Das Dokument trägt einen hippen Namen: InstA. Mit Social Media aber hat die Bezeichnung nichts zu tun. Sie steht für das institutionelle Abkommen der Schweiz mit der Europäischen Union. Der Bundesrat hat das umstrittene Vertragswerk am Freitag veröffentlicht. Wie erwartet konnte er sich weder zu einer Zustimmung noch zu einer Ablehnung durchringen. Vielmehr spielt er auf Zeit.
Entscheiden will der Bundesrat erst, nachdem «die betroffenen Kreise» zum Verhandlungsresultat «konsultiert» wurden, heisst es etwas kryptisch in einer vom Aussendepartement EDA verschickten Zusammenfassung. Gleichzeitig hält das Papier klar fest, dass die EU «nicht bereit ist, die Verhandlungen fortzusetzen». Bei einem Scheitern käme es wohl zu einem totalen Neuanfang.
Was aber steht im Abkommen konkret? Das sind die fünf wichtigsten Punkte:
Das InstA beschränkt sich auf die fünf bestehenden Zugangsabkommen zum EU-Binnenmarkt: Personenfreizügigkeit, Landverkehr, Luftverkehr, technische Handelshemmnisse sowie Landwirtschaft. Das Freihandelsabkommen von 1972 und das Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen konnte die Schweiz wie erhofft ausklammern.
Womöglich ist das nur ein Erfolg auf Zeit. Laut dem EDA haben sich beide Seiten bereit erklärt, Verhandlungen über die Modernisierung dieser beiden Abkommen aufzunehmen. Eine Unterstellung unter das InstA werde damit nicht präjudiziert, beschwichtigt das EDA. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass eine Modernisierung dazu führen wird.
Eine automatische Übernahme von neuem EU-Recht konnte die Schweiz abwenden. Sie kann über jede Anpassung einzeln entscheiden, Referendumsrecht inbegriffen. Falls die Schweiz nicht bereit ist, eine Weiterentwicklung zu übernehmen, kann die EU das Verfahren zur Streitbeilegung mit einem paritätischen, also gleichwertig zusammengesetzten Schiedsgericht einleiten.
Dieses entscheidet gestützt auf die Auslegung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), was manche hiesige Souveränitätswächter provozieren dürfte. Gleiches gilt für die Massnahmen, wenn eine Partei das Urteil nicht umsetzen will. Die andere Seite kann in diesem Fall «Ausgleichsmassnahmen» (=Sanktionen) ergreifen, die «verhältnismässig» sein müssen.
Die Schutzmassnahmen gegen Lohndumping wurden von den Gewerkschaften zur «roten Linie» erklärt. Brüssel aber blieb ebenfalls pickelhart. Ein Verhandlungsresultat ohne Behandlung dieser Frage sei «nicht möglich» gewesen, räumt das EDA ein. Die EU schlägt vor, dass die Schweiz ihre Durchsetzungsrichtlinie und die dieses Jahr revidierte Entsenderichtlinie übernimmt.
Einige flankierende Massnahmen konnte die Schweiz gemäss dem EDA-Papier in abgeschwächter Form retten: Die Voranmeldefrist wird von heute acht Kalendertagen auf vier Arbeitstage reduziert, «auf der Basis von Risikoanalysen». Die Kautionspflicht gilt nur bei Akteuren, die «finanziellen Verpflichtungen nicht nachgekommen sind». Weiter akzeptiert die EU eine Dokumentationspflicht für Selbständige.
Die UBRL hat in der Schweiz in letzter Zeit für Aufregung gesorgt, war für die EU aber nie ein grosses Thema. Sie betrachtet die Richtlinie als Weiterentwicklung der Personenfreizügigkeit. Die Schweiz stört sich insbesondere am Ausbau der Sozialhilfeansprüche, der Einschränkung von Ausschaffungen und einem Daueraufenthaltsrecht für EU-Bürger ab fünf Jahren Aufenthalt.
Im Entwurf des InstA wird die Richtlinie nicht erwähnt, der Schweiz wird aber auch «keine explizite Ausnahme zugestanden». Eine konkrete Frist zur Übernahme der UBRL konnte die Schweiz damit abwenden, doch es ist durchaus möglich, dass sie irgendwann eingeführt werden muss, etwa wenn das Schiedsgericht im Rahmen der Streitbeilegung gegen die Schweiz entscheidet.
Das institutionelle Abkommen kann mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden. Die fünf davon abgedeckten Marktzugangsabkommen werden in diesem Fall nicht direkt hinfällig. Vielmehr tritt ein Konsultationsprozess von drei Monaten in Kraft. Ohne Einigung aber treten sie innerhalb von sechs Monaten ausser Kraft, was faktisch einer Guillotineklausel entspricht.
Das Abkommen enthält weitere Punkte. Bei den ebenfalls umstrittenen staatlichen Beihilfen konnte die Schweiz die Bestimmungen auf «nicht direkt anwendbare Grundsätze» beschränken, was immer das heissen mag. Sie muss deren Überwachung aber an die Vorgaben der EU anpassen. Ausserdem konnten Ausnahmen wie die 40-Tonnen-Limite für Lastwagen oder das Verbot von internationalen Tiertransporten auf der Strasse in das Abkommen aufgenommen werden.
Gleichzeitig warnt das EDA ausdrücklich vor negativen Konsequenzen, falls die Schweiz das Verhandlungsergebnis zurückweist. Dazu gehören der Abbruch von Verhandlungen in sektoriellen Dossiers wie Strom, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, die Nichtanerkennung der Schweizer Börsenregulierung sowie eine «Erosion des bestehenden Marktzugangs».
Wenn man die Verhandlungen der letzten Monate verfolgt hat, muss man feststellen, dass die Schweizer Unterhändler in Brüssel wohl das Maximum herausgeholt haben. Von einem durchschlagenden Erfolg aber kann man nicht sprechen. In der vorliegenden Form dürfte das InstA chancenlos sein. Ob in Zukunft eine bessere Lösung möglich ist, ist zweifelhaft.