Schweiz
Wirtschaft

Das Geschäft mit den sehenden «Blinden»

«Dort arbeiten keine Blinden» – Wie eine Walliser Blindenwerkstatt alle täuscht

03.09.2018, 04:1203.09.2018, 06:32
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Produkte, die von blinden und schwer sehbehinderten Personen hergestellt werden, sind eine gute Sache. Zumindest in der Schweiz sind viele Menschen bereit dafür einen Aufpreis zu zahlen und Blindenwerkstätten zu unterstützen.

Eine davon befindet sich seit 2005 in Brig und beschäftigt angeblich über ein Dutzend Blinde. Gefördert wird das deutsche Unternehmen von der Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenwerkstatt (SBSW) und der Walliser Regierung.

Blindenwerkstatt brig
Das Gebäude der Blindenwerkstatt in Brig und ein Ausriss aus ihrer Image-Broschüre. 

Mit dem Auto zur Arbeit

Wie die Recherche von Blick zeigt, wird aber mächtig geschummelt. Verschlossen sind einzig die Augen der Walliser Aufsichtsbehörde und der SBSW. «In dieser Werkstatt arbeiten keine Blinden – ich selber habe eine leichte Sehschwäche, aber das ist schon alles», zitiert der Blick einen ehemaligen Mitarbeiter. Er habe Besen und Bürsten hergestellt, die dann für einen höheren Preis in den Verkauf gelangten.

Taub und bald auch noch blind

Video: srf/SDA SRF

Ausschlaggebend sei nur, dass man eine Brille benötige – der Grad der Sehschwäche spiele keine Rolle. Ausser einer Person mit einer schweren Sehbehinderung, waren alle anderen Mitarbeiter lediglich Brillenträger – und kamen teilweise mit dem Auto zur Arbeit. 

Produkte importiert

Geschummelt wird auch im Katalog der SBSW bei der korrekten Herkunftsdeklaration. Die meisten Produkte stammen nämlich nicht aus der Werkstatt in Brig, sondern werden vom SBSW aus den Nachbarländern Deutschland oder Österreich importiert. Der unauffällige Hinweis dazu findest sich nur auf der Homepage – nicht aber im Katalog. 

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Vermarktet werden die Produkte durch ein St.Galler Callcenter – und falsch angepriesen. Einem Blick-Mitarbeiter wollte man doch tatsächlich Frotteetücher aus Brig andrehen – doch dort werden gar keine hergestellt. 

Der Personalverantwortliche der genannten Werkstatt bestätigt, dass das Geld im Vordergrund steht. «Produkte, die von Blinden gemacht werden, lassen sich besser verkaufen als Produkte von Menschen mit einer anderen Behinderung», zitiert der Blick. Beim Blindenbund wollte man zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen. (vom)

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16 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Eifach_öpis
03.09.2018 07:54registriert Februar 2016
Passiert denn jetzt wenigstens was?

Wenn ich mich nicht täusche nemnt man so etwas Betrug!
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so wie so
03.09.2018 08:45registriert Juli 2015
Werden Behindertenwerkstätte nicht durch die IV kontrolliert? Hier müssen doch Zahlen vorliegen, wie viele Menschen mit einer Sehbehinderung dort arbeiten. BTW ist nicht jeder Sehbehinderte gleich vollständig blind.

Ich habe früher in der Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderung gearbeitet und dort wurde alles sehr streng kontrolliert.


Es wäre schlicht abstossend, wenn sich der Vorwurf bewahrheitet. Es gibt eh schon viel zu wenig Stellen für Menschen mit Beeinträchtigung. Zusätzlich müsste man ganz genau hinschauen, welche Politiker dort ihre Finger im Spiel hatten.
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lily.mcbean
03.09.2018 09:23registriert Juli 2015
Ich dachte mir schon das da etwas faul ist. Die rufen uns mind. 2 mal im Jahr an und machen Panik das ihnen das Geld ausgehe und sie die Werkstatt schliessen müssen... die Tante hört etwas von mir wenn die den Nerv hat nochmal anzurufen.
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