Ein englisches Sprichwort lautet: «If you can’t beat them, join them.» Wenn man jemanden nicht besiegen kann, dann solle man sich mit ihm verbünden. Dieses Motto hat sich Walter Huber zu Herzen genommen. Er steht den Migros-Industriebetrieben vor, wie zum Beispiel Bischofszell, Micarna oder Jowa, welche für die Migros-Gruppe und andere Detailhändler Eigenmarken produzieren.
Und zur Klientel gehört neuerdings auch Amazon – jenes US-Onlinewarenhaus mit einem Jahresumsatz von 230 Milliarden Dollar, das als künftig grösste Bedrohung für den heimischen Handel betrachtet wird.
Neuerdings produziere man gewisse Eigenmarken speziell für Amazon, sagt Huber im Rahmen der Präsentation der Jahreszahlen. Die Migros-Herkunft ist bei diesen Artikeln nicht ersichtlich. Vergangenes Jahr hätten die Amerikaner in Europa mehrere Aufträge ausgeschrieben. «Und wir kamen für verschiedene Kategorien zum Zug.» Noch dieses Jahr werde die Kooperation deshalb deutlich erweitert.
Um welche Amazon-Produkte es sich handelt, darf Huber aus vertraglichen Gründen nicht sagen. Und wie gross das Potenzial sei, lasse sich zurzeit schwer einschätzen. Noch sei das Geschäft von Amazon mit Eigenmarken in Europa überschaubar, aber es sei gut, dass man nun einen Fuss drin habe. Zudem sei man auch für Kooperationen in den USA in Gesprächen mit dem Konzern, zu dem auch die Lebensmittelkette «Whole Foods» gehört.
Der Deal ist brisant. «Intern haben nicht alle Freude, dass die Migros Geschäfte mit einer Firma wie Amazon macht, die uns in Zukunft weh tun könnte», sagt ein Migros-Manager. Allerdings ist es für die Genossenschaft nichts Neues, dass sie die Konkurrenz wie zum Beispiel Aldi beliefert. Die Überlegung: Wenn die Kunden schon beim Gegner einkaufen, dann will man wenigstens mitverdienen.
Mitverdienen will Huber auch in China. Auf den Onlineportalen Kaola und Tmall, das zur Alibaba-Gruppe gehört, verkauft die Migros seit rund einem Jahr ausgewählte Produkte wie Schokolade, Zahnpasta oder Nussmischungen. Zahlen nennt Industriechef Huber dazu keine. «Wir haben aber gemerkt, dass wir auch in der Offlinewelt, also in den Supermärkten, präsent sein müssen. Neu seien diverse Artikel in Carrefour-Filialen und Geschäften des chinesischen Händlers Balian erhältlich, insbesondere im Raum Schanghai.
So wolle man die Dachmarke «Oranger Garten» bekannt machen. Das erfordere allerdings Geduld. Huber spricht von einem «Jahrzehnteprojekt». In Südkorea hat die Migros-Industrie ausserdem den Kosmetikproduzenten Gowoonsesang mit der Marke «Dr. G» übernommen, von der sich Huber grosse Umsätze in Südkorea, China, Thailand, Taiwan und Vietnam verspricht.
Insgesamt sank der Umsatz der Migros-Industriegruppe 2018 um 1.3 Prozent auf 5.8 Milliarden Franken. Hauptgrund für das Minus ist der Verkauf des Abholgrosshändlers CCA – nur fünf Jahre, nachdem die Migros das Geschäft übernommen hatte. Ohne die CCA-Veräusserung wäre im vergangenen Jahr hingegen ein Plus von 2.7 Prozent resultiert.
Besonders zufrieden ist Huber mit dem Auslandumsatz, der erneut im zweistelligen Prozentbereich, um 11 Prozent auf 807 Millionen Franken, angestiegen ist. Am besten verkauften sich Kosmetik, Kaffeekapseln, Schokolade und Käse. Positiv zum Ergebnis beigetragen hat auch der Schweizer Markt: Hier stieg der Umsatz um 1.5 Prozent auf 5 Milliarden Franken an, vor allem dank dem Grossverbrauchergeschäft und der Belieferung der Discounttochter Denner. Ausserdem habe man den Gewinn verdoppeln können, sagt Huber, ohne Zahlen zu nennen.
Der 62-jährige Huber, der 2008 vom Milchverarbeiter Emmi zur Migros wechselte, gibt dieses Jahr seine Funktion ab. Wann sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin übernimmt, ist noch nicht bestimmt. Laut Huber stehen Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen interne und externe Kandidaten zur Auswahl. (bzbasel.ch)