«Frau Bundespräsidentin, Sie waren letzte Woche in Lateinamerika, diese Woche in Kroatien und nun stehen sie hier, im Leutschenbach. (...) Energiesparen, das sieht anders aus», mit diesen direkten Worten hiess Projer-Stellvertreter Mario Grossniklaus Doris Leuthard in der gestrigen «Arena» willkommen.
Und in der Tat, das Thema ist eines, das uns in die ungemütliche Situation bringt, unseren Ressourcenverbrauch zu hinterfragen. Es ist auch ein Thema, das Erinnerungen an die Reaktorkatastrophe von Fukushima weckt.
Das fiel in der «Arena» zur Abstimmung über das Energiegesetz auf.
Vif, dossierfest und voller Enthusiasmus setzte sich die Bundespräsidentin für den ersten Schritt der Energiestrategie 2050 ein. Sie erklärte versiert, wie ein tieferer Energieverbrauch ohne Einschränkungen möglich ist – und ohne Versorgungsengpass. Ihr Hauptgegner: Toni Brunner. Ihm und Irene Aegerter warf Leuthard auch an den Kopf, Szenarien wie «kalt duschen» oder ein Bananen-Verbot seien reine «Angstmacherei».
Mit Leuthard auf einer Seite stand SP-Nationalrat Eric Nussbaumer. Er war der ruhige Pol der Sendung und punktete mit knappen, aber klaren Sätzen wie: «Unsere Atomkraftwerke laufen aus. Die erneuerbaren Energien auszubauen und die Energieeffizienz zu steigern, ist da doch die beste Lösung.» Zudem stellte er trocken fest, dass sich «die Welt am 21. Mai nicht ändern wird». Aber: «Viele Unternehmen wären froh um ein Ja, weil damit ein klarer Entscheid stehen würde.» Komme das Gesetz hingegen nicht durch, würde die Unklarheit Unsicherheit mit sich bringen.
Irene Aegerter ist Präsidentin von Energiesuisse und Physikerin. Dass sie Naturwissenschaftlerin ist, merkte man auf Anhieb, so verstrickte sie sich mehrmals in komplizierte technische Aussagen. Zuweilen wirkte sie gar verwirrt und verlor damit wohl so manchen Zuschauer. Erst gegen Ende der Sendung schaffte sie den Bruch mit dem Berufsjargon – und wurde plötzlich sehr konkret. «Sie bringen einfach Fake News», schimpfte sie in Richtung Leuthard und Nussbaumer, und sorgte damit für Lacher im Studio.
Entgegen der Regel der Abschlussrunde, das Thema der Sendung beiseite zu lassen, liess sich auch Aegerter hier nicht von einer letzten Stichelei in Richtung Ja-Lager abhalten. Sie würde schon mit Herrn Nussbaumer spazieren gehen, so die Physikerin, und zwar um ihn zu überzeugen, gegen diese «Mogelpackung» von Gesetz zu stimmen.
Für SVP-Nationalrat Toni Brunner verlief die Sendung harzig. Nur selten kam er von den allerseits bekannten Argumenten ab, wonach das Gesetz die Schweizer Energie-Abhängigkeit vom Ausland verstärken würde und zu Ressourcenknappheit führen könnte (Stichwort Bananen-Verbot).
Von Moderator Grossniklaus wurde Brunner im Prüfstand wegen einer Grafik aus der Abstimmungszeitung des Nein-Lagers gerügt. Die Energiegesetz-Gegner haben die besagte Grafik kurzerhand mit unvollständigen Daten erstellt, damit sie ihre These besser stützt (s. Video). Die Grafik zeigt, wie der Energieverbrauch von 1910 bis 2010 stetig anstieg. Was darauf nicht ersichtlich ist: Seit 2010 ist der Energieverbrauch im Sinkflug. Die entsprechenden Daten liegen vor, und so liege es auf der Hand, so Grossniklaus, dass das Nein-Komitee damit «nichts anderes machen wollte, als die Stimmbürger zu täuschen.»
Brunner versuchte sich auch als Umweltfreund. Es werde Werbung gemacht für Wind- und Sonnenenergie, die aber keinen gleichmässigen Strom lieferten, so der SVP-Politiker. «Darum braucht es parallel dazu Kohle- und Gas-Kombi-Kraftwerke.» Leuthard kommentierte spitzzüngig: «Herr Brunner hat ja leider das Klimaabkommen im Nationalrat abgelehnt.»
Gegen Ende der Sendung versuchte es Brunner mit Humor. Als Grossniklaus ankündete, er habe vor bei ihm vorbeizugehen, um zu schauen, mit wie viel Grad er dusche, entgegnete der Politiker: «Wenn ich kalt duschen muss, wird es nicht mehr viel zu sehen geben.»
Völlig uneins bei dem Thema sind sich die zwei Economiesuisse-Vorstandsmitglieder Ruedi Noser (auch Zürcher FDP-Ständerat) und Silvio Ponti (Präsident Swiss Plastics). Noser vom Pro-Lager zeigte sich pragmatisch: «Mit dem Energiegesetz löst man nicht alle Probleme, aber man löst sicher bedeutend mehr Probleme als mit einem Nein.» Eine Versorgungslücke bestehe vielmehr, wenn das Gesetz am 21. Mai abgelehnt werde.
Sein Kollege Ponti ist da ganz anderer Meinung: «Die Versorgungssicherheit ist eben nicht gewährt. Wird das Gesetz akzeptiert, werden wir noch stärker auf den Import von Energien angewiesen sein.» Warum er glaubt, dass die Versorgungssicherheit nicht gewährt ist, wurde leider auch später nicht klar, als Moderator Grossniklaus nachhakte.
Wird ein Durchschnittshaushalt (vier Personen) mit dem Energiegesetz nun 40 oder 3200 Franken pro Jahr mehr zahlen müssen? Diese Zahlen wurden bereits im Vorfeld zur «Arena» rege diskutiert, in der Sendung kamen sie auch wieder zur Sprache.
Fakt ist: Das Pro-Lager um Leuthard berücksichtigt nur Kosten, die die Vorlage vorsieht.
Die Gegner jedoch rechnen eine mögliche zweite Phase der Energiestrategie 2050 ein und kommen so auf die massiv höhere Zahl. Toni Brunner: «Wir sprechen ja von einer Strategie. Das hier ist jetzt die erste Etappe davon. Aber man muss der Bevölkerung reinen Wein einschenken und ihnen sagen, was noch kommen wird.»
Das Fazit der Sendung: In der Energiestrategie-«Arena» gab es keinen Schlagabtausch auf Augenhöhe. Die Gegner des Energiegesetzes schafften es nicht, ihre Argumente gegen das erste Paket der Energiestrategie nachvollziehbar vorzutragen. Auch Alternativen brachten sie keine auf den Tisch. Es empfiehlt sich sicherlich, das rote Abstimmungsbüchlein noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Und dies vor dem 21. Mai.