Plötzlich waren sie überall: die gelb-grauen Fahrräder des Start-Ups O-Bike sind seit Anfang Juli an jeder Zürcher Strassenecke zu sehen. Nun erhalten die grellen Velos möglicherweise bald Konkurrenz der schnellen Sorte: Das Zürcher Tiefbaudepartement unter der Leitung von Filippo Leutenegger (FDP) prüft derzeit Anfragen von Firmen, die E-Roller im Sharing-System anbieten möchten.
«Die Stadt Zürich hat zwei Anfragen von E-Scooter-Anbietern für ein ‹Free-Floating-Sharing› im Haus. Die Anfragen werden geprüft und es laufen die notwendigen Abklärungen», gab Sprecher Mike Sgier auf Anfrage von watson bekannt. Welche Unternehmen die Anfragen gestellt haben, will das Tiefbauamt nicht sagen. Man sei erst am Anfang der Abklärungen, es könnten deshalb keine weiteren Angaben gemacht werden.
Das Besondere beim sogenannten Free-Floating-Sharing ist: Die Benutzer müssen ihr Velo, Scooter oder Auto nicht an einem fixen Standort zurückgeben, sie können es einfach an ihrem Zielort stehen lassen. Das sorgte bei den O-Bikes kürzlich für Zündstoff. Der Vorwurf: Häufig werden die Fahrräder irgendwo abgestellt oder sie verstopfen die bestehenden Velo-Abstellplätze.
Ähnliches befürchtet der Stadtzürcher GLP-Gemeinderat Sven Sobernheim auch bei einem möglichen E-Scooter-Angebot: «Es gibt in Zürich bereits jetzt einen Mangel an Rollerabstellplätzen. Wo sollen die denn hingestellt werden?» Er sei gegenüber dem Sharing von Stromrollern aber nicht generell negativ eingestellt: «Es käme natürlich auf die Anzahl Fahrzeuge und das Einzugsgebiet an.»
Auch in der Stadt Bern stösst das Thema auf Interesse. Zwar sei derzeit nichts Konkretes geplant, es würden aber diverse Gespräche geführt und der Markt genau beobachtet werden, heisst es auf Anfrage.
Der Kanton Genf seinerseits schmiedet bereits sehr konkrete Pläne: Ein Projekt zur Einführung eines Motorradverleihs, der nach dem Free-Floating-Sharing-Prinzip funktioniert, soll bereits ab Anfang 2018 eingeführt werden, schrieb die Westschweizer Zeitung «20 minutes».
In den europäischen Metropolen sind Sharing-Angebote für E-Scooter auf dem Vormarsch: In Berlin und Paris bieten gleich mehrere Firmen die wendigen Zweiräder zum spontanen Mieten an. Die Werbung der Stromroller zielt dabei klar auf genervte Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel: «Die Stadt ist wieder mal dicht und die Zeit wird knapp? Lieber Fahrtwind im Gesicht als die Achsel vom Typen neben dir?», heisst es bei einem der Anbieter.
Die in Paris und Berlin kurvenden Scooter dürfen 45 Stundenkilometer schnell fahren, der Autoführerschein reicht, um davon Gebrauch zu machen. Vor dem Losrollen ist zunächst aber die Registrierung in einer App nötig. Dabei müssen der gültige Führerschein, ein Personalausweis und eine Kreditkarte vorgewiesen werden. Das Mindestalter ist bei den meisten Anbietern 21. Tankstellen oder längeres Aufladen auf Parkplätzen sind beim Nutzen der E-Roller nicht nötig, die Betreiber tauschen in kurzen Abständen die leeren Akkus gegen volle. Je nach Anbieter liegen ein oder zwei Helme in einer Box oder unter dem Rollersitz.
Im Ausland werden bezüglich der Sicherheit dieser Angebote jedoch kritische Stimmen laut. So sei beispielsweise der Helm nicht auf die Kopfgrösse des Nutzers abgestimmt, was bei einem Unfall schwerwiegende Folgen haben könne. Seitens der Schweizer Stiftung Roadcross zeigt man sich diesbezüglich aber nicht besorgt. Man vertraue der Stadt Zürich, dass sie mögliche Gefahrenquellen mit den Anbieter klären und eine Lösung finden würde. Ausserdem liege es in der Verantwortung der Nutzer, einen Scooter nicht zu benutzen, sollte kein passender Helm verfügbar sein.