Bis 2050 einen ökologischen Fussabdruck von einer Erde – das verlangt die Initiative «Grüne Wirtschaft», über die am 25. September abgestimmt wird. Wie dieses Ziel genau zu erreichen ist, darüber schweigt sich der Initiativtext bewusst aus. Das Parlament soll dies nach Annahme der Initiative entscheiden.
Nun kommt aus der Wissenschaft ein Einwurf zu einer Thematik, über die im Abstimmungskampf bislang nicht debattiert wurde: Die Biotechnologie – eine Plattformtechnologie, die heutzutage mehr als Gentechnik umfasst – soll mithelfen, das Ziel der Initiative zu erreichen. Philipp Aerni, Direktor des Zentrums für Unternehmensverantwortung und Nachhaltigkeit (CCRS) der Universität Zürich, bemängelt in einem Meinungsbeitrag zuhanden dieser Zeitung, dass das «Potenzial der Bioökonomie für die Erhöhung der Biokapazität auf diesem Planeten im Initiativtext unerwähnt bleibt».
Was heisst das konkret? Um das Ziel vom «Fussabdruck eine Erde» zu erreichen, soll die Biokapazität vergrössert werden. Notwendig ist dafür der Übergang von fossilen Energieträgern und petrochemischen Produkten zu nachwachsenden und biologisch abbaubaren Rohstoffen. Für Wissenschafter Aerni würde Biotechnologie (und entsprechend auch Gentechnik) in Landwirtschaft und Industrie dabei einen «substanziellen Beitrag zur nachhaltigen Intensivierung», also mehr Output mit weniger Input, liefern.
Dies habe, so der CCRS-Direktor, sogar der Frontkämpfer der Initiative, Nationalrat Bastien Girod, indirekt anerkannt – indem dieser nämlich an verschiedenen Stellen darauf hinwies, dass dank politischer Rahmenbedingungen zum Beispiel bei Waschmitteln der Übergang zu nachhaltigen Produkten möglich gewesen sei. «Natürlich würde Herr Girod nicht erwähnen wollen, dass es Produkte der modernen industriellen Biotechnologie sind, die in Bioreaktoren mithilfe von gentechnisch veränderten Organismen hergestellt werden.» Gleiches gelte für die Reduktion der Phosphoremissionen in der Schweizer Landwirtschaft, die dank einem gentechnisch veränderten Enzym überhaupt erst möglich war.
Der Zürcher Nationalrat weist die Kritik von sich: Die Grüne Partei wehre sich keinesfalls gegen die Verwendung von Biotechnologie im industriellen Bereich oder in der Medizin. «Wir setzen uns gegen die unnötige und voreilige Freisetzung von Gentechnik in der Landwirtschaft ein», sagt Girod. Der Parteivize hat grundsätzliche Vorbehalte gegen die Äusserungen Aernis: «Gentechnik hat mit unserer Initiative nichts zu tun. Wir setzen ein Ziel – zu den Massnahmen, die dazu führen, sagt der Initiativtext nichts», so Girod. Es sei ja gerade eine Stärke der Initiative, dass sie «nicht das Parteiprogramm der Grünen» beinhalte.
Girod verweist darauf, dass die notwendige Verkleinerung des ökologischen Fussabdruckes nur über eine Reduktion der CO2- Emissionen entsprechend dem Klimaabkommen von Paris möglich sei. Gentechnologie helfe dabei nichts. Bei der Biokapazität sei das grösste Problem eine «zerstörerische landwirtschaftliche Bewirtschaftung und die Abholzung von Regenwäldern», nicht die fehlende Biotechnologie.
Der Diskussion rund um die Gentechnik fehlt es nicht an Aktualität. Erst im Juni hat der Bundesrat entschieden, das Moratorium für den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen zu verlängern. Für Forschungszwecke sollen weiterhin Ausnahmen gelten.
Die Regierung begründet ihren Entscheid mit dem derzeit (noch) fehlenden Interesse der Landwirtschaft und der zu geringen Akzeptanz bei den Konsumenten. Wissenschafter Aerni zieht diesen Befund jedoch in Zweifel: «Wissenschaftliche Studien deuten darauf hin, dass die Schweizer Bevölkerung gegenüber der Gentechnik weitaus offener und neugieriger ist, als ihr bisher unterstellt wird.»
Hinweise darauf, ob dieser Befund stimmt, werden womöglich auch die parlamentarischen Beratungen ergeben. Gelegenheit dazu bietet sich schon bald: Die erste Kommission wird sich noch dieses Jahr über das Dossier beugen.