Waffenlieferungen in Krisenländer: So reden sich Politiker und Behörden raus
Die Schlagzeilen wiederholen sich im Wochentakt: «Schweizer Waffen in Kriegsgebiet entdeckt!» In den vergangenen Monaten und Jahren gelangten immer wieder Berichte an die Öffentlichkeit, die davon erzählten, wie Waffen aus der Schmiede von Schweizer Rüstungsfirmen über Umwege in die Hände von Terroristen gelangten. Dafür Verantwortung übernehmen will jeweils niemand. Lieber verstecken sich Politiker, Behörden und Waffenhersteller hinter den immer gleichen Argumenten.
Sturmgewehr im Jemen
Am Wochenende wurde publik, dass im Jemenkonflikt Schweizer Waffen zum Einsatz kommen. Ein Foto zeigt saudische Soldaten, die mit Sturmgewehren des Typs 552 posieren. Diese werden laut SonntagsBlick von der Firma Swiss Arms in Neuhausen am Rheinfall hergestellt. Laut Recherchen soll das Foto Ende 2017 in der Provinz Dschazan aufgenommen worden sein. Dort liefert sich die saudische Armee blutige Kämpfe mit den jemenitischen Huthi-Rebellen.
Bei den Waffen handelt es sich laut der Zeitung um eine Spezialausführung des Sturmgewehrs 90, mit dem auch Schweizer Soldaten ausgerüstet sind. Beworben wird die Waffe mit dem Spruch: «Unsere Präzision für den entscheidenden Einsatz.» In die Hände der Saudis kamen die Spezialausführungen des Sturmgewehrs 90 mit einer vom Bund 2006 bewilligten Lieferung von total 106 Sturmgewehren. Dies bestätigen Swiss Arms und das Staatssekretariat für Wirtschaft.
Die Reaktion?
Panzer in Nigeria
Der nigerianischen Armee gelang es im Juli 2016, der Terrorgruppe Boko Haram zahlreiche schwere Waffen abzunehmen – darunter auch einen Panzer des Typs Piranha I 6x6. Laut 20 Minuten stammt dieser aus der Waffenschmiede des Kreuzlinger Rüstungskonzerns Mowag.
Der Radpanzer sei jahrelang in Bekennervideos von Boko Haram aufgetaucht. Der frühere Anführer der Terrorgruppe, Abubakar Shekau, habe sich sogar oft persönlich im Mowag-Panzer durch die Gegend kutschieren lassen.
Das sind die Exportschlager der Schweizer Rüstungsindustrie
Die Mowag bestätigte gegenüber dem Blatt, dass vor rund dreissig Jahren besagte Panzer des Typs Piranha I 6x6 an den nigerianischen Staat geliefert worden sei. Nigeria besitze rund 110 solcher Panzer aus der Schweiz. Mindestens einer davon muss also in die Hände von Boko Haram gefallen sein.
Die Reaktion?
Handgranate in Syrien
Anfang September kursierten in den Medien Bilder des Waffenarsenals von IS-Terroristen in Syrien. Unter den Kriegsmaterialien befanden sich auch Handgranaten des Typs OHG92 und HG85, hergestellt vom Schweizer Rüstungsbetrieb Ruag.
Der SonntagsBlick berichtete, dass im Sommer dieses Jahres eine IS-Schläferzelle in der Nähe der Stadt Aleppo von einer verfeindeten Dschihadistenallianz angegriffen wurde. Die Ausbeute des Angriffs wurde daraufhin fotografiert und ins Netz gestellt. Waffenexperten bestätigten, dass es sich bei den auf den Fotos abgebildeten Handgranaten um ein Schweizer Fabrikat handelt.
Wie die Granaten nach Syrien kamen, ist unklar. Es sei wahrscheinlich, dass die Munition Teil einer Lieferung war, die das Staatssekretariat für Wirtschaft im Jahr 2003 bewilligte, schreibt die Zeitung. Damals habe die Ruag 225'000 Handgranaten an die Armee der Vereinigten Arabischen Emirate verkauft.
Die Reaktion?
Handgranaten in Libyen
Eine Woche später legte der SonntagsBlick nochmals nach und berichtete, dass Schweizer Waffen auch in Libyen zirkulieren. So würden libysche Händler Ruag-Handgranaten des Typs OHG92 über eine Schwarzmarkt-Plattform im Internet verkaufen.
Ebenfalls online feilgeboten worden sei ein Granatwerfer GL06, der hochexplosive Munition abwerfen kann. Laut Recherchen handelt es sich bei diesem Modell um ein Originalprodukt der Thuner Firma Brügger&Thomet AG oder um eine lizenzierte Kopie.
Auch in diesem Fall ist wiederum nicht bekannt, wie die Waffen in das Bürgerkriegsgebiet kamen. Möglich sei, dass die libyschen Milizen die Granaten direkt bei syrischen Terroristen gekauft haben.
Die Reaktion?
Scharfschützengewehre in Indien
Ein Foto eines Polizisten aus der indischen Konfliktregion Mizoram sorgte Anfang Oktober dieses Jahres für Aufregung. In der Hand hielt der Polizist das Schweizer Scharfschützengewehr der Thuner Firma Brügger&Thomet AG. Eine regionale Zeitung berichtete, dies sei ein Teil der ersten Ladung. Insgesamt wolle die Polizei 80 Stück kaufen, «um den wachsenden Terror der Rebellen im Bundesstaat Mizoram zu bekämpfen.»
Wie die Sonntagszeitung schreibt, ist die Waffenlieferung insofern problematisch, als dass die Polizei von Mizoram die Gewehre aus der Schweiz auch zum Grenzschutz nutzen will. Mizoram liegt direkt neben Burma, dem Land aus dem über 900'000 Rohingya flüchteten. Geraten die Flüchtlinge in die Hände von indischen Polizisten, so werden sie unter Zwang und trotz UNO-Kritik zurückgeschafft.