Erwartet wurde ein weiteres mutloses «Ja, aber». Dann aber entschied sich die FDP-Fraktion am letzten Samstag für ein «Ja aus Vernunft» zum institutionellen Abkommen (InstA) mit der EU. Der Entscheid kam nicht ohne Nebengeräusche zustande. Die Parteispitze wollte offenbar tatsächlich auf die Bremse treten, und jungfreisinnige Heisssporne liessen in den sozialen Medien Dampf ab.
Am Ende aber sagte die Bundeshausfraktion nach einer «intensiven, sachlichen Diskussion», in der sich nicht zuletzt der zuständige Aussenminister Ignazio Cassis ins Zeug legte, unerwartet deutlich Ja zum ausgehandelten Vertragstext. Sie forderte Präzisierungen zu einzelnen Punkten wie Unionsbürgerrichtlinie, Lohnschutz und Guillotine-Klausel, aber keine Nachverhandlungen.
Das InstA schaffe Rechtssicherheit und garantiere «den enorm wichtigen Fortbestand und die Entwicklung des bilateralen Weges», begründete Fraktionschef Beat Walti den Entscheid auf Anfrage. Das Ja der FDP sorgt bei den Befürwortern des Rahmenabkommens für Erleichterung. Seit dem Nicht-Entscheid des Bundesrats Anfang Dezember befanden sie sich in der Defensive.
Die bisherige Debatte wurde durch kritische bis ablehnende Stimmen geprägt. Das InstA galt als so gut wie tot. Erst in letzter Zeit haben die Befürworter ihre Anstrengungen verstärkt, sich Gehör zu verschaffen, besonders jene aus der Wirtschaft. Für exportorientierte Branchen wie Pharma und Maschinenindustrie ist ein geregelter Zugang zum europäischen Markt unverzichtbar.
Nun erhoffen sie sich weiteren Auftrieb durch das Votum der Freisinnigen. «Es ist sehr positiv, wenn eine staatstragende Partei wie die FDP eine solche Entscheidung fällt. Sie strahlt auf die Politik aus und ist ein Signal an die Bevölkerung», sagt Jan Atteslander, der als Leiter Aussenwirtschaft das Europadossier beim Dachverband Economiesuisse betreut.
Das Ja der FDP könnte einer Idee Schub verleihen, die in «europhilen» Kreisen kursiert: Eine Art «Allianz der Vernunft» aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, in der die Befürworter des Abkommens ihre Kräfte bündeln, um den Druck auf Bundesrat und Parlament zu erhöhen. Das Problem bislang war, dass die Politik nur durch die beiden «Leichtgewichte» BDP und GLP vertreten war.
Ein Einbezug der Bundesrats- und Wirtschaftspartei FDP würde einer Allianz Qualität und Glaubwürdigkeit verleihen. GLP-Fraktionschefin Tiana Angelina Moser äussert sich grundsätzlich positiv zu dieser Idee. Als mögliche Teilnehmer nennt die Zürcher Nationalrätin neben Parteien und Wirtschaftsverbänden auch Vertreter von Forschung und Kultur.
Ein weiterer Kandidat ist die Operation Libero. Co-Präsidentin Laura Zimmermann ist offen für die Idee, die proeuropäischen Kräfte zu konzentrieren. Im Januar war sie in der SRF-«Rundschau» als eine Art hoffnungsloser Euroturbo porträtiert worden. «Nun kommt Bewegung in die Sache», freut sich Zimmermann. Das Ja der FDP sei «extrem wichtig», es komme «zum richtigen Zeitpunkt».
Noch ist eine solche «Allianz der Vernunft» nicht mehr als ein Gedankenexperiment. Bei der praktischen Umsetzung stellen sich verschiedene Fragen: Wie formiert sich ein solches Bündnis? Gibt es einen gemeinsamen öffentlichen Auftritt und eine gemeinsame Kampagne? Für Tiana Moser stellt sich zuerst eine Frage: «Wie steht es um die Mehrheitsfähigkeit im Parlament?»
Sie ist bislang die Achillesferse der InstA-Befürworter. Selbst mit den Freisinnigen sind BDP und Grünliberale weit von einer Mehrheit entfernt. Bei der SVP ist ohnehin nichts zu holen. Überzeugt werden müssten die CVP, die bislang weder Ja noch Nein, sondern nur Aber sagt, und vor allem die Linke, bei der die eisernen Verteidiger der Lohnschutz-Massnahmen den Ton angeben.
Man werde in der nächste Woche beginnenden Frühjahrssession das Gespräch mit anderen Parteien suchen, verspricht die Fraktionschefin der Grünliberalen. Dabei wolle man nicht zuletzt herausfinden, ob die FDP das Rahmenabkommen ernsthaft vorantreiben will «oder weiter mit angezogener Handbremse unterwegs ist», sagt Moser.
FDP-Kollege Beat Walti zeigt sich offen. Man werde «Gespräche mit verbündeten Akteuren führen, damit wir bei Bedarf Mehrheiten schaffen können und in diesem konkreten Fall, damit die Schweiz den erfolgreichen bilateralen Weg weitergehen kann», schreibt er auf Anfrage. Dabei werde die FDP auch analysieren, «wann welche Allianzen das richtig Mittel sind, dieses Ziel zu erreichen».
Die Zeit drängt, denn der Bundesrat will die Konsultation zum InstA im März abschliessen. «Die nächsten vier, fünf Wochen werden ganz wichtig», meint Jan Atteslander von Economiesuisse. Die Grundlage für einen Zusammenschluss der konstruktiven Kräfte sei vorhanden: «Es gibt eine starke Gemeinsamkeit von ganz unterschiedlichen Gruppierungen, die für unser Land eine gute, vernünftige Position in Europa anstreben.»
Dazu gehören die Grünliberalen. «Das nun vorliegende Rahmenabkommen ist der richtige Weg zur Stabilisierung und Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen», ist Tiana Moser überzeugt. Eine Allianz der Befürworter könnte die Schlagkraft dieses Arguments wesentlich erhöhen.