Sie ersetzen Satzzeichen und sie kommen selten allein: Emojis. Auch in politischen Diskussionen im Netz finden sie immer häufiger Verwendung. Die Journalistin Adrienne Fichter und der Politologe Josef Holnburger haben für watson die deutschsprachigen Facebook-Pages der fünf grössten Schweizer Parteien unter die Lupe genommen. Dabei zeigt sich: Mit der Position auf dem politischen Spektrum verändern sich auch die verwendeten Symbole:
Generell hoch im Kurs ist das Gesicht, das Tränen lacht, wie die Auswertung zeigt. Ein Symbol, das allgemein sehr beliebt ist. «Dieses Resultat deckt sich auch mit unserem Korpus der gesammelten WhatsApp-Nachrichten», sagt Emoji-Expertin Christina Siever, die im Projekt «What’s up Switzerland» die Nutzung von Emojis im beliebtesten Messenger-App erforscht. Ebenso sind die Daumen-hoch-und-runter-Symbole sehr häufig anzutreffen.
Besonders beliebt sind Emojis bei der SVP. Auf der Facebook-Seite der Partei tauchen die Symbole in 28 Prozent aller verfassten Kommentare auf. Neben der ausgelassenen Freude zeigt sich oft die dunkelrote Wut. Bei der SVP rangiert das Ärger-Emoji («Pouting face») im Vergleich zu den anderen Parteien am höchsten – auf Platz drei. Macht sich hier etwa der digitale Wutbürger Luft?
Darauf weiss SVP-Generalsekretärin Silvia Bär zunächst keine Antwort: «Wir werten den Kontext, in dem Wut-Emojis oder auch andere Emojis verwendet werden, nicht systematisch aus.» Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Analyse der deutschen Parteienlandschaft von Mitautor Josef Holnburger. Die Wutgesichtchen sind am häufigsten bei der rechtspopulistischen AfD anzutreffen, der Partei mit der grössten Fangemeinde in Deutschland.
Weiter deuten die Emojis auf der SVP-Fanpage darauf hin, dass die Partei gern die Muskeln spielen lässt. Das Bizeps-Emoji taucht bei keiner anderen Partei unter den Top 15 auf.
Wenig überraschend geben sich die Facebook-Fans der SVP auch am patriotischsten. Die Schweizer Fahne wurde hier häufiger gepostet als bei der Konkurrenz. Doch auch bei den anderen Parteien mit Ausnahme der Grünen wird gerne Flagge gezeigt. Im Gegensatz zu Deutschland, wo Schwarz-Rot-Gold gerade mal in den Kommentarspalten der AfD und CDU auftauchte.
Als einzige kommentieren die Grünen mit dem Sonne-Symbol. Brigitte Marti, stellvertretende Generalsekretärin der Partei, vermutet einen Bezug zu den erneuerbaren Energien: «Das ist sicher auch besonders ausgeprägt, weil wir während der Zeit, welche für die Auswertung gewählt wurde, für die Atomausstiegs-Initiative und Energiestrategie 2050 starke Kampagnen geführt haben in den sozialen Medien.» Es freue sie ausserdem, dass die Grünen als einzige Partei «Herz zeige».
Auch das Ausrufezeichen mit gelbem Hintergrund war bei den Grünen-Fans populär – gemäss der Übersetzungstafel ein Warnzeichen. Zu vermuten ist, dass es sich um eine Anspielung auf die Gefahren der Atomenergie handelt.
Weitere Emojis, die nur bei den Grünen auftauchen, sind der erhobene Zeigefinger und ein Gesichtchen, das vor Schrecken blau anzulaufen scheint.
Auch die Personen, die die Facebook-Seiten von Mitteparteien frequentieren, haben ihre ganz eigene Zeichensprache. So taucht das Totenkopf-Emoji überdurchschnittlich häufig auf der CVP-Seite auf. Das violette Teufelchen ist auf den Accounts von FDP und SVP hoch im Kurs.
Klar ist: Die Bedeutung der Emojis ist mit Vorsicht zu interpretieren. So können sich die Symbole sowohl auf einen Eintrag der Partei als auch auf einen Post eines anderen Users beziehen. Zudem besteht oftmals kein Konsens über die Verwendung von Emojis – je nach kulturellem Kontext werden die Codes teilweise unterschiedlich interpretiert. Dies trotz der einschlägigen Definitionen des zuständigen Gremiums Unicode Consortium, das die Emojis 2010 lanciert hatte.
Auch Brigitte Marti von den Grünen beobachtet, dass die Emojis unterschiedlich verwendet werden: «Das kann spielerisch-ironisch sein, manchmal ist es zum Verdeutlichen der Text-Nachricht, manchmal passt das Emoji auch nicht präzise zum Kommentar.» Forscherin und Germanistin Christina Siever spricht von einer «Abtönungsfunktion». Das bedeutet, dass die verwendeten Emojis die Einstellung des Schreibers gegenüber dem Geschriebenen ausdrücken sollen.
Weiter gilt es zu beachten, dass ein Facebook-Fan nicht mit einem Parteianhänger oder -sympathisanten gleichgesetzt werden darf. Es können sich gleichwohl auch Kritiker in der Fancommunity tummeln, die die Inhalte der besagten Partei mit tränenlachenden oder wutschnaubenden Gesichtchen kommentieren. Seit 2011 braucht man nicht mal ein «Fan» zu werden, um auf den entsprechenden Seiten kommentieren zu können. Die Konsequenz dieser Lockerung: Die Kommentatorenschaft wird heterogener.
Dies hat auch die SVP zu spüren bekommen. «Gerade weil die SVP für freie Meinung und gegen Zensur einsteht, sind wir bezüglich Blockieren sehr zurückhaltend. Dadurch haben wir regelmässig andere Meinungen und Diskussionen auf unseren Facebook-Seiten», sagt SVP-Generalsekretärin Silvia Bär. So wäre es also theoretisch denkbar, dass die roten Wutgesichtchen durchaus von politisch links gesinnten Usern stammen, die sich über die SVP-Beiträge geärgert haben. Es gibt somit keine Belege für die Existenz von «Emoji-Filterblasen».