein grosses Medienecho aus. Am Freitag meldeten sich so auch zahlreiche Personen aus dem Umfeld von Gesundheits-Institutionen auf der Redaktion und schilderten die Lage vor Ort: «In unserem Altersheim im Raum Zürich fielen neben dem Alarmknopf auch die Klingelmatten und Handgelenkssender der Senioren aus», schreibt etwa eine Betreuerin. Eine andere Leserin sagt, zahlreiche Bewohner eines Berner Wohnheims für Menschen mit körperlicher Behinderung hätten schlaflose Nächte. Aus Angst, die Betreuer würden sie bei einem Problem nicht hören.

Die Herstellerfirma Gets MSS SA in Lausanne behandelte die Spitäler bei der Bewältigung des Bugs prioritär. Inzwischen ist das Problem in allen grossen Spitälern behoben. In zahlreichen Alters- und Pflegeheimen ist dies hingegen nicht der Fall: Gemäss Informationen von watson funktionierte der Notfallknopf in vielen Heimen auch am Freitagabend noch nicht. 

Die Programmiergeräte, mit denen der Softwarefehler behoben werden kann, sind knapp. Die Geräte wandern von Institution zu Institution. In gewissen Heimen werden sich die Bewohner so bis Mitte nächste Woche gedulden müssen. 

Der Grund für den Ausfall liegt bei der Software der Notrufanlage. Diese war nicht auf den Jahreswechsel vorbereitet. Dies führte dazu, dass die Notrufanzeigen in den Stationszimmern zu viel Strom bezogen und das System zusammenbrach.

«Meinem Eindruck nach wurde hier viel improvisiert.»
IT-Experte über Reaktion der Spitäler und Heime

Jürgen Holm, Leiter des Departements Medizininformatik der Fachschule Bern, sagt auf Anfrage, technische Medizinprodukte würden mit hoher Qualität programmiert und zertifiziert. Aber: «Es wäre naiv zu glauben, Programmierfehler passierten nicht. Jedes System steigt mal aus.» Deshalb sei es besonders für Institutionen im Gesundheitsbereich zentral, über einen ausgefeilten Notfallplan zu verfügen, um im Falle einer Panne angemessen reagieren zu können.

Patienten mussten mit Glocken um Hilfe rufen

Die betroffenen Spitäler und Heime setzten unter anderem Babyphones ein und verteilten den Patienten Handglocken, um im Notfall nach dem Betreungspersonal rufen zu können. Holm: «Meinem Eindruck nach wurde hier viel improvisiert. Gute Notfallplanung sieht anders aus. Aber es hat wohl immerhin funktioniert.»

Für Susanne Hochuli, Präsidentin der Stiftung für Patientenschutz SPO, zeigt der Fall, dass es auch im Gesundheitswesen keine absolute Sicherheit bei der Technik gibt. «Wir verlassen uns auf Systeme, die anfällig sein können.» Handlungsbedarf sieht Hochuli aber nicht. «Es ist nicht finanzierbar, alle anfälligen Systeme doppelt abzusichern.»

Die betroffenen Spitäler und Heime betonen indes, es sei zu keinen Zwischenfällen gekommen, die auf die Störung zurückzuführen waren. Die Patienten seien zu keiner Zeit gefährdet gewesen. 

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34 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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eleven86
05.01.2019 11:42registriert Oktober 2014
"...Diese war nicht auf den Jahreswechsel vorbereitet..."

hmm... okay, das ist ja auch etwas ganz neues und kommt urplötzlich... kann man sich wirklich kaum drauf vorbereiten.
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bodan8
05.01.2019 12:28registriert Februar 2015
Improvisationstalent in Notfallsituationen ist eine gefragte Fähigkeit. Was nützen ausgeklügelte Risk-Management Systeme? Eine passende Checkliste wird sich trotz jahrelanger Vorbereitung nicht finden, denn jeder Notfall ist anders. Nur mit kreativen Ideen und Improvisation können Notsituationen überwunden werden. Wenn Herr Holm «Improvisation» in diesem Zusammenhang als wenig professionell hinstellt, hat er vermutlich noch keine wirklich schwierigen Situationen meistern müssen. Glocken und Babyphones sind gute Hilfsmittel in dieser Situation. Telefon am Patientenbett und Handy auch.
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El Vals del Obrero
05.01.2019 12:43registriert Mai 2016
Meiner Meinung nach liegt die Lösung nicht darin, mehr komplexe teure fehleranfällige Software anzuschaffen.

Sondern ein Backup-System, welches komplett *ohne* Software auskommt. Man drückt auf einen Knopf, dann schliesst sich ein Stromkreis und am anderen Ende des Kabels geht ein Licht an. Prinzip Lichtschalter, funktioniert zuverlässig seit dem 19. Jhd.

Digitalisierung ist heute das selbe wie früher Motorisierung oder Atomkraft, quasi das dogmatische Heil für alles. Erst eine spätere Generation wird erkennen, wo es sinnvoll ist und wo nicht und wo es auch eine analoge Absicherung braucht.
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