Die Schneeverhältnisse in den Schweizer Skigebieten gaben in den letzten Tagen nicht das beste Bild ab. Meteorologe Klaus Marquardt von Meteonews wagte im Interview mit watson eine düstere Prognose: «Skigebiete zwischen 1000 und 1500 Metern über Meer haben keine Zukunft.»
Wir haben mit Urs Keller, Mitglied der Geschäftsleitung und Verwaltungsrat der Bergbahnen Hoch-Ybrig, über seine Destination gesprochen. Diese erstreckt sich von 1035 auf 1820 Metern über Meer und begrüsst jedes Jahr viele Gäste aus dem Aargau, Zürich, Schwyz und zuletzt auch immer mehr Luzerner.
Urs Keller, wie sehr belasten Sie die Schneeverhältnisse der letzten Wochen?
Urs Keller: Natürlich würden wir uns über mehr Schnee freuen. Aktuell (Montag, 9. Januar) sind drei Anlagen und das Kinderland in Betrieb. Am Samstag öffnet auch die Sesselbahn Hesisbol wieder. Immerhin: Im letzten Jahr hatten wir eine absolute Rekordsaison.
Dann lohnt sich der Betrieb also noch sehr.
Ja, der lohnt sich nach wie vor. In den letzten Wochen wurde eher negativ berichtet und fast ein «Hype» um den Schneemangel aufgebaut. Über unser Rekordjahr wurde in der letzten Saison viel weniger geschrieben.
War denn die Saison 2021/22 ein Ausreisser nach oben oder verliefen die letzten Jahre alle gut?
Auch die Winter 2018/19 und 2019/20 liefen sehr gut. Dann kam Corona und machte uns einen Strich durch die Rechnung. Davor erinnere ich mich an den Winter 2016/17, als die Verhältnisse mit wenig Naturschnee letztmals nicht optimal waren.
Ein Meteorologe sagte uns gegenüber, dass Skigebiete zwischen 1000 und 1500 Metern über Meer keine Zukunft haben. Im Hoch-Ybrig beginnt das Hauptskigebiet auf rund 1500 Metern, unterhalb liegen die Zubringer mit der Talabfahrt. Was planen Sie in den nächsten Jahren?
Schneemangel gab es immer mal wieder. Wir konzentrieren uns aber grundsätzlich auf Investitionen der Anlagen über 1500 Metern über Meer. Bereits in diesem Jahr beginnen die Arbeiten auch für einen neuen Zubringer.
Erzählen Sie.
Die Zubringer-Gondel zwischen Weglosen und Seebli wird durch eine 3S-Bahn, einer der aktuell modernsten Systeme, ersetzt. Diese kann statt wie aktuell 1100 dann bis zu 1600 Personen pro Stunde befördern. So können wir dann auch die Wartezeiten verkürzen und die Gäste kommen bequem und schnell ins Skigebiet. Im Sommer 2023 wird die Bergstation gebaut, 2024 die Talstation. Einzig zwischen April 2025 und Oktober 2025 müssen die Besucher auf die Laucherenbahn ausweichen.
Haben Sie diese Investition als Reaktion auf den Klimawandel geplant?
Die aktuelle Bahn ist über 50-jährig und musste sowieso ersetzt werden. Das belastet uns also nicht zusätzlich. Die Bahn kostet rund 22 Millionen Franken und sollte innert 10 Jahren amortisiert sein. Und natürlich sind wir damit dafür gerüstet, wenn wir in Zukunft die Talabfahrt unregelmässig öffnen können.
Wie sieht es bei Ihnen mit Beschneiungsanlagen aus, wird es da bald Investitionen benötigen?
Nein, da sind wir gut aufgestellt. Wir investierten im letzten Sommer rund eine halbe Million Franken in neue Geräte. Damit sind wir auf dem neusten Stand und dürften in den nächsten Jahren gut ausgerüstet sein.
Wie viele Skitage benötigen Sie eigentlich pro Saison, um rentabel zu arbeiten?
100 Tage wären gut. Meistens haben wir mehr.
Und Sie befürchten auch nicht, dass sich dies in den nächsten Jahren ändert?
Nein, da haben wir keine Bedenken. Wir hätten beispielsweise im Frühling 2020 bis Anfang Juni Ski fahren können. Wir haben jetzt schon eher eine längere Saison als die meisten anderen Skigebiete bis Ende April (23. April 2023). Da kommen dann oft noch solche zu uns, die sonst nirgendwo mehr skifahren können.
Mussten Sie in dieser Saison alternative Angebote bieten?
Wir öffneten über die Festtage die Sesselbahn der Laucheren nur für Wanderer. Es war das zweite Mal innert sieben Jahren, dass wir uns zu diesem Schritt gezwungen sahen.
Planen Sie längerfristig mehr auf den Sommer zu setzen?
Es stehen verschiedene Ideen im Raum. Unter anderem soll eine grosse Aussichtsplattform entstehen. Eine andere Idee im Bereich Familien-/Gruppenevents ist noch so frisch, dass ich noch nicht mehr verraten darf. Im Sommer haben wir sicher noch viel Potenzial, das wir aktuell noch nicht ausschöpfen.
Wird der Sommer bald wichtiger als der Winter?
Nein, bei uns nicht. Der Winter bleibt sehr wichtig. Wir haben moderne Anlagen und sind gut aufgestellt. Der Sommer wird zwar zulegen, aber wir werden nie ein 50:50 erreichen, der Winter bleibt unser Hauptgeschäft.
In Oberiberg auf rund 1100 bis 1320 Metern haben Sie noch zwei kleine Lifte, die vor allem für Kinder (und Anfänger) geeignet sind. Wie wichtig sind diese Anlagen, die im Dorf viel «sichtbarer» sind als die Bahnen im grossen Skigebiet?
Wir haben auch beim Seebliboden ein Kinderland, welches sogar bis zum 6. Altersjahr gratis benützt werden kann. Aber ja, solche kleinen Anlagen sind extrem wichtig und wir beschneien diese auch. Für uns als grosses Skigebiet ist es wichtig, dass möglichst viele Dorflifte laufen.
Wieso?
Je mehr Kinder einen Skilift direkt vor der Nase haben, desto mehr fangen auch mit dem Skifahren an. Und diese Kinder sind dann unsere Zukunft. Wir unterstützen teilweise auch kleinere Skigebiete. So unterstützten wir den Skilift Sattelegg oder brachen 2014 einen Skilift ab und schenkten diese (Einzel-)Teile an umliegende Orte.
Blicken wir in die Zukunft. Wie sieht ihr Skigebiet in 50 Jahren aus?
Wir wissen nicht, was bis dann wirklich eintrifft.
Gehen wir vom schlimmsten Szenario aus: Das Skigebiet Hoch-Ybrig existiert nicht mehr. Was würde das bedeuten?
Daran darf man gar nicht denken. Direkt und indirekt hängen über 300 Arbeitsplätze mit dem Hoch-Ybrig zusammen.
Das wäre eine Katastrophe für die Region.
- Wir bauen grössere und schnellere Beförderungsanlagen für mehr Menschen
"Was passiert bei einem worst-case Szenario?"
- Daran darf man gar nicht denken
Naja, scheint bei ihm noch nicht ganz angekommen zu sein.