Seit fünf Jahren leidet Südkalifornien unter Trockenheit. Die Bevölkerung muss Wasser sparen, beim Bewässern des Rasens, beim Autowaschen. Und die Behörden des Bezirks Los Angeles versuchen auf ihre Weise, Linderung zu schaffen: Wenn die Wolken nicht von sich aus regnen wollten, müssen sie halt zum Regnen gebracht werden.
Das wollen sie durch sogenanntes Impfen der Wolken erreichen, eine Technik, die ein amerikanischer Chemiker vor 70 Jahren entdeckt hat. An zehn Standorten in Kalifornien stehen Kanonen bereit, um bei günstigen meteorologischen Bedingungen Silberiodid in Wolken zu schiessen. Im besten Fall entstehen um die Silberiodid-Partikel herum Eiskörnchen. Unterwegs zum Boden tauen sie auf, es regnet.
Zehn bis 15 Prozent mehr Niederschlag könne man so typischerweise erreichen, schreibt der Bezirk LA auf seiner Website. 550'000 US-Dollar pro Jahr kostet das, ein Schnäppchen im Vergleich zu den 3.2 Millionen, welche der Import derselben Wassermenge kosten würde. Ob sich der gewünschte Effekt auch tatsächlich einstellt, ist jedoch schwer zu sagen. Die Vorhersagen sind zu ungenau, um zu wissen, in welchen Fällen der Niederschlag auf den Eingriff zurückzuführen ist.
Jahrzehntelang war unklar, ob das Impfen von Wolken als Methode funktioniert. Nun sind die Wetterprognosen immerhin so präzise geworden, dass die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) hierzu ein klares Statement abgeben konnte. «Unter gewissen meteorologischen Bedingungen ist es möglich, durch das Impfen von Wolken die Niederschlagsmenge aus vorhandenen Wolken zu erhöhen», sagt Roelof Bruintjes, Leiter der Expertengruppe Wetterbeeinflussung der WMO.
Das Fachgebiet von Bruintjes, der am am Nationalen Zentrum für Atmosphärenforschung forscht, erlebt seit einigen Jahren einen Boom, sowohl in der Forschung als auch in der Anwendung. Über 50 Länder haben inzwischen Programme laufen. Am aktivsten ist China, wo es zum Beispiel 2008 hiess, die Eröffnungsfeier zu den Olympischen Spielen sei dank geimpfter Wolken trocken geblieben – 1110 Raketen hätten dafür gesorgt, dass die Wolken frühzeitig an anderen Orten ausgeregnet hätten. Die Angebote mancher Unternehmen führen bei Experten aber zumindest zu Stirnrunzeln. Zahlreiche Firmen versprechen etwa, durch das Impfen von Wolken Hagelschäden zu verringern. Ob dies funktioniert ist laut WMO unklar.
Auch was Regen betrifft, werden teils schwindelerregende Erfolgsquoten verbreitet. So gingen vor fünf Jahren Meldungen um die Welt über eine Firma mit Sitz in Zug, die über 50 Gewitterstürme in Abu Dhabi erzeugt habe. Demgegenüber hält die WMO in ihrem «Statement über die Wetterbeeinflussung» explizit fest: «(...) Es ist nicht möglich, Wolkensysteme zu erzeugen, aus denen es regnet.»
In einigen Jahrzehnten könnte aber genau dies möglich werden – eine Gruppe Physiker der Universität Genf arbeitet daran. Nicht mittels Chemikalien, sondern mit starken Laserstrahlen. In Versuchen ist es ihnen gelungen, entlang des Strahls feuchte Luft kondensieren zu lassen, also Ansätze einer Wolke entstehen zu lassen. Die Methode ist aber noch im Anfangsstadium, wie Jérôme Kasparian, Co-Leiter der Forschungsgruppe, betont: «Die kondensierten Teilchen sind so klein, dass wir noch nicht mal von Tröpfchen sprechen können. Wir arbeiten nun daran, den Effekt zu verstärken und die Teilchen wachsen zu lassen.»
Allerdings kann auch der stärkste Laserstrahl keinen Regen aus dem Nichts zaubern. Die Hoffnung ist, bei geeigneten Bedingungen – feuchte Luft und Wind, der diese gegen Berge zutreibt – ein wenig nachzuhelfen, um es regnen zu lassen. Die Lasermethode hätte zwei grosse Vorteile gegenüber dem Impfen: Erstens kann der Laser weit flexibler und präziser eingesetzt werden als Chemikalien. Zweitens werden keine Substanzen in die Umwelt gegeben. Zwar hat das in kleinen Mengen verwendete Silberiodid in bisherigen Versuchen weder der Umwelt noch der menschlichen Gesundheit geschadet, trotzdem rät die WMO zur Vorsicht, falls die Chemikalie künftig in grösserem Mass zum Einsatz kommen sollte.
Wolken sind nicht das einzige Wetterphänomen, welches sich dereinst von Laserstrahlen beeinflussen lassen könnte. Im Laborversuchen der Genfer Physiker entluden sich Blitze mit Vorliebe entlang des Laserstrahls. Daraus möchten sie eine Methode entwickeln, um natürliche Blitze an Orte abzuleiten, wo sie keine Schäden anrichten. Denn mit herkömmlichen Blitzableitern lassen sich zwar Brände vermeiden, doch die elektromagnetische Strahlung lässt trotzdem ganze Computersysteme ausfallen – und legt damit etwa Flughäfen für Stunden lahm.
Noch ist es ein weiter Weg, bis tatsächlich Laserstrahlen Blitze aus dem Gewitterhimmel ableiten. Manche Flughäfen kämpfen dagegen mit technischen Mittel erfolgreich gegen eine andere Wetterwidrigkeit auf den Pisten: Den Nebel. Er lässt sich zuverlässig auflösen, indem die feuchte Luft erwärmt, mit trockener Luft vermischt oder mit Chemikalien wie Trockeneis geimpft wird. Der Nebel und die Niederschlagsmenge sind beim heutigen Stand der Technik die einzigen Wetterphänomene, die sich technisch tatsächlich beeinflussen lassen. Klar gescheitert sind dagegen Versuche, etwa in Wirbelstürme und Tornados einzugreifen. Das Wetter im grösseren Stil zu verändern, ist laut WMO schlicht nicht möglich, weil es dabei um zu hohe Energien geht.
Und doch denken die Wissenschafter um Jérôme Kasparian auch über Veränderungen auf einer grösseren Skala nach. Denn Wolken beeinflussen die Energiebilanz der Erde und dadurch das Klima: Sie verlangsamen einerseits die Abstrahlung von Wärme ins All, anderseits hindern sie Sonnenstrahlen daran, auf die Erde zu gelangen. Als die Genfer Physiker in ihren Labors Wolken mit Laser bestrahlten, wurden sie weniger durchlässig für Licht. «Wahrscheinlich liessen sich so Wolken derart verändern, dass sie insgesamt leicht abkühlend statt wärmend auf das Klima wirken», sagt Kasparian. Falls es tatsächlich gelingt, den Klimawandel ein wenig zu bremsen, ist auch weniger häufig mit extremen Wetterereignissen wie Dürren zu rechnen.