Schweiz
Luftfahrt

Schweizer Ju-Air darf keine kommerziellen Passagierflüge durchführen

Die Ju-Air darf keine kommerziellen Passagierflüge mehr durchführen – sagt das BAZL

12.03.2019, 09:4612.03.2019, 11:18
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epa06928809 A handout photo dated 22 June 2015 and made available by Swiss JU-AIR on 05 August 2018 showing a historic JU-52 aircraft of the JU-AIR in the air. A JU-52 of the JU-AIR crashed on 05 Augu ...
Bild: EPA/KEYSTONE / JU-AIR

Die Ju-Air wird definitiv nicht mehr mit bezahlenden Passagieren abheben können. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) entzieht dem Verein mit seinen historischen Maschinen die Genehmigung für kommerzielle Passagierflüge.

Weiterhin anbieten kann Ju-Air Passagierflüge für die Vereinsmitglieder im privaten Rahmen, wie das Bazl am Dienstag mitteilte. Damit will das Amt den Weiterbetrieb auch grösserer historischer Flugzeuge ermöglichen.

Die zwei Oldtimer des Typs Junkers Ju-52 der Ju-Air müssen aber vorerst am Boden bleiben. Diverse vom Bazl geforderte Massnahmen seien noch nicht vollständig definiert und umgesetzt.

Für den kommerziellen Weiterbetrieb mit Passagieren erfüllen die Oldtimer aber die heutigen Sicherheitsanforderungen nicht mehr. Diesen Schluss stützt das Bazl auch mit den Erkenntnissen aus der Untersuchung des Absturzes einer Ju-52 beim Piz Segnas. Am 4. August 2018 waren dabei alle 20 Insassen an Bord ums Leben gekommen.

Zusätzlich werde sich die europäische Gesetzgebung für Oldtimer ab Mitte 2019 ändern und einen kommerziellen Betrieb nicht mehr zulassen, schreibt das Bazl.

Flüge nur noch für Vereinsmitglieder

Hingegen soll ein Betrieb im privaten Rahmen und unter nationalen Auflagen weiterhin möglich sein. Vereinsmitglieder, die den Erlebnisflug suchen und ein Interesse am Weiterbetrieb historischer Flugzeuge haben, sollen weiterhin mitgeführt werden können.

Die JU-52 HB-HOS im ersten Teil der Totalüberholung
Die JU-52 HB-HOS im ersten Teil der TotalüberholungBild: ju air

Die Passagiere müssen seit mindestens 30 Tagen Vereinsmitglieder sein und über die höheren Risiken aufgeklärt sein, die bei historischen Flugzeugen im Vergleich zu modernen Passagierflugzeugen bestehen.

Da Flugzeuge wie die Junkers Ju-52 eine grössere Zahl von Passagieren befördern können, müssten sie technisch und operationell höhere Anforderungen erfüllen als kleinere Oldtimerflugzeuge, hält das Bazl fest. Erschwerend komme bei den heute 70 und 80 Jahre alten Ju-52 hinzu, dass es keinen Hersteller mehr gebe, der für die Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit verantwortlich ist.

Das Bazl sei wie andere nationalen Aufsichtsbehörden schon aus Ressourcengründen nicht in der Lage, diese Aufgabe zu übernehmen. Die privaten Betreiber von grossen Oldtimerflugzeugen müssten sich daher entweder selbst dieses Fachwissen aneignen oder diese Aufgabe an einen externen Betrieb delegieren.

Da die Ju-Air die vom Bazl geforderten technischen Massnahmen noch nicht vollständig erfüllen kann, bleiben ihre zwei Oldtimerflugzeuge weiterhin am Boden. Solange lassen sich aus Sicht des Bazl auch keine Aussagen über den Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Flugbetriebes durch die Ju-Air machen.

Ju-Air: Sicherheit oberste Priorität

Die Ju-Air erklärte am Dienstag, die Weisung des Bazl bedeute für Flüge in der Schweiz keine wesentliche Änderung. Bereits heute seien fast 100 Prozent der Passagiere in der Schweiz Vereinsmitglieder. Für die Ju-Air geniesse die Sicherheit des künftigen Flugbetriebs oberste Priorität. Sobald die neuen Regelungen des Bazl im Detail vorlägen, werde man sie prüfen und dann sofort an die Umsetzung gehen.

Im Übrigen gebe es nach wie vor keine Hinweise darauf, dass eine technische Ursache zum Absturz der HB-HOT im August 2018 geführt hätte. Die im vergangenen November öffentlich diskutierten Schäden am Unfallflugzeug seien laut der Unfalluntersuchungsstelle Sust allesamt keinerlei Ursache für den Unfall.

«Keine sicherheitsrelevanten Mängel»

Für den Sommer 2019 sei vorgesehen, nur ein Flugzeug einzusetzen. Es handle sich dabei um die HB-HOS, welche seit November zusätzlich zur Jahreswartung auch umfassenden Korrosionsuntersuchungen unterzogen worden sei. Mit neuen, hochauflösenden Boroskopkameras hätten die Flügelholme und auch kleinste Hohlräume in Flügeln, Leitwerken und Rumpf ausgeleuchtet und untersucht werden können.

