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Doris Leuthard präsidiert eine CS-nahe Kulturstiftung

Verabschiedung von Alt - Bundesraetin Doris Leuthard an der Delegiertenversammlung der CVP in Zuerich am Samstag, 26. Januar 2019. (KEYSTONE/Walter Bieri)
Verabschiedung von Alt-Bundesrätin Doris Leuthard an der Delegiertenversammlung der CVP in Zürich am Samstag, 26. Januar 2019.Bild: KEYSTONE

Doris Leuthard präsidiert eine CS-nahe Kulturstiftung – der Bund kommunizierte nicht

Noch als Bundesrätin übernahm Doris Leuthard das Präsidium einer Kulturstiftung, die der Grossbank Credit Suisse nahe steht. Der Bund veröffentlichte keine Mitteilung.
28.01.2019, 06:31
Lorenz Honegger / ch media
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«Sie sind noch sehr jung, was machen Sie nach dem Rücktritt?» Diese Frage stellte ein Journalist an der Pressekonferenz nach Doris Leuthards Rücktrittsankündigung im September 2018. Die 55-Jährige lächelte und antwortete vage: «Ich habe viele Interessen. Ich schaue mal, was sich anbietet, was mich interessiert.»

Die damalige CVP-Bundesrätin erwähnte nicht, dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits ein neues Mandat angenommen hatte. Noch während ihrer Amtszeit als Bundesrätin übernahm die Magistratin das Stiftungsratspräsidium der Ulrico Hoepli-Stiftung. Der Eintrag im Handelsregister vom 14. November 2018 bestätigt dies.

Eng verzahnt mit der Credit Suisse

Die Stiftung, die Leuthard neu präsidiert, wurde vom 1935 verstorbenen Verleger Ulrico Hoepli gegründet und unterstützt hauptsächlich kulturhistorische Projekte; kürzlich etwa die Publikationsreihe «Der Thurgau im späten Mittelalter».

Die Förderinstitution ist eng verzahnt mit der Credit Suisse. Die Schweizer Grossbank bewirtschaftet das Stiftungsvermögen in der Höhe von sechs bis acht Millionen Franken. Der Sitz der Hoepli-Stiftung befindet sich an der gleichen Adresse wie die Credit Suisse Trust AG am Bleicherweg in Zürich. Der Verwaltungsratspräsident der CS sowie ein weiteres Mitglied des Verwaltungsrates respektive der Geschäftsleitung haben einen festen Platz im Stiftungsrat.

Bundesrätin Doris Leuthard verabschiedet sich mit einer letzten Medienkonferenz (18. Dezember 2018)

Eine neue Bundesrätin würde in diesem grossen Departement viel Zeit verlieren, bis sie sich einen Überblick über alle Geschäfte verschafft hätte, sagte Leuthard Video: © Tele M1

Auch dass ein aktives oder ehemaliges Bundesratsmitglied die Ulrico Hoepli-Stiftung präsidiert, hat Tradition. Vor Leuthard bekleidete alt Bundesrat Flavio Cotti das Amt während 25 Jahren. Trotzdem ist die Ernennung Leuthards noch während ihrer Amtszeit bemerkenswert: Denn für amtierende Bundesräte gelten eigentlich strenge Regeln bei der Annahme von nebenamtlichen Tätigkeiten.

ZUM 75. GEBURTSTAG DES ALT-BUNDESRATES FLAVIO COTTI AM SAMSTAG, 18. OKTOBER 2014, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - Bundesrat und Noch-OSZE-Vorsitzender Flavio Cotti hat am Mon ...
Flavio CottiBild: KEYSTONE

Mitglieder der Landesregierung dürfen gemäss Artikel 144 der Bundesverfassung keiner anderen bezahlten Erwerbstätigkeit nachgehen, damit sie sich mit ihrer ganzen Kraft dem Amt widmen und nicht durch einen Nebenjob abgelenkt werden. Gleichzeitig sollen Interessenkonflikte vermieden werden. Ein Gesundheitsminister zum Beispiel, der als Verwaltungsrat eines Pharmakonzerns ein hohes Honorar erhält, könnte nicht mehr unabhängig entscheiden.

Für ihr Amt als Stiftungsratspräsidentin erhält Leuthard keine Entschädigung. Deshalb fällt die Tätigkeit laut Benjamin Schindler, Professor für öffentliches Recht an der Universität St. Gallen, in die Kategorie «weitere Nebenbeschäftigungen». Doch auch bei solchen unvergüteten Ämtern ist es laut Schindler Usanz, dass Bundesräte verzichten.

Allerdings könnte die Hoepli-Stiftung laut dem Professor eine Ausnahme darstellen, da sie schon seit langer Zeit von Bundesräten präsidiert werde: Möglicherweise handle es sich um eine Nebentätigkeit, die «ex officio» ausgeübt werde und damit unproblematisch sei. Einen Interessenkonflikt wie etwa im Fall von alt Bundesrat Moritz Leuenbergers Ernennung zum Implenia-Verwaltungsrat im Jahr 2010 sehe er nicht: «Frau Leuthard war als Departementsvorsteherin nicht für die Kultur zuständig, sondern für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation.»

Doris Leuthard – ihre Karriere im Rückblick:

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Doris Leuthard – ihre Karriere im Rückblick
Bundesrätin Doris Leuthard (CVP) war mehr als zwölf Jahre Mitglied der Landesregierung.
quelle: keystone / anthony anex
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Noch weitere Fälle?

Auffällig ist, dass weder das frühere Departement von Doris Leuthard noch die Bundeskanzlei eine Mitteilung veröffentlichten, als der Bundesrat Leuthard an seiner Sitzung vom 7. Februar 2018 zur Nachfolgerin von Flavio Cotti bei der Hoepli-Stiftung bestimmte. Die Stabsstelle des Bundesrates sagt, dass die Kommunikation «in Fällen wie diesem» der Stiftung überlassen werde, und verweist auf deren Website, wo Leuthards Name aufgeführt ist.

Die Bundeskanzlei betont weiter, dass Bundesräte grundsätzlich in Vereinen, Verbänden und Stiftungen Mitglied sein dürfen. Ob es noch weitere Organisationen oder Stiftungen gebe, in welchen traditionell Bundesratsmitglieder Einsitz nähmen, müsse man zuerst abklären. Eine Datenbank dazu gebe es nicht.

Alt Bundesrätin Leuthard wollte sich auf Anfrage nicht zu ihrem Mandat äussern und verwies in einer E-Mail auf die Stellungnahmen der Bundeskanzlei und des Geschäftsführers der Hoepli-Stiftung. Am Samstag sagte sie an der Delegiertenversammlung der CVP in Zürich, dass sie sich für sechs Monate abmelde. Sie wolle in Ruhe reisen und Zeit mit ihrer Familie verbringen. Im zweiten Halbjahr 2019 werde sie die CVP im Wahlkampf unterstützen. (aargauerzeitung.ch)

Ruth Leuthard redet über den Rücktritt ihrer Tochter:

Video: srf
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6 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Crecas
28.01.2019 07:07registriert Februar 2014
Hätte man schon kommunizieren können, aber stresst mich gar nicht. Es ist eine Kulturstiftung...
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DerTaran
28.01.2019 08:07registriert Oktober 2015
Wow, man hat jetzt also schon Nähe zu einer Bank, wenn man für einen ihrer Kunden arbeitet? Jetzt wird es absurd.
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Fairness
28.01.2019 07:34registriert Dezember 2018
Wir werden tatsächlich immer mehr zur Bananenrepublik.
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