Schweiz
Justiz

Ein Schwarzer klagt gegen drei Stadtpolizisten wegen Gefährdung des Lebens.

Ein Schwarzer klagt gegen drei Zürcher Stadtpolizisten – Staatsanwältin fordert Freispruch

Amtsmissbrauch und Gefährdung des Lebens: Drei Zürcher Stadtpolizisten müssen sich heute vor dem Zürcher Bezirksgericht verantworten. In ihrem Plädoyer verlangte die Staatsanwältin überraschend einen Freispruch.
10.04.2018, 06:2610.04.2018, 12:24
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Es ist die Fortsetzung eines Prozesses, der im November 2016 unterbrochen worden war: Der Anwalt des Opfers hatte damals erfolgreich eine Ausweitung der Anklageschrift beantragt. Neu müssen sich die Polizisten neben Amtsmissbrauchs wegen Gefährdung des Lebens – und nicht nur wegen einfacher Körperverletzung – verantworten.

Der Vorfall datiert sogar noch viel weiter zurück; die Kontrolle fand bereits im Oktober 2009 statt. Den drei beschuldigten Stadtpolizisten – darunter eine Frau – wird vorgeworfen, dem damals 36-jährigen Mann unter anderem aus kürzester Distanz Reizstoff ins Gesicht gesprüht und ihm mehrere Stösse mit dem Polizeistock gegen den Oberkörper versetzt zu haben.

Zudem sollen sie sich auf seinen Rücken gesetzt haben, als er bereits gefesselt auf dem Boden lag. Ein weiterer Vorwurf: Der Mann wurde von einem der Polizisten mit «Scheiss-Afrikaner, geh zurück nach Afrika» beschimpft.

Überraschung am Gericht

Zu Beginn des Prozesses gab es dann eine Überraschung: die Staatsanwältin fordert – entgegen der Anklageschrift – einen Freispruch für die Beschuldigten. Eine konkrete Lebensgefahr sei zu keinem Zeitpunkt vorhanden gewesen, auch scheine es, dass sich die Beschuldigten bei dem Einsatz korrekt verhalten hätten. Die Vorwürfe der Gefährdung des Lebens und des Amtsmissbrauchs seien somit nicht zutreffend. Zudem bestünden erhebliche Zweifel an der Version des Geschädigten, sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer.

Die Kehrtwende der Staatsanwaltschaft ist dadurch zu erklären, dass sie in diesem Verfahren con­t­re cœur handeln musste. Ursprünglich wollte die Staatsanwältin das Verfahren gegen die drei Polizisten einstellen, erst auf Druck des Bundesgerichts kam schliesslich eine Anklage zustanden.

Lebensgefahr für den Mann

In der Anklageschrift hiess es noch, dass die «in hochgradiger Aufregung» handelnden Beschuldigten durch die Gewalteinwirkungen bewusst und ohne Anlass und Grund für den herzkranken Mann die Gefahr geschaffen hätten, «dass die Wahrscheinlichkeit eines Todes einen ernsten und hohen Grad erreichte».

Der damals 36-Jährige, dem kurz zuvor eine künstliche Herzklappe eingesetzt worden war, erlitt unter anderem einen gebrochenen Lendenwirbel, Prellungen im Gesicht und am Hals, eine Zerrung am Oberschenkel und eine ernsthafte Knieverletzung.

«Für den herzkranken Mann bestand die Gefahr, dass die Wahrscheinlichkeit eines Todes einen ernsten und hohen Grad erreichte».
Zürcher Staatsanwaltschaft 

Die Staatsanwaltschaft fordert daher wegen Amtsmissbrauchs und Gefährdung des Lebens bedingte Geldstrafen von 100 Tagessätzen sowie Bussen – und zog damit den Unmut des Opferanwalts auf sich.

Dieser kritisierte, als die neue Anklage Ende 2016 eingereicht wurde, die «völlig unverständliche Tatsache», dass sich der Strafantrag für den neu formulierten Anklagevorwurf «Gefährdung des Lebens» dennoch nach wie vor auf eine bedingte Geldstrafe von 100 Tagessätzen beschränke.

Polizisten verteidigten ihr Handeln

Die drei Beschuldigten wiesen anlässlich des Prozesses vom November 2016 die Gewalt-Vorwürfe zurück. Die Personenkontrolle, die kurz vor 1 Uhr in einem Tram begann, sei angesichts der Aggressivität des Mannes angemessen abgelaufen.

Er habe sich wiederholt geweigert, seinen Ausweis zu zeigen. Und gerade weil er so aggressiv gewesen sei, hätten sie Pfefferspray, Stock und «rohe Körpergewalt» einsetzen müssen, um ihn in Handschellen legen zu können. Von einem Herzproblem hätten sie hingegen nichts gewusst, sagten sie damals vor Gericht. (sda)

Polizist bei Verkehrskontrolle: «Wir töten nur Schwarze»

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66 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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dorfne
10.04.2018 08:23registriert Februar 2017
Warum will man einem Polizisten den Ausweis nicht zeigen? Die Polizei hat die Pflicht, Ausweiskontrollen zu machen. Ich hab immer die ID dabei, weil ich weiss, dass ich jederzeit kontrolliert werden kann, nicht nur am Bankschalter. Wenn die Polizei sich nicht mehr durchsetzen kann, beschimpft und angespuckt wird, dann werden wir bald keine Sicherheit mehr haben im öffentlichen Raum. Ich prangere die Vorgesetzten der Polizisten an, die nicht hinter ihren Leuten stehen, "Deeskalation" bis zur Selbstaufopferung verlangen. Warum eigentlich? Damit die selber nicht ins schiefe Licht geraten?
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dorfne
10.04.2018 08:10registriert Februar 2017
Im Artikel wird berichtet, was die Polizisten gemacht haben. Vom Mann wird nur gesagt, er habe sich wiederholt geweigert, den Ausweis zu zeigen und sei aggressiv gewesen! Es gibt verbale Aggression und handgreifliche! Wie aggressiv der Mann war, geht aus dem Artikel nicht hervor. Geh zurück nach Afrika sagen. sich auf den Mann setzen, wenn der schon am Boden liegt, wär ein absolutes no go. Von der Herzkrankheit wusste die Polizei nichts. Und wenn der Mann die Kraft hatte zu querulieren und aggressiv, darf das nicht in die Waagschale gelegt werden.
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Hexentanz
10.04.2018 10:58registriert November 2014
Ich bin schon immer wieder erstaunt wie Leute es fertig bringen, sich Stress einzuhändeln.

Ich wurde schon an Verkehrskontrollen im Auto angehalten und musste Schlüssel abziehen vom Zündschloss und zeugs.. mein gott.. die machen doch nur ihren Job..

..und ich will freundlich in meinem Job behandelt werden, also behandle ich auch diese Polizisten freundlich.

Er muss sich auch nicht wundern, wird er kontrolliert:
https://www.nzz.ch/schweiz/statistik-zur-kriminalitaet-erstmals-zahlen-zur-nationalitaet-der-verurteilten-veroeffentlicht-ld.117737

Das ist kein Rassismus, sondern Fakt.
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