Die Verbände stellten am Dienstag in Bern ihre Forderungen für die Lohnverhandlungen vor. Die stabile Lage der Wirtschaft sei nicht zuletzt dem Einsatz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verdanken, heisst es in der Mitteilung von Travail.Suisse. «Dies gilt es jetzt zu belohnen.» Mehr Kaufkraft für die Angestellten sei nötig und auch aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll.
Die Prognosen sähen für 2016 ein Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent voraus, und es gebe Anzeichen, dass nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses der tiefste Punkt überwunden sei, schrieb Travail.Suisse zu der Forderung. Der Euro-Kurs habe sich bei 1.10 Franken eingependelt. Aus der Industrie kämen vermehrt positive Signale.
Gefordert seien generelle Lohnerhöhungen statt Boni, sagte Gabriel Fischer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travail.Suisse, laut Redetext. «Nur reguläre Erhöhungen garantieren eine nachhaltige Lohnentwicklungen und führen zu einem konsolidierten Rentenanspruch.»
Würden Erhöhungen in übermässigem Umfang individuell gewährt, fehle die Transparenz und es bestehe die Gefahr von Willkür und Missgunst. Ausserdem befürchtet Fischer, dass bei Neueinstellungen systematisch tiefe Löhne bezahlt und dann individuell angepasst werden könnten. Das Nachsehen hätten vor allem langjährige und ältere Angestellte.
Weiter pocht Travail.Suisse auf eine Anhebung der Mindestlöhne. Der Verband verweist dabei auf Prognosen des Staatssekretariates für Wirtschaft (SECO). Demnach sollten die Preise im laufenden Jahr um 0,4 Prozent sinken und erst 2017 wieder in den positiven Bereich steigen.
Höhere Mindestlöhne bewirkten daher ein spürbares Reallohn-Wachstum bei den tiefsten Einkommen. Im Lohnherbst müssen in den Augen von Travail.Suisse deshalb Erhöhungen von orts- und branchenüblichen Mindestlöhnen im Fokus stehen.
Schliesslich fordert der Verband Lohngleichheit für Frauen und Männer. In den Lohnverhandlungen im Herbst müsse «ein sozialpartnerschaftlicher Fokus» auf die Verbesserung von Frauenlöhnen gelegt werden, sagte Fischer.
Eine Forderung hat er auch für das Parlament bereit: Die versprochenen Massnahmen gegen ungleiche Löhne von Männern und Frauen müssten umgesetzt werden. Transparenz in den Unternehmen sei richtig, doch es brauche für den Fall von Diskriminierungen zwingend auch «Massnahmen zur Korrektur oder Sanktionen».
Die Gewerkschaft Syna fordert ab nächstem Jahr 100 Franken mehr Lohn im Monat, mit branchenspezifischen Abstufungen. In über zehn Branchen seien im laufenden Jahr die Löhne nicht erhöht worden, trotz guter Baukonjunktur und entsprechend hohem Arbeitsdruck, sagte Präsident Arno Kerst laut Redetext.
Sorgen bereiten der Syna parlamentarische Vorstösse für die Ausserkraftsetzung der Arbeitszeiterfassung, für «faktisch ganze Branchen oder Angestelltenkategorien», wie Kerst ausführte. Es stelle sich die Frage, was eine Lohnerhöhung nütze, wenn zugleich die vereinbarte Arbeitszeit gegenstandslos werde.
In Lohnverhandlungen und Verhandlungen über Gesamtarbeitsverträge (GAV) will Syna auch das Thema Vaterschaftsurlaub einbringen. Travail.Suisse, die Dachverbände der Männer- und Frauenorganisationen und Pro Familia Schweiz lancierten im Mai eine Volksinitiative für vier Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub. (whr/sda)