Und auf einmal klang die neue Zürcher Sicherheitsvorsteherin wie ihr Vorgänger. «Die Argumente sprechen für Bodycams», sagte Karin Rykart vor den Medien. Dabei hatte sie früher dem Ruf von Richard Wolff, die Stadt müsse ihre Polizisten mit Kameras ausrüsten, immer kontra gegeben. Bis ein Mob von bis zu 300 gewaltbereiten Personen ihre Meinung umkrempelte. Was ist genau passiert?
In der Nacht auf den 19. August attackierten FCZ-Schläger und Passanten gemeinsam Polizisten mit Flaschen und Steinen. Zwei Beamte wurden dabei verletzt.
Sie gehe davon aus, dass es nach diesem Vorfall Bodycam-Gegner im Gemeinderat schwer haben werden, sagte Rykart in der kurzfristig einberufenen Medienkonferenz nach der Attacke. Bekräftigt wurde sie dabei vom Chef der Zürcher Stadtpolizei, Daniel Blumer. Blumer bedauerte, dass die Kameras nicht schon in jener Nacht zum Einsatz kamen. «Hätten die Polizisten am Samstagabend Bodycams getragen, hätten wir hervorragende Bilder machen können.»
Ist der Weg also frei für die Einführung von Bodycams? Keineswegs. Ausgerechnet die Polizeibeamten stehen jetzt aufs Bremspedal. «Wir als Verband sind im Moment noch gegen Bodycams», sagte Max Hofmann, Generalsekretär des Verbands Schweizer Polizeibeamter zum Blick. Und in einer Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften sprachen sich 42 Prozent der Beamten gegen die Einführung des technischen Hilfsmittels aus.
36 Wochen lang haben über 300 Zürcher Polizisten den Einsatz von Bodycams getestet. Ihre Erwartungen konnte das neue Hilfsmittel allerdings nicht erfüllen, wie eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften zeigte.
Bei der Umfrage vor dem Pilotprojekt sprachen sich 70 Prozent für den Einsatz von Bodycams aus. Nach den 36 Wochen waren es auf einmal nur noch 58 Prozent.
Auch ansonsten erfüllten die Kameras die Erwartungen von vielen Beamten nicht. So glaubten vor dem Pilotprojekt noch 56,7 Prozent der Polizisten, dass die Kameras sie vor Angriffen schützen könnten. Bei der zweiten Umfrage waren es noch 47,3 Prozent.
Dass sich nach dem Pilotprojekt weniger Beamte für Bodycams aussprechen, erklärt Projektleiter Patrik Manzoni von der ZHAW mit einem Vorfall, der sich just in dieser Zeit ereignete. Einmal seien die Aufnahmen von den Vorgesetzten genutzt worden, um das Verhalten eines Beamten zu rügen, erzählt Manzoni. «Das hat sich vermutlich schnell rumgesprochen und für Unmut im Korps gesorgt.»
Er fährt fort: «Der Vorfall zeigt, dass bei einer allfälligen Einführung von Bodycams genau definiert werden müsse, wer sich die Aufnahmen anschauen darf und zu welchem Zweck.»
Dass die Beamten in dieser Hinsicht verunsichert sind, zeigt wiederum die Vorher-Nachher-Befragung. Vor dem Test befürchteten nur 44 Prozent der Beamten, dass ihre Vorgesetzten die Aufnahmen nutzen könnten, um nach Hinweisen zu suchen, um gegen einen Polizisten vorzugehen. Nach Ablauf der Pilotphase war die Mehrheit der Beamten dieser Meinung (58 Prozent).
«Sobald bewiesen ist, dass Bodycams tatsächlich zu weniger Gewalt gegen Polizeibeamten führen, sind wir die ersten, die eine neue Diskussion starten werden», sagt Max Hofmann, Generalsekretär des Verbands Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB) zu watson. Doch noch ist der Verband von der Studienlage nicht überzeugt und äussert Zweifel am positiven Effekt von Bodycams. Dies liegt auch an einer Studie der Universität Cambridge.
Beamten, die Bodycams tragen, werden 15 Prozent häufiger angegriffen, so das Ergebnis der englischen Forscher. Das Fazit der Wissenschafter: Bodycams erzeugen genau das Gegenteil der eigentlichen Absicht einer Minderung der Gewalt gegen Polizisten.
Auf ein anderes Resultat kommt die Untersuchung der ZHAW: Im Zürcher Pilotprojekt wurden jene Beamten, die eine Kamera trugen, weniger häufig angegriffen. Das Ergebnis ist jedoch nicht signifikant. Dennoch dürfe man es positiv werten, weil es praktische Relevanz habe, sagt Studienleiter Manzoni. «Aufgrund des Vergleichs der Raten körperlicher Angriffe bei Schichten mit und ohne Bodycam, liessen sich auf ein Jahr hochgerechnet etwa 50 Angriffe auf Polizeibeamte verhindern.»