«Und, wie sind Sie mit Ihrer Leistung in diesem Jahr zufrieden?» Für die meisten Angestellten ist diese Frage vom Vorgesetzten zum Jahresende Usus. Das Mitarbeitergespräch, kurz MAG, ist ein fixer Teil der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung. Nicht so für die Swiss-Piloten. Für sie war das «MAG» bisher ein unbekanntes Kürzel. Das ändert sich nun. «Seit diesem Jahr führen wir mit allen unseren 1400 Piloten einmal im Jahr ein persönliches Gespräch», bestätigt ein Swiss-Sprecher.
Dieser Schritt sei nicht einfach gewesen, da die Piloten weltweit in ständig wechselnden Teams ohne regelmässigen Kontakt zum Team am Boden seien. Aufgrund von Rückmeldungen in früheren Mitarbeiterumfragen habe man sich aber nun entschieden, eine neue Führungsstruktur mit kleinen Teams einzuführen, um die Gespräche zu ermöglichen. Mit der neuen Struktur schaffe man die Gelegenheit, sich regelmässig gegenseitig die Erwartungen und Anliegen kundzutun und Feedback zu geben, sagt der Swiss-Sprecher. Bei den Flight Attendants gebe es hingegen schon seit je einen regelmässigen Austausch mit dem Vorgesetzten, wenn auch nicht zwingend jedes Jahr, sondern vielmehr nach Bedarf.
Die Lufthansa-Tochter begeht damit einen anderen Weg als die Zürcher Kantonalbank. 2016 gab das Finanzhaus bekannt, die bisherigen Zielvereinbarungs- und Qualifikationsgespräche abzuschaffen. Diese würden nicht mehr ins heutige Umfeld passen und die Mitarbeitenden zu stark einengen, liess die Bank verlauten. Neu sollen sich Führungskräfte und Angestellte in kurzen Zeitabständen mündlich austauschen.
Viele Personalmanagement-Experten begrüssten damals diesen Entscheid. «Mehrere Gespräche übers Jahr verteilt sind besser als eine einzige jährliche Generalabrechnung», sagte beispielsweise Matthias Mölleney dem «Tages-Anzeiger». Der frühere Personalchef der Swissair und Mitinhaber einer Beratungsfirma findet es besser, wenn Mitarbeiter mehr als nur einmal pro Jahr beurteilt werden. «Häufigere Gespräche zwischen Vorgesetzten und Untergebenen sind nicht nur deshalb sinnvoll, weil die Mitarbeitenden so kontinuierlich wissen, wo sie stehen.» Sie erlaubten auch, kurzfristige Ziele zu setzen. Kritisiert werden von Experten zudem der Einsatz von Standard-Fragebogen und individuellen Zielvorgaben. Diese seien weniger produktiv als Zielvorgaben für ein ganzes Team.
Eine Umfrage dieser Zeitung bei bekannten Schweizer Firmen wie Migros, SBB oder Emmi zeigt jedoch, dass das klassische Jahresgespräch nach wie vor häufig zur Anwendung kommt. Bei den meisten befragten Unternehmen findet das Qualifikationsgespräch einmal jährlich statt, gegen Ende oder zu Beginn des Jahres.
Doch es gibt Ausnahmen. Beim Versicherer Zurich gibt es mindestens vier Gespräche pro Jahr, welche sich jeweils einem bestimmten Thema widmen: Zielvereinbarung, Karriere, Feedback und Jahresendbeurteilung. Bei der Credit Suisse spricht man von drei Kernphasen: Zielsetzung, Statusgespräch Mitte Jahr und Jahresendbewertung. Und beim Industriekonzern ABB und beim Getränkehersteller Rivella werden die Angestellten zweimal jährlich aufgeboten.
Auch das oftmals kritisierte Notensystem ist nach wie vor gang und gäbe: Bei der Migros ist es eine 5er-Skala, der sich das Personal stellen muss, bei der Reisetochter Hotelplan eine A-bis-E-Skala. Das Warenhaus Manor kennt nur vier Bewertungsstufen, die Post orientiert sich mit sechs am Schulzeugnis – zumindest für Angestellte des Gesamtarbeitsvertrages. Kaderleute des gelben Riesen werden hingegen in Prozent beurteilt. Bis auf wenige Ausnahmen, wie zum Beispiel Coop, ist die Beurteilung im Jahresgespräch ausschlaggebend für die Lohnentwicklung oder den Bonus.
Ausgeklügelter und anglistischer, dafür auch komplizierter kommt der Prozess beim Pharmakonzern Novartis daher. Das «Performance Management», bei dem mehrere Gespräche unter dem Jahr geführt werden, beinhalte das sogenannte Objective Setting, Midyear und Year-End Performance Review, wie ein Sprecher erklärt. «Idealerweise werden diese obligatorischen Gespräche durch sogenannte Check-ins ergänzt.» Damit sind Dialoge zwischendurch gemeint. 2017 habe man zudem den stärkenorientierten Ansatz, den Strenght Based Approach, eingeführt, «der den Menschen und Organisationen hilft, ihre Stärken zu identifizieren und zu nützen, indem auf das fokussiert wird, worin man wirklich gut ist».
Derart ausgeklügelt sind die Piloten-Gespräche bei der Swiss noch nicht. Sie will an den neuen Jahresgesprächen aber auch in Zukunft festhalten. Bisher seien die Rückmeldungen der Piloten positiv, sagt ein Sprecher. Lohnrelevant sind die Gespräche bei der Swiss hingegen nicht. Sowohl die fixen als auch die variablen Lohnbestandteile der Cockpitcrew sind im Gesamtarbeitsvertrag der Fluggesellschaft geregelt.