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Apothekerin verbannt Globuli: 6 Dinge muss man wissen

ARCHIV - Der Hals einer Arzneiflasche und homöopathisches Arzneimittel in Form von kleinen Kügelchen, sogenannten Streukügelchen, aufgenommen am 11.03.2004 in Potsdam (Symbolfoto zum Thema homöopathis ...
Die kleinen, weissen Kügelchen enthalten oft exotische Inhaltsstoffe. Bis heute ist deren wissenschaftliche Wirksamkeit nicht erwiesen. Bild: DPA Zentralbild

Apothekerin verbannt Globuli: 6 Dinge, die du dazu wissen musst

Globuli erhitzen die Gemüter. In Deutschland hat erstmals eine Apotheke die homöopathischen Medikamente aus dem Regal geräumt. Wird es auch in der Schweiz dazu kommen? Die wichtigsten 6 Fragen und Antworten. 
20.08.2018, 18:5421.08.2018, 09:24
Helene Obrist
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In der Bahnhof-Apotheke im bayerischen Städtchen Weilheim werden keine homöopathischen Medikamente mehr verkauft. Iris Hundertmark, Inhaberin der Apotheke, hat sich zu diesem Schritt entschieden. Sie tut es aus Gewissensgründen, wie sie sagt. Denn die wissenschaftliche Wirkung von homöopathischen Globuli ist nicht erwiesen. 

Auch hierzulande wird die Homöopathie-Debatte hitzig geführt. In Deutschland gilt die Schweiz gar als Globuli-Eldorado. Aber warum genau? Und gibt es auch hierzulande Apotheken, die Globuli aus dem Sortiment gestrichen haben? 

Warum ist die Schweiz ein Globuli-Eldorado?

Die Komplementärmedizin geniesst in der Schweizer Bevölkerung grossen Rückhalt. 2009 sprachen sich rund zwei Drittel der Bevölkerung für den Gegenvorschlag zur Initiative «Ja zur Komplementärmedizin» aus. 2017 entschied der Bundesrat, dass fünf alternative Heilmethoden definitiv in den Leistungskatalog der Grundversicherung aufgenommen werden. Dazu gehört auch die Homöopathie. 

Der Fakt, dass Globuli-Behandlungen von den Krankenkassen übernommen werden, ist für die Vorsitzenden des Deutschen Zentralvereins für homöopathische Ärzte der Beweis, dass Homöopathie funktioniert. So schrieben sie in einem Artikel für die deutsche «Ärztezeitung», dass die Homöopathie in der Schweiz «die Kriterien der wissenschaftlich belegten Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit erfüllt».

Gibt es in der Schweiz Apotheken, die keine Globuli verkaufen?

Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in der Schweiz laut dem Schweizer Apothekerverband Pharmasuisse keine Apotheken, die explizit keine homöopathischen Mittel anbieten. 

«Als erste Anlaufstelle bei allen gesundheitlichen Fragen sind die Apotheken da für die Beratung der Patientinnen und Patienten und offen für alle Therapieformen», erklärt Fabian Vaucher, Präsident von Pharmasuisse. Die Bevölkerung habe sich in mehreren Abstimmungen für alternative Therapien ausgesprochen und sieht demnach auch einen Nutzen darin, so Vaucher. «Viele Menschen haben erlebt, dass ihnen, ihren Kindern oder ihren Haustieren homöopathische Mittel nützen. Wenn es dem Patienten hilft, ist es ein Medikament, das nützt.»

Wirken homöopathische Mittel tatsächlich?

Der Begriff bedeutet übersetzt «ähnliches Leiden». Anhänger dieser alternativen Medizin glauben: Wenn ein Stoff bei Gesunden zum Beispiel Übelkeit hervorruft, kann er bei Kranken Übelkeit heilen. Deshalb verwenden Homöopathen diesen Stoff, sie verdünnen ihn allerdings extrem stark mit Alkohol und Wasser, um die schlechten Nebenwirkungen zu unterbinden. Die guten Wirkungen bleiben dabei angeblich erhalten.

Die Mittel werden in Potenzen klassifiziert. Die Potenz D23 entspricht einer 23-fachen Verdünnung im Verhältnis 1:10. In einer Zahl: 1:100'000'000'000'000'000'000'000. 

Die Aussage der Vorsitzenden des Deutschen Zentralvereins für homöopathische Ärzte verschweigt eine wichtige Sache: Dass Globuli tatsächlich wissenschaftlich nachweisbare Wirkung entfalten, ist bis heute nicht belegt. 2017 bestritten rund 25 europäische Wissenschaftsvereinigungen die Wirksamkeit von Globuli. 

