Die Durchsetzungsinitiative mobilisierte nicht nur das Schweizer Volk. Die Abstimmung interessierte auch im Ausland. Die BBC schreibt von Stimmbürgern, die sich weigerten, Ausländer für kleine Vergehen auszuschaffen.
Vor allem in Deutschland ist die Durchsetzungs-Initiative nach der Abstimmung grosses Thema. Das Schweizer Volk wird für seinen Mut gerühmt.
Der Kommentator der Süddeutschen Zeitung schreibt, es gehe, nachdem die Wahllokale geschlossen seien, eine erste Welle der Euphorie durch das Land. Das, was in den vergangen Wochen in der Schweiz passiert ist, sei eine kleine Sensation. Vor dem Hintergrund der europäischen Flüchtlingskrise habe es lange ausgesehen, als sei ein Nein fast unmöglich. Noch im Januar habe es nach einem knappen Ja ausgesehen. Der Grund, dass es anders kam, sei folgender:
«Rechtsprofessoren, Künstler, Politiker haben in den vergangenen Wochen alles in die Waagschale geworfen, was einer Zivilgesellschaft zur Verfügung steht. Sie warnten vor Totalitarismus und Willkür, schalteten im ganzen Land Anzeigen und scheuten nicht, den Kampagnen-Profis der SVP ebenso plakative Aussagen entgegen zu halten. Vergleiche zum Deutschland der 1930er Jahre tauchten auf Plakaten auf, eines zeigte ein Hakenkreuz. Das zeigte Wirkung.»
Die SVP leckt ihre Wunden. Im Bild Roger Köppel. Bild: KEYSTONE
Dieser Wahlkampf habe über die Schweiz hinaus Bedeutung. In ganz Europa feierten Rechtspopulisten Erfolge, so auch lange die SVP. Allerdings sei mit der DSI-Abstimmung die Erfolgsserie der SVP gebrochen. Die Schweizer habe den Angriff auf ihre demokratische Verfassung erkannt und sich konsequent zur Wehr gesetzt. Der Artikel endet so:
«Das Signal, was von diesem Abstimmungstag ausgeht, ist deutlich: Es lohnt sich, zu argumentieren. Die Populisten haben kein Abonnement auf den Volkswillen.»
Die SVP hat den Bogen überspannt
Die Welt ist der Meinung, die SVP habe sich verschätzt. Sie schreibt von einer kalten Dusche für die Partei, diese habe offenbar den Bogen überspannt. Und:
«Vor wenigen Wochen begann eine bisher nie gesehene Mobilisierung der Zivilgesellschaft.»
Gegen den Zwei-Klassen-Rechtsstaat
Noch einmal gut gegangen. So beginnt die Frankfurter Allgemeine die Berichterstattung über die DSI. Durch die DSI wäre ein Zwei-Klassen-Recht entstanden, dagegen habe sich das Schweizer Volk nun ausgesprochen. Der heutige Tag habe gezeigt:
«Ein Zeichen, dass die Schweiz das bleibt, was sie schon lange ist: ein Rechtsstaat.»
Die DSI mobilisiert das Volk. Bild: KEYSTONE
Wir Mutbürger
Zeit Online findet, die Schweizer hätten mit der Volksabstimmung ihre Grundrechte verteidigt. Auch sie schreibt von einem Entscheid gegen eine Zweiklassengesellschaft. Davon könne Europa lernen.
«Eine klare Mehrheit der Schweizer sagte deshalb: Stopp, das geht uns zu weit. Da machen wir nicht länger mit. Hier wird eine Grenze überschritten. Diesmal haben also nicht die Wut-, sondern die Mutbürger gesprochen.»
«Seit einem Vierteljahrhundert wurde nicht mehr derart leidenschaftlich über eine Vorlage gestritten. Aus Smalltalk wurden politische Diskussionen. Verdrossene und Stimmfaule wurden über die sozialen Medien zur Urne gepeitscht. »
In einer Zeit, da die Europäische Union an der Flüchtlingskrise zu zerbrechen drohe, Zäune errichtet würden und Obergrenzen festgenagelt, in einer solchen Zeit stemme sich die Schweiz gegen den Zeitgeist.
«Die Schweizer Stimmbürger tun, was von allen verlangt wird, die Souveränität ausüben. Sie wenden Augenmass an, setzen sich mit der Materie auseinander – und benützen ihren Verstand. Nicht mit der Angst im Nacken oder der Furcht in den Knochen, sondern mit Mut. »
Grosse Freude im Nein-Lager nach der Bekanntgabe des Resultats. Bild: KEYSTONE
Ein Hoffnungsschimmer
Spiegel Online schliesslich ist überzeugt, «die neuartige Form» der Mobilisierung habe Wirkung gezeigt: Auch in eher konservativen und ländlichen Gebieten der Schweiz habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es auf absurde Weise unverhältnismässig wäre, einen in der Schweiz geborenen Ausländer wegen zwei Bagatelldelikten automatisch in eine ihm unbekannte «Heimat» abzuschieben – und Richtern keinerlei Ermessensspielraum bei ihrer Entscheidung mehr zu lassen. Viele Bürger schienen das Argument zu akzeptieren, dass die Initiative der SVP den Rechtsstaat gefährdete. «Spiegel Online» beendet seine Einschätzung wie folgt:
«Und das ist letztlich auch die Herausforderung vor der ganz Europa steht: Populistische Bewegungen, die in krisenhaften Zeiten lautstark an die Emotionen der Bürger appellieren, haben es sehr viel leichter als jene Kräfte, die eine pragmatische Politik verfolgen wollen. Die Niederlage der SVP an diesem Sonntag in der Schweiz ist deshalb auch ein Hoffnungsschimmer für all jene, die daran glauben, dass es Mehrheiten für eine Politik gibt, die sich nicht an der Angst, sondern an der Vernunft orientiert.»
Auch in England, Frankreich oder Italien war die DSI Thema. Im Gegensatz zu Deutschland blieben präzise Einschätzungen unmittelbar nach der Abstimmung jedoch aus. (feb)
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Die beliebtesten Kommentare
Ramses II.
28.02.2016 19:29registriert Februar 2014
Dass die Ablehnung einer solchen Initiative euphorisch gefeiert und nicht als selbstverständlich taxiert wird, ist eigentlich Grund genug, nicht euphorisch zu sein.
Ein erster Erfolg ist da, jetzt nur nicht faul werden und denen weiterhin zeigen was "Volkswille" ist! Sagt weiter "Nein" zu antidemokratischen Initiativen. Die Schlacht ist nicht gewonnen!
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