In den vergangenen Tagen mehrten sich alarmierende Meldungen über «Flurona», eine Doppelinfektion mit der saisonalen Grippe (englisch: flu) und dem Coronavirus. Berichten zufolge tauchte in Israel ein erster Fall einer ungeimpften schwangeren Frau auf. Sie musste ins Spital, konnte dieses nach einigen Tagen aber wieder verlassen. Weitere Fälle von Flurona wurden in den USA, Brasilien, den Philippinen und Ungarn entdeckt.
Weltweit rätseln Medien darüber, wie gefährlich dieses neue Phänomen ist. Schlagzeilen wie «jetzt kommt die Flurona-Welle» machen die Runde. Von einer «Twindemie» (twin, englisch für Zwilling) ist die Rede. Doch gibt es Anzeichen dafür, dass es vermehrt zu Doppelinfektionen kommen wird? Und wie gefährlich ist diese wirklich?
Tatsächlich steigt die Zahl der grippeähnlichen Erkrankungen wieder leicht an, bestätigt Nicola Low, Epidemiologin an der Universität Bern: «Nachdem die Grippe-Saison im vergangenen Winter aufgrund der strengen Covid-Massnahmen praktisch inexistent war, könnte es dieses Jahr mehr Fälle geben.» Derzeit würden sich die grippeähnlichen Erkrankungen besonders im Berner Mittelland verbreiten. Low geht davon aus, dass es in der Folge auch zu Doppelinfektionen kommen wird.
Es sei darum wichtig, dass man sich auch gegen die Grippe impfen liesse, so Low. Derzeit liege der Fokus vor allem auf der Covid-Impfung, deswegen könne leicht vergessen gehen, dass besonders für ältere Personen, Schwangere und Kinder eine Grippeimpfung empfohlen wird.
Wie stark sich Flurona tatsächlich verbreiten wird, ist fraglich. Huldrych Günthard, Infektiologe am Universitätsspital Zürich sagt: «Ich kann nicht ausschliessen, dass es in der Schweiz bereits Fälle gab, mir selbst sind bisher keine bekannt.» Schon zu Beginn der Pandemie, als die Grippezahlen noch höher waren, habe er keine Co-Infektionen beobachten können, obwohl damals praktisch immer nach beiden Viren gesucht wurde.
Biologisch betrachtet sei es eher selten, dass man sich mit zwei Viren gleichzeitig ansteckt. «Wer sich mit Sars-CoV-2 oder dem Grippevirus ansteckt, liegt oft schon flach und ist dann einer doppelten Ansteckung weniger ausgesetzt, weil man zu Hause bleibt.» Ausserdem werde bei einer Erkrankung die angeborene Immunität hochgefahren, was die Infektion mit einem weiteren Virus schwer macht. «Wenn, dann müsste man sich quasi zeitgleich mit beiden Viren anstecken, zum Beispiel zuerst mit dem Grippe- und eine Stunde später mit dem Coronavirus. Und diese Wahrscheinlichkeit ist doch eher klein.»
Klein, aber nicht unmöglich. Tatsächlich kam es seit Pandemiebeginn weltweit immer wieder zu doppelten Infektionen. Zwischen Januar und März 2020 wurden in China fast 100 Personen positiv auf beide Krankheiten getestet. Auch ein Forscherteam in Barcelona publizierte bereits im Mai 2020 ein Paper zu Doppelinfektionen. Alles in allem weiss man angesichts der kleinen Forschungsgrundlage noch zu wenig über das Phänomen Flurona, um eine abschliessende Einschätzung machen zu können.
Gegenüber der New «York Times» erklärt Andrew Badley, Spezialist für Infektionskrankheiten im Bundesstaat Minnesota, es sei schwer vorherzusagen, «aber für die meisten Leute wird eine Co-Infektion wohl ungefährlich sein.» Vor allem wenn man gegen beide Erreger geimpft sei. Wie beim Coronavirus auch, dürfte die Schwere einer Doppelinfektion massgeblich davon abhängen, wer betroffen ist. Für Risikopersonen sei eine doppelte Infektion sicherlich gefährlicher.
Deswegen rät auch Günthard vomn Universitätsspital Zürich zu einer Grippe-Impfung. Ob Doppelinfektion oder nicht, helfe die Impfung insbesondere auch, den Ausbruch der saisonalen Grippe in Schach zu halten. Denn mehr als die Gefahren einer Co-Infektion mache ihm Sorgen, dass sich zusätzlich zu Omikron nun auch noch das Grippevirus ausbreiten könnte. «Das würde die Gesundheitseinrichtungen zusätzlich belasten und könnte ein Problem werden.»
So so. Machen sie das?