Das Kreisgericht St.Gallen hat am Donnerstag einen Polizisten freigesprochen. Er ist damit vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs entlastet. Er hatte einen Töffraser bei der Verhaftung mit wüsten Worten bedacht.
Der Vorfall ereignete sich am 1. September 2014. Einer Polizeipatrouille fiel auf der Langgasse in St.Gallen ein Motorrad ohne Kontrollschild auf. In waghalsigem Tempo überholte der Fahrer andere Fahrzeuge und verursachte übermässigen Lärm.
Schliesslich lieferte er sich mit der Polizei eine Verfolgungsjagd über mehrere Strassen. Mehrmals missachtete er dabei ein Rotlicht. Zeitweise beschleunigte er sein Motorrad derart, dass er nur noch auf dem Hinterrad fuhr. Bei zwei Strasseneinmündungen fuhr er links an der Fussgängerschutzinsel vorbei.
Als die Beamten den Raser stoppen konnten, richtete der eine seine Waffe auf ihn. Der Töfffahrer habe überhaupt nicht darauf reagiert, erzählte der Beschuldigte an der Gerichtsverhandlung. Deshalb habe er sich entschlossen, ihn mit seinem Körpergewicht zu Boden zu stossen.
Danach hätten er und sein Kollege ihm Handschellen anlegen wollen, doch habe sich der grosse starke Mann wie ein Besessener gewehrt. In diesem Stressmoment, in dem bei beiden das Adrenalin hochgeschossen sei, habe er die Beschimpfungen ausgestossen.
In den 30 Jahren seiner Polizeiarbeit habe er noch nie eine solche Situation erlebt. «Was ist das nur für einer, der so rast und sich und andere gefährdet», hätten er und sein Kollege sich schon während der Verfolgungsfahrt gefragt und Verstärkung angefordert. Sobald der Mann gefesselt gewesen sei, habe er sich wie verwandelt gezeigt und sich anständig verhalten.
Der Staatsanwalt forderte eine bedingte Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu 170 Franken bei einer Probezeit von zwei Jahren sowie eine Busse von 800 Franken. Es gehe darum, dass sich der Beschuldigte als Polizist der Stadtpolizei St.Gallen dem Beschuldigten gegenüber ausfällig benommen habe.
Die Anhaltung sei zwar zu Recht und – bis auf eine Ausnahme – korrekt erfolgt. Die wüsten Beschimpfungen wie «Du huere Sau» oder «I rupf dir dä Grind us» aber seien unverhältnismässig und regelwidrig gewesen. Sie stellten einen Amtsmissbrauch dar.
Der Verteidiger beantragte einen Freispruch. Die Beschimpfungen müssten im Zusammenhang mit den Vorfällen vor der Verhaftung gesehen werden, erklärte er. Es habe eine Raserfahrt stattgefunden, die sehr gefährlich gewesen sei. Die Beamten seien mit einer absoluten Ausnahmesituation konfrontiert gewesen.
Das Kreisgericht St.Gallen folgte der Argumentation der Verteidigung und erliess einen Freispruch. Die Beschimpfungen und Drohungen müsse man im Kontext der Situation sehen, befand auch der Einzelrichter. Die Verfahrenskosten von 4500 Franken trägt der Staat.
Der Töfffahrer hatte bei der Staatsanwaltschaft sein Desinteresse am Strafverfahren kundgetan. Er wurde bereits vor Monaten für seine Raserfahrt zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 23 Monaten bei einer Probezeit von zwei Jahren sowie einer Busse von 1000 Franken verurteilt.
Er habe mit seiner Fahrt den Kopf auslüften wollen, hatte der Beschuldigte vor dem Gericht den Grund für seine Raser- und Fluchtfahrt erklärt. Laut seinen Schilderungen belasteten ihn mehrere Vorkommnisse. Wegen eines Burn-outs habe er seine Firma verloren und sei seine Ehe in die Brüche gegangen.
Auf der Flucht beging er nicht weniger als neun qualifizierte grobe, 46 grobe und 28 einfache Verletzungen der Verkehrsregeln. Mehrmals missachtete er Rotlichter und fuhr links an Fussgängerschutzinseln vorbei.
Als er seine Fahrt wegen eines Hindernisses auf 15 Kilometer pro Stunde verlangsamen musste, schloss die Polizei auf gleiche Höhe auf und zwang ihn anzuhalten. Nach seiner Verhaftung beschlagnahmte die Polizei seine Helmkamera, die auf der Flucht eingeschaltet war. (gin/sda)