Kaum hat die Frau das Baby aus ihrem Uterus gepresst und sind die ersten Glückstränen über das neue Leben getrocknet, wird der Vater schon zurück erwartet. An seinem Arbeitsplatz soll er Leistung bringen. Dafür wird er ja schliesslich bezahlt.
Von Gesetzes wegen müssen Arbeitgeber frischgebackenen Vätern in der Schweiz lediglich einen freien Tag geben. Gleich viel wie bei einem Umzug. Einen eigentlichen Vaterschaftsurlaub gibt es nicht.
Was früher selbstverständlich war, wird heute von vielen als Ungerechtigkeit empfunden; als ungünstiger Start ins Familienleben. Zu Recht. Wie soll der Vater seine Rolle als gleichberechtigter Erzieher wahrnehmen, wenn er von Anfang im Nachteil ist?
Während seine Partnerin sich in den ersten Tagen und Wochen im Wickeln übt, den Kleinen in ihren Armen in den Schlaf wiegt, sich schlicht in ihrer neuen Rolle findet – ist der Mann am arbeiten. Denn auch wenn manche Chefs grosszügiger sind, als es das Gesetz vorsieht: In den meisten Unternehmen müssen Väter spätestens nach 5 Tagen nach der Geburt wieder auf der Matte stehen. Das hat Folgen.
Am Abend, wenn der Mann zu seiner kleinen Familie heimkehrt, ist er im Umgang mit dem Kleinen der unbeholfene Anfänger. Jener, der das Wickeln verkackt, das Baby zum Schreien bringt.
Wegen seiner Unsicherheit und Unterlegenheit überlässt er das Feld der Frau – und tataaa, das klassische Rollenbild zwischen Mann und Frau wird zementiert. Die Frau als Mutter, der Mann als Ernährer.
Nun, der Bundesrat und das Parlament hatten für derlei Argumente kein Gehör. Sie verwarfen jegliche Vorschläge für einen mehrwöchigen Vaterschaftsurlaub. Die Befürworter versuchen es nun mit einer Volksinitiative. Kommt sie durch, darf der Vater zukünftig vier Wochen zu Hause bleiben, während er den Lohn weiter bekommt. Ihm wird Raum gegeben, sich um seine Familie zu kümmern, sich in seiner Rolle als Vater zu finden.
Bis zu einer allfälligen Abstimmung werden noch tausende Schweizer Babys das Licht der Welt erblicken. Die gute Nachricht: Während sich die Politiker gegen die gesellschaftliche Entwicklung stellen, haben die Schweizer Unternehmen die Wichtigkeit des Familienlebens ihrer Mitarbeiter entdeckt. Dies zeigt auch die Auswertung von watson mit Daten von über 130 Arbeitgebern.
Über 10 Prozent der Unternehmen, die auf die Medienanfrage von watson geantwortet haben, haben auf Anfang 2018 ihren Vaterschaftsurlaub verlängert. Die einen lediglich vom gesetzlichen Minimum auf 5 Tage. Andere zeigen sich grosszügiger. Darunter Microsoft Schweiz, das seit Anfang Jahr 6 Wochen Vaterschaftsurlaub hat. Obenaus schwingt aber Google, mit 12 Wochen.
Damit sich diese Entwicklung fortsetzt, sind nun die zukünftigen Väter gefragt. Wozu auch ich zähle. Sie müssen aufstehen, den Chefs signalisieren – so geht es nicht weiter.
Genauso hart, wie sie über den Lohn verhandeln, müssen sie auch Urlaub nach der Geburt ihres Kindes einfordern. Und sich nicht mit der Ausrede abspeisen lassen, eine solche Absenz sei personell oder wirtschaftlich nicht verkraftbar. Wenn Männer ins Militär oder in den Zivilschutz müssen, geht es schliesslich auch.
Also liebe Arbeitgeber, seid mehr wie Google (12 Wochen Vaterschaftsurlaub), oder zumindest wie Coop, Migros oder Raiffeisen, die ihren Mitarbeitern 3 Wochen gönnen. Wartet nicht auf ein allfälliges Gesetz.