Das unerwartet klare Ja zur 13. AHV-Rente ist kaum verdaut. Und schon müssen sich die Rechtsbürgerlichen und die Wirtschaftsverbände auf den nächsten «Sozialhammer» gefasst machen. In drei Monaten wird über zwei Vorlagen zur Gesundheitspolitik abgestimmt: die Prämienentlastungs-Initiative der SP sowie die Kostenbremse-Initiative der Mitte.
Sie adressieren die Problematik des ungebremsten Kostenwachstums im Gesundheitswesen, für das die Politik kein Rezept zu finden scheint. Als unmittelbare Folge steigen auch die Krankenkassenprämien. Wegen des Kopfprämien-Systems nimmt die Belastung für Menschen zu, die bislang kein Anrecht auf staatliche Verbilligungen haben.
Besonders hart trifft es mittelständische Familien und erneut Rentnerinnen und Rentner. Es erstaunt wenig, dass die Initiativen in einer ersten Tamedia-Umfrage auf grosse Zustimmung stossen. Zur SP-Initiative wollen 64 Prozent sicher oder eher Ja und 21 Prozent Nein sagen. Noch höher ist mit 72 Prozent (bei 11 Prozent Nein) der Ja-Anteil bei der Kostenbremse.
In diesem Fall dürfte eine Trendwende bis zur Abstimmung am 9. Juni schwierig werden. Bei der Prämienentlastung hingegen ist der «Mist» nicht geführt. Die Meinungsbildung ist gemäss Tamedia «noch nicht sehr weit fortgeschritten». Das entspricht dem typischen Ablauf bei Volksinitiativen. Bei der 13. AHV-Rente hingegen gab es schon früh einen klaren Ja-Trend.
Die Chancen der Initiative sind dennoch intakt, denn die Krankenkassenprämien sind das Sorgenthema Nummer eins der Schweizer Bevölkerung. Deswegen hatte der Bundesrat die eigentlich für das letzte Wochenende geplante Volksabstimmung kurzfristig auf den Juni verschoben. Er hoffte wohl, der «Prämienschock» vom letzten Herbst sei bis dann verdaut.
Damit könnte er sich genauso verspekuliert haben wie mit dem Timing für die 13. AHV-Rente, deren Sprengkraft er unterschätzt hat, wie das gesamte rechte Lager. Auch im Parlament könnte es sich «verzockt» haben, denn zur Abstimmung kommt es nur, weil es nach Ansicht der Initianten ungenügende Gegenvorschläge beschlossen hat.
Intern wird das SP-Anliegen auch «10%-Initiative» genannt. Denn es verlangt, dass die Menschen in der Schweiz maximal zehn Prozent ihres verfügbaren Einkommens für die Krankenkassenprämie aufwenden müssen. Faktisch bedeutet dies einen starken Ausbau der Prämienverbilligungen, bei dem die Kantone mitzahlen müssten.
Der Ständerat wollte deshalb anfangs gar keinen Gegenvorschlag. Erst als er die Erfolgschancen der Initiative realisierte, schwenkte er um. Sie stosse «im Volk auf grosses Interesse», warnte der Urner FDP-Ständerat Josef Dittli. Am Ende setzte er sich trotzdem durch, indem er die Mehrbelastung für die Kantone auf rund 350 Millionen Franken beschränkte.
Der Nationalrat hatte einen Gegenvorschlag beschlossen, der deutlich weiterging. Er wollte die Prämienverbilligungen um zwei Milliarden Franken aufstocken, davon 800 Millionen zulasten der Kantone. Das wäre rund die Hälfte der vom Bundesrat in seiner Botschaft geschätzten Initiativkosten von 3,5 bis 5 Milliarden für Bund und Kantone.
Dennoch hätte die SP ihre Prämienentlastungs-Initative vermutlich zurückgezogen, wenn sich der Nationalrat durchgesetzt hätte. Die «Knausrigkeit» des Parlaments könnte sich rächen, denn in diesem Fall zieht das Giesskannen-Argument nicht, und es profitieren auch Jüngere, neben Familien etwa Personen, die am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn stehen.
Die Volksinitiative hat einen weiten Weg hinter sich. Im Grundsatz beschlossen wurde sie 2017 von der damaligen CVP. Sie verlangt, dass Bundesrat, Parlament und Kantone eingreifen, wenn die Gesundheitskosten im Vergleich zur Lohnentwicklung zu stark steigen. Sie betreibt somit anders als die SP-Initiative nicht bloss Symptombekämpfung.
«Das heutige System ist krank und strotzt von Fehlanreizen», schreibt die Mitte. Von einem «Paradies für Geldsammler» sprach Parteipräsident Gerhard Pfister im Nationalrat. Es ist eine treffende Diagnose, und die schlagkräftigen Akteure im Gesundheitswesen wie Ärzteschaft, Krankenkassen und Pharmabranche tun alles, damit sich daran nicht ändert.
Unter ihrem Druck hat das Parlament den Gegenvorschlag des Bundesrats verwässert. Er sah nicht nur Kosten- und Qualitätsziele vor, sondern Massnahmen, falls sie nicht erreicht werden. Dieser Punkt wurde schon in der ersten Beratungsrunde im Nationalrat gekippt. Dem Gegenvorschlag fehle «die Verbindlichkeit», fand die Mitte-Partei.
Sie hielt deshalb an ihrer Initiative fest in der Hoffnung, der Druck des Stimmvolks möge etwas bewegen. «Off the record» aber geben Mitte-Vertreter zu, dass sie selbst bei einem klaren Ja wenig erwarten. Zu gross ist der Einfluss der Lobbys bei den anderen Parteien, auch den linken. Die SP hat die Nein-Parole zur Kostenbremse-Initiative beschlossen.
Ein unreformierbares System, ein hoher Leidensdruck wegen der Prämien und «schwache» Gegenvorschläge: Das Rezept für ein doppeltes Ja am 9. Juni wäre vorhanden. Den Gegnern wird es nicht leicht fallen, eine griffige Kampagne zu entwickeln, auch weil sie Teil des Problems sind. Das könnte sie im Fall der SP-Initiative erneut teuer zu stehen kommen.
2. Alternativmedizin aus der Grundversorgung kippen
3. Verbieten von Versicherungsvermittler-Provisionen für Grundabdeckung
4. Mehr Preisvorgaben an die Pharma
5. Aufzeigen von Gesundheitsrisiken (Lebensmittelindustrie)
Ich habe ca. 5min überlegt für diese Liste...
Wieso kommt kein Politiker mit sinnvollen Ideen sondern nur mit Umverteilungen?