Letzte Woche wurde in Frankfurt der mutmassliche Schweizer Spion Daniel M. verhaftet. Neueste Informationen zeigen, dass M. im Zusammenhang mit dem Bankgeheimnis in Deutschland tätig gewesen sein soll. Ein Überblick:
Das Bankgeheimnis steht seit längerem unter dem Druck amerikanischer und deutscher Steuerfahnder. Immer wieder werden CDs mit Kundendaten von Schweizer Banken im Ausland angeboten und angekauft. Die Bundesanwaltschaft beschloss damals laut Informationen des «Tages-Anzeigers», den Banken zu Hilfe zu kommen und Ermittlungen wegen Wirtschaftsspionage aufzunehmen.
Auch der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) wird an den Ermittlungen beteiligt. Damals verhalf Daniel M. den Schweizer Ermittlern zum Durchbruch. Drei deutsche Finanzbeamte werden zur Verhaftung ausgeschrieben. Verhaftet wurde aber bisher keiner der Dreien.
Zweieinhalb Jahre später ist der der Steuerstreit zwischen Deutschland und der Schweiz immer noch nicht beigelegt, im Gegenteil. Weitere Daten-CDs von Schweizer Grossbanken gelangen in die Hände deutscher Steuerfahnder. Die deutsche Bundesanwaltschaft führt daraufhin mehrere Razzien in Filialen der UBS durch.
In der Schweiz suchen die Grossbanken intensiv nach ihren internen Lecks. Fündig wird die UBS im Fall des Bankers René S. Er soll Daten nach Deutschland ausgeliefert haben. Für Abklärungen in Deutschland wird wiederum Daniel M. beauftragt. Diesmal bleibt M. aber erfolglos. Der Auftrag lief 2014 ohne grösseren Durchbruch aus.
Danach soll M. jedoch versucht haben, dem Privat-Agenten Werner Mauss gefälschte Bankdaten zu verkaufen. Mauss hatte wegen den vielen Datenlecks ebenfalls einen Prozess wegen Steuerhinterziehung am Hals. Dieser erkannte die Daten aber als Fälschung und zeigte M. bei den Schweizer Behörden an. Diese leiten ein Strafverfahren gegen Mauss und M. ein.
Daniel M. wird in Frankfurt verhaftet. Durch das Strafverfahren in der Schweiz sind die deutschen Ermittler auf den mutmasslichen Spion gestossen, mutmasst der «Tages-Anzeiger». «Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, für den Geheimdienst einer fremden Macht tätig gewesen zu sein», teilt die Deutsche Bundesanwaltschaft mit.
Am selben Tag wird die Verhaftung diversen deutschen und Schweizer Medien bekannt.
Der Anwalt von Daniel M. bestätigt im «SonntagsBlick» den Zusammenhang der Verhaftung mit dem Steuerstreit zwischen der Schweiz und Deutschland. Der Nachrichtendienst will am Sonntag noch nichts von dem Fall gewusst haben. «Der NDB kennt die Identität der verhafteten Person nicht», sagt die NDB-Sprecherin.
Weitere Details zum verhafteten Daniel M. werden bekannt. Sein Anwalt, Valentin Landmann, bestätigt gegenüber verschiedenen Medien, dass sein Mandant im Auftrag des NDBs herausfinden sollte, welche deutschen Beamten bereit gewesen wären, Schweizer Bankdaten zu kaufen.
Weiter wird bekannt, dass auch bei der Bundesanwaltschaft ein Verfahren gegen M. läuft.
Sowohl Verteidigungschef Guy Parmelin als auch Geheimdienst-Chef Markus Seiler stellten sich am Dienstag zur Spionage-Affäre. Während Parmelin nicht über das laufende Verfahren sprechen wollte, gab sich Seiler gesprächiger. Er erklärte, der NDB bekämpfe die Spionage im eigenen Land. Dazu gehöre auch die illegale Beschaffung von Daten-CDs durch andere Staaten.
Grund für Seilers Gesprächigkeit war der Vorwurf des Präsidenten der Geschäftsprüfungskommission Alex Kuprecht (SVP), Seiler habe die Aufseher des Parlaments belogen. Ihm sei nie gesagt worden, dass Daniel M. ein Angestellter des NDBs gewesen sei. In Berlin wird derweil die Schweizer Botschafterin einbestellt. Das deutsche Aussenministerium bat «im Interesse der deutsch-schweizerischen Freundschaft» um Aufklärung.
Aus dem deutschen Strafbefehl gegen M. geht hervor, dass dieser einen Maulwurf im deutschen Finanzministerium platziert haben soll. Dafür soll M. 90'000 Euro vom NDB erhalten haben.
Weiter bestätigt Corina Eichenberger, FDP-Nationalrätin und Vizepräsidentin der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) im «Blick», dass M. vom NDB direkt angestellt wurde, um die Schweizer Behörden im Kampf gegen Datenlecks in Schweizer Grossbanken zu unterstützen.
Ueli Maurer bestätigt gegenüber dem «Tages-Anzeiger», dass der Bundesrat über die Aktionen von Daniel M. informiert war. Ebenfalls bekannt wird, dass die Schweiz ihren Spion wohl selber ans Messer geliefert hat: So hat die Bundesanwaltschaft Verhörprotokolle, in denen sich Daniel M. zu seinen Spionage-Aktivitäten in Deutschland äussert, im Rahmen eines Verfahrens ungeschwärzt an einen Mitangeklagten herausgegeben. Die deutschen Strafverfolger hatten anschliessend leichtes Spiel.
Dass der Bundesrat den Spionage-Einsatz gebilligt hat, führt in Deutschland zu harschen Reaktionen. Bundeskanzlerin Angela Merkel verlangt eine lückenlose Aufklärung des Falls. Justizminister Heiko Maas lässt sich mit den Worten zitieren: «Statt die erfolgreichen Steuerfahnder in Nordrhein-Westfalen bei ihrer Arbeit zu bespitzeln, sollte die Schweiz endlich Ernst machen mit der konsequenten Bekämpfung von dubiosen Finanzgeschäften und Steuerbetrug.» Der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty verlangt gar eine offizielle Entschuldigung der Schweiz.
Daniel M.s Anwalt, Valentin Landmann, verschärft den Ton. Weil die Schweizer Behörden seinen Mandanten ans Messer geliefert hätten, fühle sich dieser nicht mehr zu Loyalität gegenüber der Schweiz verpflichtet, so Landmann im «Blick». «Es ist eine Überlegung wert, dass mein Mandant als Kronzeuge auftritt.» Es besteht also die Gefahr, dass M. über heikle Operationen auspackt. Sagt er etwa aus, dass er vom NDB den Auftrag erhielt, einen Maulwurf im deutschen Finanzamt einzuschleusen, könnte es für die Schweiz brenzlig werden.
Verteidigungsminister Guy Parmelin sagte in der «Tagesschau», seit 2014 habe kein Kontakt zwischen dem Nachrichtendienst und Daniel M. mehr bestanden. Allerdings kommen Zweifel an dieser Darstellung auf: So fanden die Ermittler bei einer Hausdurchsuchung bei M. im Februar 2015 noch den Laptop und das Coop-Handy, die ihm der Nachrichtendienst zur Verfügung gestellt hatte. Dies berichtet der «Blick» mit Verweis auf das Einvernahmeprotokollen der Bundesanwaltschaft.