Bettina Rimensberger hats geschafft – mindestens fürs Erste. Heute Morgen kurz nach halb neun Uhr hat ein anonymer Spender 1000 Franken an ihre Online-Kampagne „Bettina will leben“ überwiesen und damit den Stand auf dem Spendenkonto auf über 400‘000 Franken gehoben. So viel Geld braucht die schwerkranke 31-Jährige, um ihre selten Muskelschwund-Krankheit mit einer neuen, von der Krankenkasse nicht bezahlten Therapie in Schach zu halten.
„Ich bin überwältigt von der grossen Solidarität und möchte mich bei allen, die gespendet haben, von Herzen bedanken“, sagt Bettina Rimensberger gegenüber dieser Zeitung, kurz nachdem ihre Kampagne die magische 400‘000er-Grenze überschritten hatte. „Jetzt hoffe ich, dasss es für die anderen 99 Bettinas in der Schweiz auch bald einen Weg gibt.“
Rund 100 Menschen leiden in der Schweiz an spinaler Muskelatrophie (SMA). Nervenimpulse werden nicht oder nur ungenügend an die Muskeln weitergeleitet, was zu einem steten Abbau der Muskulatur und im schlimmsten Fall zum Erstickungstod führen kann. Die Zuger Firma Biogen hat im Herbst 2017 das Medikament Spinraza auf den Markt gebracht, das sich in Studien als wirksames Mittel gegen SMA erwiesen hat. Das Bundesamt für Gesundheit hat Spinraza noch nicht auf die sogenannten Geburtsgebrechen-Medikamentenliste aufgenommen, weshalb die Krankenkassen noch nicht verpflichtet sind, die teure Therapie zu bezahlen. Im ersten Jahr kostet die Behandlung 600‘000 Franken, in den Folgejahren noch je 300‘000 Franken.
Die 400‘000 Franken, die Bettina Rimensberger seit heute Morgen beisammen hat, reichen aus, damit die junge Frau aus Wetzikon sich im Unispital Zürich die ersten vier Dosen Spinraza ins Rückenmark spritzen lassen kann. Rimensberger kann nur noch ihren Zeigefinger, die Augen und den Mund bewegen. Sie hofft, dank der Behandlung bald wieder mehr Kraft zu erhalten. Sie wird sich nun für die Therapie am Unispital anmelden und nach einer Vorbesprechung mit dem behandelnden Arzt relativ rasch beginnen können. Rimensberger geht davon aus, dass es bereits in wenigen Wochen so weit ist.
Am Ende ist ihre Kampagne aber noch lange nicht. „Wir machen weiter wie bisher, wir haben ja noch 200‘000 Franken vor uns, bis wir die 600'000 Franken für das gesamte erste Therapiejahr auf sicher haben“, sagt Ivana Leiseder, die die Kampagne „Bettina will leben“ ehrenamtlich leitet. Leiseder freut sich riesig über den unerwarteten Erfolg der GoFundMe-Kampagne. „Sie hat uns gezeigt, dass man wirklich etwas bewegen kann, wenn man den Willen, etwas Mut und eine Portion Verrücktheit mitbringt.“ Sie hofft, dass sich auch der Spinraza-Hersteller Biogen und das Bundesamt für Gesundheit ihre Gedanken machen werden.
Trotz des Sammelerfolgs: Bettina Rimensbergers Zukunft ist weiter ungewiss. Mit der erfolgreichen Kampagne gewinnt sie ein Jahr Zeit, mehr nicht. „Bis dahin hoffe ich, dass sich die gesetzliche Situation im Hinblick auf die Kostenübernahme von Spinraza bei erwachsenen Patienten klärt“, sagt sie. Zum Schluss wird die studierte Germanistin philosophisch. Wenn es nicht reiche, dann richte sie sich ganz nach dem Philosophen René Descartes. „Der hat gesagt: Man muss ein komplexes Problem in Einzelrschritte zerlegen, sonst wird man wahnsinnig.“