Ein auf Materialprüfung spezialisiertes Institut habe zusätzlich sämtliche Verbindungspunkte innerhalb der Flügel durchleuchtet. Die Analysen der Untersuchungen durch die Ju-Air und unabhängige, externe Experten stünden kurz vor dem Abschluss.

Die optischen und boroskopischen Untersuchungen, die Röntgenaufnahmen und die Expertisen von Materialwissenschaftlern und Experten für Strukturen und Motoren hätten bisher keine Hinweise auf sicherheitsrelevante Mängel beim Flugzeug HB-HOS ergeben.

Sofern keine solchen Mängel auftauchten, werde die Ju-Air beim Bazl ein Gesuch für den Flugbetrieb 2019 einreichen. Durch die Verzögerungen bei den Untersuchungen könne die Aufnahme des Flugbetriebs der HB-HOS aber nicht vor Ende Mai erfolgen.

Maschinen werden generalüberholt

Die Ju-Air habe die zusätzliche Untersuchungszeit dazu genutzt, die Generalüberholung der HB-HOS zu beginnen. Bis zur Wiederaufnahme des Flugbetriebs werde sie eine neue elektrische Verkabelung, ein überarbeitetes Cockpit, ein erneuertes Treibstoffsystem und eine neue Kabine erhalten. Im Jahr 2020 werde die Maschine dann in ihre Baugruppen zerlegt und die Flügel würden bei einem Spezialunternehmen generalüberholt.

Bei der Schwestermaschine HB-HOP werde dieses Prozedere bereits in diesem Sommer durchgeführt; sie sei schon im vergangenen November demontiert worden. Bis in einem Jahr werde sie wieder einsatztauglich sein und den Flugbetrieb 2020 sicherstellen.

Die zehn Jahre jüngere HB-HOY, ein Casa-Lizenzbau aus dem Jahr 1949, bleibe bis auf weiteres in Mönchengladbach (D) ausgestellt und werde vorerst nicht geflogen. Vertragliche Vereinbarungen liessen einen Abzug der jüngsten Maschine der Ju-Air im Moment nicht zu. Sobald die HB-HOY in die Schweiz geholt werden könne, werde auch sie generalüberholt.

Die Generalüberholung der drei Maschinen stehe in keinem direkten Zusammenhang mit dem Absturz der HB-HOT im vergangenen August, betont die Ju-Air. Sie sei eine Investition in die Sicherheit und die Werterhaltung der Flugzeuge. Die Tragödie und die darauf entstandene Unsicherheit über Ursachen und behauptete Mängel am Unfallflugzeug hätten die Ju-Air aber veranlasst, die drei Flugzeuge umfassend zu überholen. (sda/jaw)

Diese Defizite deckt der Ju-Air-Bericht auf

Video: srf

Die Geschichte der «Tante Ju»

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Die Geschichte der «Tante Ju»
Am Piz Segnas oberhalb von Flims in Graubünden ist am 4. August 2018 ein mehrplätziges Flugzeug abgestürzt. Beim Flugzeugtyp handelt es sich um eine Junkers Ju-52, ein Oldtimer, der in den 1930er in Deutschland entwickelt und bis Anfang der 1950er Jahre gebaut wurde. (Bild: ju-air.ch)
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16 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Cosmopolitikus
12.03.2019 10:40registriert August 2018
Mich würde eine Präzisierung zu der vom BAZL gemachten Äusserung (Erfüllung der heutigen Sicherheitsanforderungen) interessieren.
Welche exakten Sicherheitsanforderungen wurden nicht eingehalten?
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Sherlock_Holmes
12.03.2019 11:08registriert September 2015
Das wird finanziell schwierig werden.
Ich sehe das durch meine Mitgliedschaft bei der SCFA.
Der Aufwand an Unterhalt und Kosten der ungleich viel komplexeren Lockheed Super Constellation ist riesig.
So müssen nun beide Flügel komplett saniert werden – was praktisch einem Neubau gleich kommt, technisch machbar ist, aber voraussichtlich vier Jahre in Anspruch nehmen und 15-20 Mio kosten wird.
Mindestens so wichtig ist die langjährige Zusammenarbeit mit dem BAZL und kompetenten Firmen.
Die Ju-Air muss dies aufbauen.
Hoffentlich werden die einmaligen Zeitzeugen der Luftfahrt wieder fliegen können.
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Score
12.03.2019 10:04registriert Mai 2017
Ich hoffe die Tante Ju kann bald wieder fliegen... Es fehlt einfach was wenn sie nicht über uns hinweg tuckert... Mein kleiner fing gleich an zu weinen als ich ihm sagte dass die Tante Ju nicht mehr fliegen darf. Natürlich versteht er die Zusammenhänge noch nicht :-)
Finde es gut das man noch genauer hinschaut. Aber ein Oldtimer bleibt immer auch ein Oldtimer und wird nie gleich sicher sein wie ein Modernes Flugzeug. Das ist auch bei den Autos so. Von daher hoffe ich auf gesundes Augenmass (zumal ja nicht Technische Mängel zum Absturz geführt haben)
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