Der SBB-Verwaltungsrat hat seine Aufsichtspflicht schwer verletzt. Zu diesem Schluss kommt die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats (GPK) im Zusammenhang mit dem Angola-Mandat von SBB-Präsidentin Monika Ribar.
Zum Zeitpunkt ihrer Wahl an die SBB-Spitze im Januar 2016 sass Ribar im Verwaltungsrat der Offshore-Gesellschaft Capoinvest Limited. Das Unternehmen steht hinter dem Bau eines Tiefseehafens in Angola. Mehrheitsaktionär ist der wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung verurteilte Schweiz-Angolaner Jean-Claude Bastos.
Bei ihrer Bewerbung um das SBB-Präsidium hatte Ribar das heikle Mandat nicht deklariert - nach eigenen Angaben hatte sie es vergessen. Weder der SBB-Verwaltungsrat noch der Bundesrat als Wahlbehörde waren über das Capoinvest-Mandat der damaligen Vizepräsidentin im Bild. Ribar informierte den Verwaltungsrat erst nach ihrer Wahl. Wenige Tage vor Amtsantritt als Präsidentin im Juni 2016 legte sie das Mandat dann nieder.
Nach der Enthüllung der Paradise Papers im November 2017 nahm sich die GPK des Falls an. In ihrem am Donnerstag veröffentlichten Bericht stellt sie sowohl dem Bundesrat als auch dem SBB-Verwaltungsrat ein schlechtes Zeugnis aus.
Zwar verfügt die SBB über einen internen Ausschuss zur Überwachung von Interessenbindungen. Dieser hatte aber während dreier Jahre nicht getagt - entgegen dem einschlägigen internen Reglement. Die Aufsichtskommission kommt zum Schluss, dass der Verwaltungsrat seine aktienrechtliche Aufsichtspflicht damit «schwer verletzt hat».
Der SBB-Geschäftsbericht 2015 weist den früheren SBB-Präsidenten Ulrich Gygi und die damalige Vizepräsidentin Monika Ribar als einzige Mitglieder des Ausschusses aus. Ab Mitte Juni 2016 setzte sich das Gremium aus Ribar und dem neuen Vizepräsidenten Peter Siegenthaler zusammen. Ribar hatte es also versäumt, sich selber zu überwachen.
Die im damals geltenden Verhaltenskodex vorgesehene Selbstdeklaration hatte sie unterlassen. Gemäss einem Schreiben des SBB-Verwaltungsrats beurteilte sie Capoinvest als «nicht bedeutende Gesellschaft und damit das Mandat als nicht wesentlich», wie es im Bericht der GPK heisst.
Aus diesem Grund konnte der Verwaltungsrat dem Bundesrat das Mandat nicht mitteilen, obwohl sich das zuständige Verkehrsdepartement UVEK vor Ribars Wahl ausdrücklich nach den Interessenbindungen erkundigt hatte. Nach ihrer Wahl informierte Ribar zunächst nur den Sekretär des Verwaltungsrats über das Capoinvest-Mandat, weshalb dieses im Geschäftsbericht 2015 auftaucht. Weder der Verwaltungsrat noch der Bundesrat gingen jedoch darauf ein.
Bis Ende 2017 mussten Mitglieder des SBB-Verwaltungsrats Mandate nach eigenem Ermessen selber deklarieren. Die GPK sieht in der ausgebliebenen Deklaration des Capoinvest-Mandats denn auch keinen Gesetzesverstoss. Ein System, das keine systematische Analyse der Mandate vorsah, sei aber nicht angemessen, heisst es im Bericht. Darin stellt die GPK auch fest, dass die SBB ihre internen Vorschriften inzwischen angepasst hat. Damit sollten ähnliche Situationen künftig vermieden werden können, schreibt sie im Bericht.
Auch der Bundesrat kommt im Bericht schlecht weg. Als Eigner besitzt er grossen Einfluss auf das Unternehmen. Diesen Spielraum hat er nach Ansicht der SBB in Sachen Interessenbindungen zu wenig genutzt. Die Hauptverantwortung liege zwar beim SBB-Verwaltungsrat, der Bund sei aber «mitverantwortlich».
Die GPK fordert den Bundesrat auf, ein System einzuführen, um solche Fälle künftig zu vermeiden. Verwaltungsratsmitglieder sowie Kandidatinnen und Kandidaten für ein solches Amt sollen sämtliche Mandate unverzüglich melden müssen. Der Verwaltungsrat bundesnaher Unternehmen soll das zuständige Departement laufend über neue Mandate und über die Tätigkeit verschiedener Ausschüsse informieren.
Der Bundesrat hat nun bis am 26. Oktober Zeit, zum Bericht der GPK Stellung zu nehmen. (sda)