Wer sich aus Notwehr gegen Einbrecher in der eigenen Wohnung wehrt, soll nicht automatisch schuldlos bleiben, wenn diese Notwehr die Grenzen überschreitet. Der Nationalrat hat am Dienstag eine parlamentarische Initiative mit diesem Ziel verworfen.
Aus Notwehr handelt gemäss dem Strafgesuch, wer ohne Recht angegriffen wird oder durch einen Angriff unmittelbar bedroht ist und sich in angemessener Weise verteidigt. Handeln Bedrohte in entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung, ist Notwehr auch straffrei, wenn sie die Grenzen überschreitet.
Die parlamentarische Initiative von Lorenzo Quadri (Lega/TI) verlangte, dass durch das Eindringen in private Wohnräume die Aufregung der Eigentümer respektive Mieter entschuldbar ist und eine Bestürzung vermutet wird. Die grosse Kammer lehnte das Begehren mit 117 zu 70 Stimmen ab. Damit ist die Initiative erledigt.
Gewaltsame Überfälle auf Menschen im eigenen Heim kämen nicht nur in Nachbarländern, sondern auch in der Schweiz vor, argumentiert Quadri. Banden suchten sich namentlich in Grenzkantonen Opfer, und die Polizei könne nie rechtzeitig zum Helfen vor Ort sein. Deshalb müssten Opfer mit Waffen rasch reagieren können.
Das Strafgesetzbuch sehe die Selbstverteidigung zwar vor. Menschen, die sich wehren, sind laut Quadri «zermürbenden Gerichtsverfahren» ausgesetzt. Eine Anpassung verlangt Quadri auch bei der Beweislast: Opfer sollen nicht mehr beweisen müssen, dass sie die Grenzen der Notwehr nicht eingehalten haben.
Die Mehrheit der Rechtskommission sah indes keinen Bedarf, das Strafgesetzbuch anzupassen. Sie warnte vor grossen Gefahren, etwa weil die Initiative als Anreiz zum Selbstschutz verstanden werden könnte oder weil das Notwehrrecht vermehrt missbraucht werden könnte.
Erweiterungen des Rechts auf Notwehr hätten in anderen Ländern zu einer Zunahme von Unfällen und auch von Waffengewalt geführt, argumentierte Sibel Arslan (Grüne/BS) im Namen der Kommission. Die USA hätten mit der «Stand your ground»-Regel schlechte Erfahrungen gemacht.
Eine Minderheit unterstützte die Initiative. In der Schweiz herrsche zwar noch kein Notstand, fand sie. Doch es sollte proaktiv gesetzliche Grundlagen geschaffen werden. Ein Angriff in der eigenen Wohnung sei besonders traumatisch und rechtfertige deshalb einen besonderen Schutz. (whr/sda)