In der Bahnhof-Apotheke im bayerischen Städtchen Weilheim werden keine homöopathischen Medikamente mehr verkauft. Iris Hundertmark, Inhaberin der Apotheke, hat sich zu diesem Schritt entschieden. Sie tut es aus Gewissensgründen, wie sie sagt. Denn die wissenschaftliche Wirkung von homöopathischen Globuli ist nicht erwiesen.
Auch hierzulande wird die Homöopathie-Debatte hitzig geführt. In Deutschland gilt die Schweiz gar als Globuli-Eldorado. Aber warum genau? Und gibt es auch hierzulande Apotheken, die Globuli aus dem Sortiment gestrichen haben?
Die Komplementärmedizin geniesst in der Schweizer Bevölkerung grossen Rückhalt. 2009 sprachen sich rund zwei Drittel der Bevölkerung für den Gegenvorschlag zur Initiative «Ja zur Komplementärmedizin» aus. 2017 entschied der Bundesrat, dass fünf alternative Heilmethoden definitiv in den Leistungskatalog der Grundversicherung aufgenommen werden. Dazu gehört auch die Homöopathie.
Der Fakt, dass Globuli-Behandlungen von den Krankenkassen übernommen werden, ist für die Vorsitzenden des Deutschen Zentralvereins für homöopathische Ärzte der Beweis, dass Homöopathie funktioniert. So schrieben sie in einem Artikel für die deutsche «Ärztezeitung», dass die Homöopathie in der Schweiz «die Kriterien der wissenschaftlich belegten Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit erfüllt».
Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in der Schweiz laut dem Schweizer Apothekerverband Pharmasuisse keine Apotheken, die explizit keine homöopathischen Mittel anbieten.
«Als erste Anlaufstelle bei allen gesundheitlichen Fragen sind die Apotheken da für die Beratung der Patientinnen und Patienten und offen für alle Therapieformen», erklärt Fabian Vaucher, Präsident von Pharmasuisse. Die Bevölkerung habe sich in mehreren Abstimmungen für alternative Therapien ausgesprochen und sieht demnach auch einen Nutzen darin, so Vaucher. «Viele Menschen haben erlebt, dass ihnen, ihren Kindern oder ihren Haustieren homöopathische Mittel nützen. Wenn es dem Patienten hilft, ist es ein Medikament, das nützt.»
Der Begriff bedeutet übersetzt «ähnliches Leiden». Anhänger dieser alternativen Medizin glauben: Wenn ein Stoff bei Gesunden zum Beispiel Übelkeit hervorruft, kann er bei Kranken Übelkeit heilen. Deshalb verwenden Homöopathen diesen Stoff, sie verdünnen ihn allerdings extrem stark mit Alkohol und Wasser, um die schlechten Nebenwirkungen zu unterbinden. Die guten Wirkungen bleiben dabei angeblich erhalten.
Die Mittel werden in Potenzen klassifiziert. Die Potenz D23 entspricht einer 23-fachen Verdünnung im Verhältnis 1:10. In einer Zahl: 1:100'000'000'000'000'000'000'000.
Die Aussage der Vorsitzenden des Deutschen Zentralvereins für homöopathische Ärzte verschweigt eine wichtige Sache: Dass Globuli tatsächlich wissenschaftlich nachweisbare Wirkung entfalten, ist bis heute nicht belegt. 2017 bestritten rund 25 europäische Wissenschaftsvereinigungen die Wirksamkeit von Globuli.
2005 wurde ein Programm zur Evaluation von Komplementärmedizin (PEK) durchgeführt. Der PEK-Bericht präsentierte damals zwei verschiedenen Untersuchungen. In der ersten wurden Personen befragt, die sich mit Globuli behandeln liessen. Die Resultate dieser Studie fielen positiv aus. Negativ waren jedoch die Ergebnisse des zweiten Teils der Untersuchung, einer klinischen Studie. Diese zeigte, dass Homöopathie kaum wirksam ist und wenn, dann liesse sich deren Wirksamkeit allein mit dem Placeboeffekt erklären.
Um den Volkswillen zu erfüllen, griff das Bundesamt für Gesundheit bei der Deckung der alternativen Heilmethode durch die Grundversicherung zu einem Trick. Denn eigentlich müssen alle medizinischen Leistungen, die von den Krankenkassen finanziert werden, den WZW-Kriterien entsprechen. Heisst konkret: Sie müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit von Globuli ist, wie bereits erwähnt, umstritten. Das BAG löst dieses Problem wie folgt: «Es wird angenommen, dass homöopathische Leistungen, angewandt von Ärztinnen und Ärzten mit entsprechender Weiterbildung, Pflichtleistungscharakter haben, weil davon ausgegangen wird, dass die erbrachten Leistungen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind», erklärt BAG-Sprecher Grégoire Gogniat gegenüber der NZZ.
Kaum. Weil alle medizinische Leistungen den WZW-Kriterien (wirksam, zweckmässig, wirtschaftlich) genügen müssen, um in die Grundversicherung aufgenommen zu werden, bräuchte es eine Partei die eine detaillierte WZW-Prüfung für Globuli verlangt. Nur hat niemand wirklich daran Interesse, die Homöpathie aus der Grundversicherung zu kippen.
Patientenorganisationen wollen die vergüteten Leistungen nicht einschränken und homöopathiekritische Ärzte ihre Kollegen nicht verärgern. Auch die Krankenkassen könnten dafür sorgen, dass Globuli von der Liste gestrichen werden. Die Idee wäre nicht unwillkommen, entsprechende Schritte will aber trotzdem niemand einleiten. Denn die Versicherer haben Angst davor, sich bei der Bevölkerung unbeliebt zu machen, wenn sie nicht einmal zehn Jahre nach dem Volksentscheid gegen homöopathische Behandlungen lobbyieren.
Ein weiterer Grund, warum die homöopathischen Behandlungen weiterhin in der Grundversicherung bleiben, sind deren geringe Kosten. Globuli machen lediglich 7.8 Millionen der insgesamt 30 Milliarden Franken in der Gesundheitsversicherung aus.