Gleich fünf eidgenössische Vorlagen kommen am heutigen Sonntag zur Abstimmung, dazu 30 kantonale Vorlagen in zwölf Kantonen.
Während die Initiative der Konsumentenzeitschriften «K-Tipp», «Saldo», «Bon à Savoir» und «Spendere Meglio» von sämtlichen grossen Parteien und vom Bundesrat abgelehnt wird, geniesst sie im Volk durchaus Sympathien. Die anfänglich grosse Zustimmung schmolz im Abstimmungskampf zwar deutlich dahin. Gemäss den letzten Umfragen von Mitte Mai wollte aber immer noch eine Mehrheit ein Ja in die Urne legen.
Die Initianten verlangen von Post, SBB und Swisscom «einen anständigen Service zu vernünftigen Preisen.» Gemäss Initiativtext sollen bundesnahe Unternehmen in der Grundversorgung nicht nach Gewinn streben dürfen und müssten auf Quersubventionierungen verzichten. Die Löhne dürften nicht über jenen in der Bundesverwaltung liegen.
Parteien von links bis rechts warnten im Vorfeld vor den schädlichen Auswirkungen der Initiative. Ein besserer Service-public sei bei einer Annahme der Vorlage keineswegs zu erwarten. Stattdessen führe etwa das Gewinn-Verbot dazu, dass die Service-public-Unternehmen nicht mehr genügend Mittel für Investitionen in neue Technologien oder den Ausbau der Infrastruktur hätten.
Ebenfalls geschlossen gleicher Meinung sind sich Bundesrat und Parteien bei der Asylgesetzrevision – mit Ausnahme der SVP, welche das Referendum gegen die Vorlage ergriffen hatte. Gemäss der Gesetzesrevision sollen die meisten Asylverfahren in Zukunft in Bundeszentren durchgeführt werden und innerhalb von maximal 140 Tagen abgeschlossen werden.
Die SVP kritisiert insbesondere die vorgesehene kostenlose Rechtsvertretung für Asylsuchende. Eine solche sei unumgänglich, sollen die verkürzten Verfahren trotzdem rechtsstaatlich korrekt und fair ablaufen, halten die Befürworter der Revision dagegen.
Obwohl die SVP alleine gegen alle anderen grossen Parteien antritt, ist die Abstimmung noch nicht unter Dach und Fach. Zwar wollten gemäss einer Umfrage des Forschungsinstituts gfs.bern von Mitte Mai 60 Prozent der Befragten bestimmt oder eher Ja stimmen, die Studienautoren sagen aber erst einen «minimalen Trend zum Ja» voraus.
Alleine gegen alle Parteien und Bundesrat steht die SVP auch mit ihrer Ja-Parole zur sogenannten «Milchkuh-Initiative». Die Initianten verlangen, dass sämtliche Einnahmen des Bundes aus dem Strassenverkehr diesem wieder zugute kommen.
Dadurch würden in der Bundeskasse 1.4 Milliarden Franken fehlen. Der Bundesrat warnte vor nötigen Einsparungen in den Bereichen Bildung, öffentlicher Verkehr, Armee und Landwirtschaft. Auch die Kantone müssten mit weniger Geld vom Bund rechnen. Entsprechend breit ist der Widerstand der potenziellen «Sparopfer» gegen die Initiative.
Zu internen Meinungsverschiedenheiten führte bei einigen Parteien das neue Fortpflanzungsmedizingesetz. Gemäss diesem dürften künftig im Reagenzglas erzeugte Embryonen vor der Einpflanzung in den Mutterleib untersucht werden. Gegner der Vorlage warnen, das neue Gesetz öffne der Selektion Tür und Tor.
Vor allem CVP und SVP konnten keine einheitliche Linie finden. Während die CVP Schweiz ein Ja empfiehlt, beschlossen viele Kantonalparteien die Nein-Parole. Bei der SVP ist es genau umkehrt: Die Mutterpartei lehnt die Gesetzesänderung ab, viele Kantonalparteien fassten dagegen die Ja-Parole. Auch bei SP und Grünen gingen die Meinungen auseinander, beide Parteien beschlossen schliesslich Stimmfreigabe.
Chancenlos sein dürfte gemäss Umfragen und Parteienunterstützung die fünfte nationale Vorlage, jene für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Einzig Grüne, Piratenpartei und einige Kantonalparteien der SP unterstützen die Initiative, die von einer Gruppe von Intellektuellen, Künstlern und Publizisten lanciert worden war. Bei einem Ja würden alle in der Schweiz lebenden Personen unabhängig von einer Erwerbstätigkeit ein Einkommen erhalten.
Neben den fünf eidgenössischen Vorlagen kommen heute Sonntag auch viele kantonale Vorlagen zur Abstimmung. Unter anderen entscheiden die Kantone St. Gallen und Thurgau über das Schicksal der Expo2027. Lehnt einer der beiden Kantone den jeweiligen Planungskredit ab, wird es im Jahr 2027 keine Landesausstellung in der Ostschweiz geben.
In Zürich entscheidet das Stimmvolk, ob der Kanton als letzter auf den Einsatz von Laienrichtern an den Bezirksgerichten verzichten soll. Die Schwyzer ihrerseits befinden über den Abbruch des milliardenschwere Ausbauprojekt an der Axenstrasse. (egg/sda)