Das Parlament kehrt zur Normalität zurück. Ab kommenden Dienstag treffen sich National- und Ständeräte zur Sommersession. Sie wird erneut in der BernExpo statt im Bundeshaus stattfinden, auf der Traktandenliste stehen jedoch auch Themen, die nichts mit der Coronakrise zu tun haben.
Neben diversen Vorstössen werden vor allem vier Themen zu reden geben – entweder, weil sie zeitlich drängen wie die Überbrückungsrente oder die Konzernverantwortungs-Initiative. Oder aber, weil sie sich politisch aufdrängen, wie die Diskussion über das neue CO2-Gesetz oder die Ehe für alle.
Worum es bei diesen Vorstössen geht und was davor passiert ist, erklärt in vier Punkten:
Das wohl zeitlich dringendste Geschäft der Sommersession ist der Streit über die Überbrückungsrente. Sie wurde letztes Jahr vom Bundesrat vorgeschlagen, damit ältere Arbeitslose nach dem 60. Altersjahr nicht aus dem sozialen Auffangnetz fallen, weil sie vermehrt keine Stelle mehr finden.
Der Bundesrat und die Befürworter wollen diese Überbrückungsrente als Argument gegen die Begrenzungsinitiative der SVP nutzen, die erst im September nach coronabedingter Verschiebung zur Abstimmung kommt. Es dürfte in ihrem Interesse liegen, die Vorlage noch vor dem September zu bereinigen und zu beschliessen.
Noch gibt es aber einige Differenzen zwischen National- und Ständerat. Sie sind sich Stand heute uneinig, wie hoch diese Rente maximal sein soll und ob Krankheits- und Behinderungskosten gedeckten werden sollen.
Besonders umstritten dürfte auch die Vorlage für ein neues CO2-Gesetz sein. Dieses steht nämlich noch nirgends: 2017 veröffentlichte der Bundesrat seinen Entwurf für dieses Gesetz, um das Pariser Klimaübereinkommen umsetzen zu können. Ein Jahr später kübelte der Nationalrat den Entwurf, in dem er nach über zehn Stunden Debatte die Gesamtabstimmung ablehnte. Den Linken war es zu verwässert, die SVP war von Anfang an dagegen.
Nun gibt's einen neuen Anlauf, nachdem die Vorlage den Ständerat passierte. Der Nationalrat wird in der Sommersession am Montag, 8. Juni diverse Detailfragen klären: Erwartet wird erneut eine «Monsterdebatte», bereits heute sind über 50 Anträge aufgelistet, der Beratungsleitfaden zählt über 110 Seiten.
Zur Diskussion stehen etwa die Flugticketabgabe, Innovationen im Airline-Sektor, Nachtzugs-Förderung, Gebäude-Sanierungen oder Zielwerte für Fahrzeuge.
Wäre der GLP-Vorstoss «Ehe für alle» ein Mensch, dann käme er diesen Sommer wohl in die erste Klasse. Fast auf den Tag genau 6½ Jahre steht die Forderung nach der Anerkennung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare im Bundeshaus in der Schwebe. Nun wird die Forderung erstmals im Nationalrat beraten.
Der Antrag, der auf dem Tisch liegt, fordert die Öffnung der Ehe und der eingetragenen Partnerschaft für sämtliche volljährige und urteilsfähige Paare – unabhängig ihrer sexuellen Orientierung. Das Päckli wird grossmehrheitlich befürwortet, einen Antrag will die Gesetzesänderung komplett fallen lassen.
Diskussionen wird es bei der Samenspende geben. Sie war bislang gesetzlich verboten und spielte sich im Graumarkt ab. Der ursprüngliche Entwurf wollte dies für weibliche Ehepaare legalisieren. Diese Forderung verschwand aber aus dem Gesetzesentwurf, um die Vorlage «mehrheitsfähig» zu machen.
Ein weiteres Grossprojekt der Sommersession wird die Klärung des indirekten Gegenvorschlags zur Konzernverantwortungs-Initiative (kurz: «Kovi») sein. Die Initiative fordert, das Schweizer Unternehmen regelmässig überprüfen müssen, welche Auswirkungen ihre Handlungen auf Menschenrechte und Umwelt haben. Unternehmen sollten für die Schäden aufkommen müssen, selbst wenn diese von einer Tochtergesellschaft im Ausland verursacht wurden.
Dem Bundesrat und dem Parlament geht das zu weit. Das ist auch der einzige gemeinsame Nenner. Zwischen National- und Ständerat wird seit zwei Jahren gestritten, was der indirekte Gegenvorschlag festlegen soll: Sollen Firmen für ihre Handlungen im Ausland haften oder nur Transparenzberichte schreiben müssen?
Der Streit ist so festgefahren, dass es in der Sommersession zu einer sogenannten «Einigungskonferenz» kommen könnte, die nach einem Kompromiss suchen muss. Das Initiativskomitee lobbyierte kurz vor der Session für ihr Anliegen mit einer selbst in Auftrag gegebenen Stimmungsumfrage: Darin sollen sich 78 Prozent der Befragten für oder eher für die Initiative ausgesprochen haben.
Ob ein indirekter Gegenentwurf gelingt, ist Stand heute unklar. Klar ist nur, dass Zeitdruck herrscht: Die Volksinitiative muss bis am 21. Juni fertig beraten werden – so fordern es die gesetzlichen Fristen.
Laut eigenen Aussagen wollen sie ersteres werden, dies wird zeigen, ob ihre eigenen Parlamentarier auch so denken.