2005 wurde ein Programm zur Evaluation von Komplementärmedizin (PEK) durchgeführt. Der PEK-Bericht präsentierte damals zwei verschiedenen Untersuchungen. In der ersten wurden Personen befragt, die sich mit Globuli behandeln liessen. Die Resultate dieser Studie fielen positiv aus. Negativ waren jedoch die Ergebnisse des zweiten Teils der Untersuchung, einer klinischen Studie. Diese zeigte, dass Homöopathie kaum wirksam ist und wenn, dann liesse sich deren Wirksamkeit allein mit dem Placeboeffekt erklären. 

Warum werden homöopathische Mittel trotzdem von der Grundversicherung gedeckt?

Um den Volkswillen zu erfüllen, griff das Bundesamt für Gesundheit bei der Deckung der alternativen Heilmethode durch die Grundversicherung zu einem Trick. Denn eigentlich müssen alle medizinischen Leistungen, die von den Krankenkassen finanziert werden, den WZW-Kriterien entsprechen. Heisst konkret: Sie müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit von Globuli ist, wie bereits erwähnt, umstritten. Das BAG löst dieses Problem wie folgt: «Es wird angenommen, dass homöopathische Leistungen, angewandt von Ärztinnen und Ärzten mit entsprechender Weiterbildung, Pflichtleistungscharakter haben, weil davon ausgegangen wird, dass die erbrachten Leistungen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind», erklärt BAG-Sprecher Grégoire Gogniat gegenüber der NZZ

Könnten Globuli bald wieder aus der Grundversicherung gestrichen werden?

Kaum. Weil alle medizinische Leistungen den WZW-Kriterien (wirksam, zweckmässig, wirtschaftlich) genügen müssen, um in die Grundversicherung aufgenommen zu werden, bräuchte es eine Partei die eine detaillierte WZW-Prüfung für Globuli verlangt. Nur hat niemand wirklich daran Interesse, die Homöpathie aus der Grundversicherung zu kippen.

Homeopathic globules next to a package with classic mainstream capsules, pictured on May 14, 2009 in Zurich, Switzerland. (KEYSTONE/Gaetan Bally)

Homoeopathische Globuli neben eine Packung mit klassi ...
Die Schweiz ist für Deutschland das Globuli-Eldorado. Bild: KEYSTONE

Patientenorganisationen wollen die vergüteten Leistungen nicht einschränken und homöopathiekritische Ärzte ihre Kollegen nicht verärgern. Auch die Krankenkassen könnten dafür sorgen, dass Globuli von der Liste gestrichen werden. Die Idee wäre nicht unwillkommen, entsprechende Schritte will aber trotzdem niemand einleiten. Denn die Versicherer haben Angst davor, sich bei der Bevölkerung unbeliebt zu machen, wenn sie nicht einmal zehn Jahre nach dem Volksentscheid gegen homöopathische Behandlungen lobbyieren. 

Wie teuer sind Globuli-Behandlungen?

Ein weiterer Grund, warum die homöopathischen Behandlungen weiterhin in der Grundversicherung bleiben, sind deren geringe Kosten. Globuli machen lediglich 7.8 Millionen der insgesamt 30 Milliarden Franken in der Gesundheitsversicherung aus. 

Was kostet eigentlich eine Operation?

Video: srf
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162 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Christian Mueller (1)
20.08.2018 19:21registriert Januar 2016
1 Ding, was du über Homöopathie wissen musst: Es wirkt so gut wie Traubenzucker. Alles andere ist Einbildung.
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Ich-meins-doch-nicht-so
20.08.2018 19:36registriert Januar 2014
Ich halt es mit den Zuckerkügelchen wie mit Gott; wenn‘s jemandem was bringt dran zu glauben, dann ist‘s für mich ok.
P.s: Wenn etwas, das 0.26% unserer Gesundheits-Ausgaben ausmacht bei einer Vielzahl der Konsumenten offenbar eine, wen auch wahrscheinlich auf den Placebo-Effekt zurückzuführende, positive Wirkung erzielt, liegt der Schluss nahe, dass die Öffentlichkeit unter den Strich mit Homöopatischen Medis sogar weniger belastet wird als ohne sie.
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Randen
20.08.2018 19:54registriert März 2014
Im Trinkwasser hat es doch alles was es gibt nicht mehr drin. Also sollte Wasser eine enorme Wirkung gegen alle Krankheiten haben. Also anstatt Globuli ein Glas Wasser müsste doch genau gleich helfen. Was meinen Die Homöokatiker dazu?
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