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Umstrittene Strategie: Migros beliefert Amazon

Seit einiger Zeit produziert Migros gewisse Eigenmarken speziell für Amazon. (Symbolbild)
Seit einiger Zeit produziert Migros gewisse Eigenmarken speziell für Amazon. (Symbolbild)Bild: keystone/Monatage az

Brisanter Deal: Migros beliefert Amazon – die Strategie ist umstritten

Die Industriesparte des Detailhändlers produziert neu Eigenmarken für den US-Onlineriesen. Eine Strategie, die bei der Migros intern umstritten ist.
21.02.2019, 06:30
Benjamin Weinmann / ch media
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Ein englisches Sprichwort lautet: «If you can’t beat them, join them.» Wenn man jemanden nicht besiegen kann, dann solle man sich mit ihm verbünden. Dieses Motto hat sich Walter Huber zu Herzen genommen. Er steht den Migros-Industriebetrieben vor, wie zum Beispiel Bischofszell, Micarna oder Jowa, welche für die Migros-Gruppe und andere Detailhändler Eigenmarken produzieren.

Und zur Klientel gehört neuerdings auch Amazon – jenes US-Onlinewarenhaus mit einem Jahresumsatz von 230 Milliarden Dollar, das als künftig grösste Bedrohung für den heimischen Handel betrachtet wird.

Walter Huber
Walter HuberBild: screenshot twitter/fruchtportal

Neuerdings produziere man gewisse Eigenmarken speziell für Amazon, sagt Huber im Rahmen der Präsentation der Jahreszahlen. Die Migros-Herkunft ist bei diesen Artikeln nicht ersichtlich. Vergangenes Jahr hätten die Amerikaner in Europa mehrere Aufträge ausgeschrieben. «Und wir kamen für verschiedene Kategorien zum Zug.» Noch dieses Jahr werde die Kooperation deshalb deutlich erweitert.

Um welche Amazon-Produkte es sich handelt, darf Huber aus vertraglichen Gründen nicht sagen. Und wie gross das Potenzial sei, lasse sich zurzeit schwer einschätzen. Noch sei das Geschäft von Amazon mit Eigenmarken in Europa überschaubar, aber es sei gut, dass man nun einen Fuss drin habe. Zudem sei man auch für Kooperationen in den USA in Gesprächen mit dem Konzern, zu dem auch die Lebensmittelkette «Whole Foods» gehört.

In chinesischen Supermärkten

Der Deal ist brisant. «Intern haben nicht alle Freude, dass die Migros Geschäfte mit einer Firma wie Amazon macht, die uns in Zukunft weh tun könnte», sagt ein Migros-Manager. Allerdings ist es für die Genossenschaft nichts Neues, dass sie die Konkurrenz wie zum Beispiel Aldi beliefert. Die Überlegung: Wenn die Kunden schon beim Gegner einkaufen, dann will man wenigstens mitverdienen.

Mitverdienen will Huber auch in China. Auf den Onlineportalen Kaola und Tmall, das zur Alibaba-Gruppe gehört, verkauft die Migros seit rund einem Jahr ausgewählte Produkte wie Schokolade, Zahnpasta oder Nussmischungen. Zahlen nennt Industriechef Huber dazu keine. «Wir haben aber gemerkt, dass wir auch in der Offlinewelt, also in den Supermärkten, präsent sein müssen. Neu seien diverse Artikel in Carrefour-Filialen und Geschäften des chinesischen Händlers Balian erhältlich, insbesondere im Raum Schanghai.

So wolle man die Dachmarke «Oranger Garten» bekannt machen. Das erfordere allerdings Geduld. Huber spricht von einem «Jahrzehnteprojekt». In Südkorea hat die Migros-Industrie ausserdem den Kosmetikproduzenten Gowoonsesang mit der Marke «Dr. G» übernommen, von der sich Huber grosse Umsätze in Südkorea, China, Thailand, Taiwan und Vietnam verspricht.

Brexit sorgt für Unsicherheit bei Mibelle
Die Migros spürt die Unsicherheiten des Brexit. Betroffen ist die Kosmetiktochter Mibelle, die Shampoo, Hautcrèmes und Anti-Aging-Produkte herstellt. Im englischen Bradford nahe Manchester betreibt sie eine Fabrik mit rund 200 Angestellten. Man müsse auf verschiedene Szenarien vorbereitet sein, sagt Migros-Industriechef Walter Huber. Deshalb habe man riesige Lager an Rohstoffen und Verpackungsmaterial aufgebaut. Für den Fall, dass man künftig aufgrund komplizierter Verzollungsregeln gar nicht mehr auf der Insel produzieren könne, halte man Kapazitäten in Frankreich und in der Schweiz frei. Im schlimmsten Fall bräuchte es einen Sozialplan für die 200 Angestellten. (BWE)

Stabübergabe steht an

Insgesamt sank der Umsatz der Migros-Industriegruppe 2018 um 1.3 Prozent auf 5.8 Milliarden Franken. Hauptgrund für das Minus ist der Verkauf des Abholgrosshändlers CCA – nur fünf Jahre, nachdem die Migros das Geschäft übernommen hatte. Ohne die CCA-Veräusserung wäre im vergangenen Jahr hingegen ein Plus von 2.7 Prozent resultiert.

Besonders zufrieden ist Huber mit dem Auslandumsatz, der erneut im zweistelligen Prozentbereich, um 11 Prozent auf 807 Millionen Franken, angestiegen ist. Am besten verkauften sich Kosmetik, Kaffeekapseln, Schokolade und Käse. Positiv zum Ergebnis beigetragen hat auch der Schweizer Markt: Hier stieg der Umsatz um 1.5 Prozent auf 5 Milliarden Franken an, vor allem dank dem Grossverbrauchergeschäft und der Belieferung der Discounttochter Denner. Ausserdem habe man den Gewinn verdoppeln können, sagt Huber, ohne Zahlen zu nennen.

Fabrice Zumbrunnen, CEO Migros an der Bilanzmedienkonferenz in Zuerich am Dienstag, 27. Maerz 2018. (KEYSTONE/Walter Bieri)
Fabrice ZumbrunnenBild: KEYSTONE

Der 62-jährige Huber, der 2008 vom Milchverarbeiter Emmi zur Migros wechselte, gibt dieses Jahr seine Funktion ab. Wann sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin übernimmt, ist noch nicht bestimmt. Laut Huber stehen Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen interne und externe Kandidaten zur Auswahl. (bzbasel.ch)

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7 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Raphael Conca
21.02.2019 07:42registriert Juli 2017
Ob das gut kommt.
Der Orange Riese muss etwas tun.
Aber ob Zukäufe von Marken im Ausland richtig sind?
M Produkte an die Konkurrenz zu verkaufen finde ich Kleverer.
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bebby
21.02.2019 08:21registriert Februar 2014
In HK verkauft Migros unter ihrem Namen Kopien von Kamblyprodukten. Darin war die Migros immer schon gut: günstige Eigenmarken, die dem Original nachempfunden werden. Amazon hat das offenbar erkannt.
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marsel
21.02.2019 10:12registriert Februar 2015
Migros kanibalisiert damit direkt die Digitec Galaxus Gruppe, an welcher sie selber 70% beteiligt ist. Spannend 🤔
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