Normalerweise geht das so: Die Juso bekommen ein neues Präsidium. Und kaum im Amt, macht der oder die Neue zuerst einmal Lärm. Nur wer laut ist, wird auch gehört.
Bei Mirjam Hostetmann war das anders: Kaum im Amt machte ein anderer für sie Lärm. Unternehmer und Ex-SVP-Nationalrat Peter Spuhler. In einem emotionalen Interview warnte er vor der Erbschaftssteuer-Initiative der Juso, über die wir frühestens in zwei Jahren abstimmen. Er sprach über Auswanderungspläne und einen riesigen Schaden für den Wirtschaftsplatz Schweiz. Spuhler haute kräftig auf die Pauke.
Schlagartig bekannt wurde in diesem Getrommel vor allem Hostetmann, die einen durchaus provokanten Tweet lieferte und den Lärmpegel so hochhielt. Sie warf Spuhler vor, dass für ihn «Profit über Moral» stehe und seine Familie «steuerkriminell» sei. Mittlerweile hat sie sich – zumindest halbherzig – in einem Interview entschuldigt.
Jetzt sitzt die 24-Jährige in einem Café in Bern, trinkt einen Mate und wirkt insgesamt sehr zufrieden. Ein «steiler, aber auch guter» Start sei das gewesen, sagt sie. Es wird nicht das letzte Mal sein, wo Hostetmann gegen die Schienbeine von Mächtigen treten wird. Diese stehen dann immer vor dem Dilemma, ob sie laut aufheulen sollen – und so am Ende auch der Juso Gehör verschaffen.
«Unsere Aufgabe ist es, auf Probleme aufmerksam zu machen», sagt Hostetmann. Und natürlich könne das etwas frecher, pointierter und eben provokativer sein, als es beispielsweise die SP könne. «Wir müssen nicht mehrheitsfähige Lösungen anbieten», sagt die Obwaldnerin. Ziel müsse es sein, «ein Stachel» zu sein.
Sie habe schon «immer Probleme mit Ungerechtigkeiten» gehabt, sagt sie, angesprochen auf ihre Politisierung. Aufgewachsen ist Hostetmann in Sarnen. Ein schönes Fleckchen Erde, aber auch ein konservatives. Hostetmann geht an die Kantonsschule nach Luzern, entdeckt dort ihr politisches Engagement und übernimmt das Präsidium der Juso Obwalden. 2019 tritt Hostetmann als einzige linke Kandidatin für den einzigen Nationalratssitz des Kantons an. Sie erhält 424 Stimmen. Gewählt wird Monika Rüegger von der SVP mit 5412 Stimmen.
«Ich sage immer, ich sei dank ihr gewählt worden», lacht Rüegger. Sie hatte nur rund 100 Stimmen Vorsprung auf den Kontrahenten der Mitte. «Und jene von der Juso wären ja kaum an mich gegangen», sagt die Engelbergerin. Im Wahlkampf habe sie Hostetmann als «angenehm und engagiert» wahrgenommen. Damals aber noch als «etwas unbedarft».
Mittlerweile hat Rüegger das Gefühl, Hostetmann und auch die Juso Obwalden hätten sich «stark ideologisch radikalisiert». In Obwalden sei man es eigentlich gewohnt, dass man versucht, miteinander statt gegeneinander zu arbeiten, so die Nationalrätin.
Im Wahlkampf hat Hostetmann gelernt, was es heisst, wenn man sich exponiert. Ihre Eltern seien gar gefragt worden, was sie in der Erziehung falsch gemacht hätten, dass die Tochter in der Juso landet. «Ich versuche, aus all diesem Frust Energie zu gewinnen», sagt sie und dreht sich eine Zigarette.
Ihre Herkunft sei auch ein Vorteil, gerade in den städtischen Uni-Bubbles komme es vor, «dass dort gar niemand jemanden persönlich kennt, der SVP wählt». In Obwalden habe sie dagegen gelernt, dass konservative Weltbilder immer noch weit verbreitet seien. Hostetmann ist im Gespräch keine Polterin, keine Lautsprecherin und auch keine jener Theorielinken, die für alles und alle eine entsprechende Studie kennen.
Aber milde ist sie deswegen nicht. «Ich will klarmachen, dass sozialistische Ideen eine reale Alternative sind», sagt Hostetmann. Der Kapitalismus sei nicht Teil des Problems, er sei das Problem. Es ärgert sie, dass Politik in der Schweiz oft nur Symptombekämpfung sei.
Zurück auf die Strasse will sie die Juso führen. Der ausserparlamentarische Weg sei ihr deutlich näher als jener in den Parlamenten. Sie erinnert an den Klimastreik und Frauenstreik 2019 mit Hunderttausenden Menschen. Seit Corona «ist die Luft etwas draussen», so Hostetmann. Sie glaube nicht, dass es den Leuten zu gut gehe, «aber eventuell haben sie Angst, dass es ihnen noch schlechter geht, wenn sie nicht im System mitschwimmen». Nun gehe es darum, wieder «ein Unverständnis» zu schaffen. Sodass die Leute nicht alles einfach hinnehmen und abnicken.
Die Studentin sagt, sie sei in einer Rolle, «in der ich nicht viele Zugeständnisse machen muss. Wir müssen gar nichts.» Ausser vielleicht, wie sie selbst zugibt, «etwas weniger theoretisch werden». Keine komplizierten Initiativen, sondern klare, verständliche Botschaften. Wie die Erbschaftssteuersache. «Die wütenden Reaktionen zeigen, dass wir hier einen wunden Punkt getroffen haben», lächelt Hostetmann.
Sie sei sich schon bewusst, dass mit einer Erbschaftssteuer viele Reiche, die heute schon viel Steuern bezahlen, getroffen würden. Klar sei aber auch, dass «die Kosten der Klimakrise bezahlt werden müssen». Und viele dieser Unternehmer seien auch Haupttreiber des Klimawandels. In Hostetmann steckt viel Idealismus. Und eine gehörige Portion Radikalismus.
Diese Mischung steckt auch in der Initiative, die 2022 von der Juso lanciert wurde. Hostetmann war damals frisch in der Geschäftsleitung der Partei. Der Sammelstart erfolgte unter ihrem Vorgänger, dem Zürcher Nicola Siegrist. Alle Erbschaften und Schenkungen über 50 Millionen Franken sollen mit 50 Prozent besteuert werden, das Geld müsste im Kampf gegen die Klimakrise eingesetzt werden. Bereits jetzt gehen die Wogen hoch, zahlreiche Unternehmer warnen vor fatalen Folgen für den Wirtschaftsplatz Schweiz und rechnen vor, dass so zahlreiche Unternehmen in die Hände von ausländischen Investoren kommen würden.
Das ist viel Aufheben für ein Anliegen der Juso, die auf nationaler Ebene meist chancenlos bleiben: Nach dem Spuhler-Interview geht es nun in der Öffentlichkeit bereits um mögliche Gegenvorschläge zur Initiative. Der Lärm wirkt. Und Hostetmann musste den nicht einmal selbst machen. (aargauerzeitung.ch)
Diese Mangel - und Neidhaltung, die Empfindung der Ungerechtigkeit ist weder wahr noch konstruktiv.
Geht arbeiten statt studieren! Gute Ausbildung, gute Weiterbildung, das Leben findet in der Praxis statt und es ist schon gerecht.
Wir haben gewiss genug Möglichkeiten in der Schweiz!