Umgeknickte Bäume, überflutete Strassen, vollgelaufene Keller und Garagen. Die Kraft eines entfesselten Gewitters ist gewaltig. Innerhalb von Minuten kann es Schäden in Millionenhöhe anrichten. So passiert Anfang Juli im Kanton Aargau, als ein starkes Gewitter rund um Zofingen wütete. In diesen Momenten können wir auf die Männer und Frauen der freiwilligen Feuerwehr oder die Mitglieder des Zivilschutzes zählen. Kaum hat das Gewitter sich ausgetobt, räumen sie die Spuren weg, pumpen unsere Keller aus. Ein Feuerwehrmann aus Uerkheim hat dafür mit seinem Job bezahlt.
Nach einem Wochenende voller Einsätze, traf er am Montag übermüdet an seinem Arbeitsplatz ein. Zum Ärger seines Chefs. Einige Tage später entliess er ihn und entfesselte damit ein Sturm der Entrüstung. Der Arbeitgeber bestreitet, dass die Kündigung irgendetwas mit dem Feuerwehreinsatz zu tun hat.
Angesprochen auf den Fall in Uerkheim sagt Urs Bächtold Direktor des Schweizerischen Feuerwehrverbands: «Die Arbeitgeber üben immer mehr Druck auf ihre Mitarbeiter aus, damit sie auf Einsätze in der Feuerwehr verzichten.» Diese Beobachtung macht man nicht nur bei der Feuerwehr, sondern auch beim Zivilschutz.
Olivier Andres, stellvertretender Amtsvorsteher des Amts für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär Kanton Bern bestätigt: «Gemäss unseren regionalen Zivilschutzorganisationen wird es immer schwieriger, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter freigeben.» Die Unternehmen pochen dabei auf immer detaillierteren Begründungen, warum ihr Mitarbeiter unbedingt in den Zivilschutz einrücken muss.
In manchen Fällen würde es sich um CEO's aus dem Ausland handeln, denen das Schweizer Milizsystem unbekannt sei, sagt Walter Müller, Präsident des Schweizerischen Zivilschutzverbandes. «Ihnen muss man dieses zuerst erklären.»
Das Gesetz bietet grundsätzlich kein Raum für Diskussionen. Die Unternehmen sind verpflichtet, ihre Mitarbeiter für Zivilschutzeinsätze freizugeben. Zudem gilt: Wer nicht einrückt, dem droht ein Strafverfahren. Wie aber Arbeitgeber versuchen, trotzdem zu bekommen, was sie wollen, zeigt der folgende Fall. Dieser hat sich wiederum in Uerkheim abgespielt.
Nach einem Gewitter anfangs Juli standen 120 Zivilschützer im Einsatz. Unter anderem war eine Lagerhalle knapp anderthalb Meter unter Wasser. Einige Unternehmen ärgerten sich aber, dass sie auf ihre Mitarbeiter verzichten müssen und übten Druck aus. «Wir hatten Kündigungsdrohungen von Unternehmen, die Einsatzkräfte dazu aufforderten, an die Arbeit zurückzukehren und den Einsatz abzubrechen», sagte damals Yvo Laib, Chef vom Führungsorgan Suhrental-Uerkental, gegenüber der Aargauer Zeitung. In einem Fall wurde dem Frieden zuliebe nachgegeben.
«Es gibt immer wieder vereinzelt Fälle, in denen der Arbeitgeber mit Kündigung droht», sagt auch Werner Balmer, Leiter Zivilschutz Kanton Zürich auf Anfrage von watson. Wenn die Vermittlung durch den Kommandanten scheitert und der Einsatz dadurch nicht gefährdet wird, gibt der Zivilschutz auch schon mal nach. «Wir müssen unsere Zivilschützer schützen», sagt Balmer.
Auch die Vollzugsstelle für den Zivildienst (ZIVI) bestätigt, dass man Kenntnis von Kündigungsdrohungen habe. Es seien aber Einzelfälle. Im Gegensatz zum Zivilschutz sind Einsätze im Zivildienst gut planbar, was es erlaube, die berufliche Situation zu berücksichtigen, teilt das ZIVI mit.
Würden die ausgesprochenen Kündigungsdrohungen in die Tat umgesetzt, würden die Arbeitgeber gegen das Gesetz verstossen. Denn während eines Einsatzes im Zivilschutz, im Zivildienst oder im Militär darf das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt werden. Ist der Mitarbeiter mehr als 11 Tage weg, darf er zudem vier Wochen vor und nach dem Einsatz nicht entlassen werden. Und allgemein gilt: Eine Kündigung wegen dem Zivilschutz ist missbräuchlich. In diesen Fällen hat der Entlassene Anspruch auf eine Entschädigung.
Werner Balmer ruft die Beteiligten auf, besser zu kommunizieren. Zum Beispiel solle der Zivilschützer seinem Chef mitteilen, dass er bei Katastrophen, wie Unwetter, kurzfristig in den Zivilschutz beordert werden kann. Vielfach wird dies nicht gemacht. «Und klar hat dann der Chef keine Freude, wenn sein Mitarbeiter plötzlich von der Arbeitsstelle wegrennt.»
Strengere Töne schlägt der Präsident des Schweizerischen Zivilschutzverbandes an: «Es wäre falsch, die Kündigungsdrohungen jetzt als Einzelfälle zu verbuchen», sagt Müller. Auch bei einem Eisberg sehe man zuerst nur die Spitze. «Wir müssen das Problem ernst nehmen und den Druck ausübenden Arbeitgebern vehement entgegentreten. Ihr Verhalten ist nicht akzeptabel.» Diese seien auch froh, wenn sie im Ernstfall auf den Zivilschutz zählen könnten. «Darum sollen sie sich auch nicht wehren, wenn andere in Not sind. Und ihre Mitarbeiter ohne zu murren in den Zivilschutz einrücken lassen.»
Eines dürfe nicht vergessen werden, mahnt Bächtold, Direktor des Schweizerischen Feuerwehrverbands: «Es gibt auch Arbeitgeber, die sind richtig froh, haben sie Feuerwehrleute oder Zivilschützer in ihrem Betrieb.» Diese Ansicht teilt der Schweizerische Arbeitgeberverband. «Generell können Arbeitnehmer dank Zusatzausbildungen und speziellen Kenntnissen für bestimmte Aufgaben im Unternehmen besonders prädestiniert sein. Das weiss ein guter Arbeitgeber zu schätzen», schreibt ihr Mediensprecher Fredy Greuter auf Anfrage.
Und der Arbeitgeberverband hält weiter fest: Es sei unwahrscheinlich, dass ein Arbeitgeber alleine wegen eines Zivilschutzeinsatzes mit einer Kündigung drohe. «In einem solchen Fall dürfte es eher der letzte Tropfen sein, der das Fass zum überlaufen bringt.»