Mit Doris Leuthard tritt eine Bundesrätin zurück, die sich stets einer beträchtlichen Popularität erfreuen konnte. Mehr als zwölf Jahre war sie im Amt, so lange wie keine Frau zuvor. Ihre Erfolgsbilanz lässt sich sehen: Von 18 Volksabstimmungen hat sie nur zwei verloren. Doch die Strahlefrau aus dem Aargau mit dem gewinnenden Lachen hat nicht nur geglänzt.
Ihre Karriere verlief für hiesige Verhältnisse rasant. In weniger als sieben Jahren stieg sie von der Kantonsparlamentarierin zur Bundesrätin auf. 1999 wurde die 36-jährige Juristin aus dem Freiamt von der CVP Aargau als Ständeratskandidatin nominiert. Im Wahlkampf wurden Duschgels mit ihrem Konterfei verteilt, was ihr einen Slogan bescherte, den sie nie loswurde: Duschen mit Doris.
Leuthard verlor die Ständeratswahl, zog aber in den Nationalrat ein. Sie wurde erst Vizepräsidentin und dann Präsidentin der CVP Schweiz. Im Juni 2006 wurde Doris Leuthard als einzige Kandidatin für die Nachfolge von Bundesrat Joseph Deiss nominiert und problem-, aber auch glanzlos gewählt. Von ihrem Vorgänger übernahm sie das Volkswirtschaftsdepartement.
Viel ist aus dieser ersten Amtsperiode im Bundesrat nicht in Erinnerung geblieben. Der vermeintlich behäbige Johann Schneider-Ammann hat als Wirtschaftsminister mehr bewegt, im Guten und weniger Guten. Nach dessen Wahl wechselte Leuthard 2010 ins Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), wo sie grössere Spuren hinterliess.
Als UVEK-Chefin musste sie auch ihre einzigen Abstimmungsniederlagen verzeichnen. 2012 nahm das Stimmvolk die Zweitwohnungs-Initiative an, wenn auch nur knapp. Erheblich schmerzhafter war das Nein zur Verteuerung der Autobahnvignette von 40 auf 100 Franken. Dafür gelang es ihr, je einen milliardenschweren Fonds für Bahninfrastruktur und Nationalstrassen durchzubringen.
Glänzen konnte die Bundesrätin bei der Einweihung des Gotthard-Basistunnels. Viel dazu beigetragen hatte sie nicht. Das Jahrhundert-Bauwerk war von ihren UVEK-Vorgängern Adolf Ogi und Moritz Leuenberger aufgegleist worden. In einer Mitteilung zum Rücktritt kritisierte die Alpen-Initiative, die Verkehrsministerin habe «der Verlagerungspolitik keine Impulse verliehen».
Dazu gehört aus Sicht des Vereins auch die zweite Gotthard-Strassenröhre. Sie ist Doris Leuthards vielleicht grösster Abstimmungserfolg neben der Energiestrategie 2050. Die Bundesrätin aus dem «Atomkanton» Aargau leitete nach der Katastrophe von Fukushima 2011 die Energiewende ein. Nach dem Triumph im Mai 2017 bezeichnete der «Blick» sie als «Sonnenkönigin».
Doch gerade die Energiestrategie bleibt eine zwiespältige Angelegenheit. Der notwendige zweite Schritt in Form von Lenkungsabgaben wurde vom Parlament einhellig versenkt. Die viel gelobte Energiewende ist vorerst kaum mehr als eine Subventionsmaschine für erneuerbare Energien. Der Atomausstieg ist im Grundsatz beschlossen, aber ohne klares Abschaltdatum.
In den letzten Monaten ihrer Amtszeit häuften sich die Problemfälle. Trotz des klaren Neins zur No-Billag-Initiative wurde Leuthard vorgeworfen, die SRG als «CVP-Refugium» zu konservieren und entsprechend zu schonen. Hinzu kam die Postauto-Affäre und damit die Frage, wie die früheren Bundesbetriebe den Spagat zwischen Service public und Gewinnzielen schaffen sollen.
Man hatte bei Doris Leuthard (zu) oft den Eindruck, dass sie auf ihre Popularität schielt und schmerzhafte Entscheide scheut. Mit ihrer positiven Ausstrahlung und ihrem Kommunikationstalent hätte sie vielleicht mehr bewegen können. Im Bundesrat gab sie als einzige CVP-Vertreterin oft den Ausschlag für eine Mitte-links-Mehrheit. Das könnte sich nach ihrem Abgang ändern.
Erwartet hatte man ihren Rücktritt schon länger. Dann kam ihr Johann Schneider-Ammann zuvor. Nur zwei Tage nach seiner Demission hat Doris Leuthard nachgezogen. Das unkoordinierte Vorgehen spricht nicht für eine gute Zusammenarbeit in der Landesregierung. Immerhin ermöglicht die Doppelvakanz auf Ende Jahr dem Parlament durchaus erwünschten Spielraum.
Den schleichenden Niedergang ihrer Partei konnte die Aargauerin nicht aufhalten. Auch wenn die CVP in letzter Zeit immer wieder betonte, man hoffe auf ihren Verbleib im Amt, ist ihr Rücktritt ein Glücksfall. Sie hat den Sitz ihrer Partei im Bundesrat sehr lange eingenommen. Nun kann die CVP mit einem neuen Kopf ins Wahljahr steigen.