Im Prozess um einen spektakulären Überfall auf eine Hanfplantage in Altstätten SG hat der Verteidiger des Hauptangeklagten am Donnerstag eine Freiheitsstrafe von höchstens fünf bis sieben Jahren verlangt. Der Mann habe niemanden ernsthaft verletzen oder gar töten wollen.
Dem einschlägig vorbestraften Zürcher werden versuchte vorsätzliche Tötung, Raub, Freiheitsberaubung und weitere Delikte vorgeworfen. Der heute 40-Jährige hatte beim Überfall auf eine Indoor-Hanfplantage in Altstätten SG im Februar 2015 mit einer «Pump Gun» (Schrotflinte) auf zwei Bewacher der Hanfanlage geschossen.
Zuerst fesselten die Angreifer ihre Opfer. Als sie realisierten, dass die beiden Männer schwer verletzt waren, flüchteten sie. Mit dem gestohlenen Handy eines Opfers rief einer die Ambulanz. Ein Bewacher wurde beim Überfall lebensgefährlich verletzt und hat irreparable Schäden. Der andere Mann wurde schwer verletzt und ist laut dem Opfervertreter seit dem Überfall stark traumatisiert.
Der Hauptangeklagte bestreitet die Schüsse nicht und übernimmt die alleinige Verantwortung dafür. Er sei jedoch überzeugt gewesen, dass er Gummigeschosse in seine Schrotflinte geladen hatte, sagte sein Verteidiger am Donnerstag vor Gericht. Der Angeklagte habe die Bewacher der Hanfanlage damit ausser Gefecht setzen wollen. «Er wollte niemanden ernsthaft verletzen oder gar töten. Dass er scharfe Munition geladen hatte, war ein verhängnisvoller Irrtum.»
Deshalb dürfe der Beschuldigte nicht wegen versuchter vorsätzlicher Tötung verurteilt werden, sondern lediglich wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung. Dafür und für die weiteren Delikte sei eine Freiheitsstrafe von fünf bis sieben Jahren genug.
Der Staatsanwalt fordert eine Freiheitsstrafe von elf Jahren. Eine Verwechslung von Patronen, wie der Angeklagte geltend mache, sei höchst unwahrscheinlich. Ausserdem hätten aus der kurzen Distanz sogar Gummigeschosse lebensgefährlich sein können.
Der 40-Jährige ist mehrfach vorbestraft. Er war vor knapp 20 Jahren beim spektakulären Raubüberfall auf die Fraumünster-Post in Zürich dabei. 53 Millionen Franken erbeuteten die sieben Täter, die nur mit Spielzeugpistolen bewaffnet waren, damals. Die Täter wurden gefasst, der grosse Teil der Beute blieb jedoch verschwunden.
Gemäss einem Gutachten besteht beim Angeklagten wegen einer Persönlichkeitsstörung grosse Rückfallgefahr. Der Staatsanwalt beantragte daher zusätzlich zur elfjährigen Freiheitsstrafe eine stationäre therapeutische Massnahme.
Das Image als Gentleman-Räuber habe den Beschuldigten seit dem Postraub verfolgt und es sei ihm nie gelungen, den kriminellen Kreisen den Rücken zu kehren, sagte der Verteidiger. Nach dem verhängnisvollen Überfall auf die Hanfplantage sei er erneut in die Kokain-Sucht und in die Beschaffungs-Kriminalität geraten. Der Familienvater wolle nach dem Strafvollzug ein neues Leben beginnen. Eine stationäre Massnahme würde dies verunmöglichen.
Für fünf weitere Beteiligte am Überfall in Altstätten fordert die Anklage Freiheitsstrafen von knapp drei bis zu vier Jahren. Ihre Verteidiger verlangen tiefere Strafen. Das Kreisgericht Rheintal verhandelt den Fall in den Räumen des Kantonsgerichts in St.Gallen. Der Prozess wird kommende Woche fortgesetzt. (whr/sda)