«Wir schätzten seinen Eifer» – Was diese 15 Arbeitszeugnis-Codes wirklich bedeuten
Arbeitszeugnisse sind immer so eine Sache. Codiert oder nicht codiert ─ das sollte eigentlich keine Frage sein. Denn codierte Arbeitszeugnisse sind nicht erlaubt. Was hingegen als codiert gilt und was nicht, ist eine andere Sache. Und Hand aufs Herz: So wirklich schlecht lesen sich Arbeitszeugnisse ja höchst selten.
Die jeweils ähnlichen Formulierungen kommen natürlich nicht von ungefähr. Wir helfen dir nicht nur beim Decodieren der gängigsten Floskeln, wir zeigen dir auch, wie dich dein Chef demnach wahrgenommen hat. Augen auf und durch:
«Wir schätzten seinen/ihren Eifer.»
Mit dem kann man leben. Eifrig, wie eine Biene oder so.

Dabei klingt es ja wirklich sehr löblich. Eifer schadet doch wirklich nicht. Und irgendwie doch ein bisschen, wenn es ums Arbeitszeugnis geht.
«In seinem/ihrem Verhalten war er/sie stets ein Vorbild.»
Richtig. Manchen wird das Bewusstsein für ihre Vorbildsfunktion schlicht in die Wiege gelegt.

Vorbild? Aber hallo Freunde! Aber eben nur ein Vorbild im Verhalten. Folgen auf diese Formulierung keine Ausführungen über Leistungen, heisst das nichts wirklich Gutes. Gar nichts Gutes.
Denn dein Chef hat dich vermutlich in etwa so wahrgenommen:

«Im Umgang mit Vorgesetzten und Mitarbeitern war er/sie korrekt.»
Immerhin im Umgang mit Mitmenschen korrekt. Das kann gar nicht negativ aufgefasst werden.

Voll fies. Bist du gemäss codiertem Arbeitszeugnis aber «stets freundlich und korrekt» giltst du als beliebt und korrekt. Steht dies aber nicht, ...
«Allen Aufgaben hat er/sie sich mit Begeisterung gewidmet.»
So soll es sein. Mit Begeisterung zum Erfolg!

Kommen euch Sätze wie: «Die Kollegin kommt noch mit, sie ist ... mega lustig!» oder «Ach, es war super, er ist halt ... mega lieb» bekannt vor? So formuliert man dieses Gefühl in der Geschäftswelt.
«Er/Sie war tüchtig und wusste sich gut zu verkaufen.»
Tüchtigkeit erinnert an Eifer, was im Arbeitszeugnis offenbar weniger optimal ist. Aber immerhin kann man sich gemäss dem Chef gut verkaufen. Das ist nicht Nichts. Oder?

Wie man an dieser Stelle in zeitgemässer Ausdrucksweise anmerken könnte: Läuft nicht bei dir.
«Er/Sie war fleissig und hat die ihm/ihr gemässen Aufgaben zuverlässig bearbeitet.»
Fleissig und zuverlässig. Ha, da hast du dein Mami eines Besseren belehrt! Gell, Chef?

Es scheint, als wäre gar nichts mehr gut genug. Bis dahin kann man lediglich festhalten: Ein Arbeitszeugnis ist ein Stück Kunst, das dein diskussionsloses Scheitern in Worte gefüllt mit Liebe und Hoffnung konvertiert. Und wenn diesbezüglich von Fleiss und Zuverlässigkeit die Rede ist, dann ...
«Er/Sie verfügt über Fachwissen und gesundes Selbstvertrauen.»
Jawohl, so ist es! Hätte ich nicht schöner ausdrücken können.

Upps. Wobei gesagt werden muss, dass dies eine unzulässige Codierung wäre. Denn gesundes Selbstvertrauen unterscheidet sich massgeblich von Arroganz. Nichtsdestotrotz wird (oder wurde zumindest) diese Codierung verwendet.
«Er/Sie zeigte eine erfrischende Art im Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten.»
So falsch kann das nicht sein. Ich habe tatsächlich etwas frischen Wind in die Bude gebracht, könnte man meinen. Gern geschehen.
Macht keinen Spass mehr so.

Auch «eine erfrischende Art» bedeutet nichts Gutes. So wie wenn ein Kleid «zeitlos» ist oder dein Partner sich von dir trennt, weil «er/sie jemanden wie dich nicht verdient hat».
«Er/Sie arbeitete mit grösster Genauigkeit.»
Darf man sich jetzt freuen, weil man wenigstens genau war?

Weisst du, da gibt man sich einmal Mühe. Achtet auf jedes Detail. Liest jedes Rundmail, jede AGB gewissenhaft durch. Und dann das. Merci für dä!
«Gegenüber unseren Kunden war er/sie schnell beliebt.»
Der Umgang mit den Kunden ist das A und O. Immerhin das sitzt.

Und dabei wolltest du doch nur geliebt werden. Vielleicht war da der Freundschaftsrabatt auf den Wochenendrabatt des Aktionsangebots etwas zu viel. Findet jedenfalls dein Chef.
Weil er deine Arbeit so in Erinnerung gehabt hat:

«Er/Sie hatte Gelegenheit, sich das notwendige Fachwissen anzueignen.»
Niemand ist unfehlbar und deshalb ist es keine Schande, dass man sich zuerst noch Fachwissen aneignen musste. Spricht für den Arbeitswillen!
Übersetzt bedeutet dies:

Es wird einem nichts geschenkt. Du hast zwar das Praktikum gekriegt, obwohl du mit deinen 23 Jahren nicht die geforderten zehn Jahre Berufserfahrung mitbringst, den gewünschten Hochschulabschluss noch nicht in der Tasche hast und nur vier der eigentlich erwünschten 17 Sprachen fliessend sprichst. Und eigentlich auch drei Jahre zu alt für diese Stelle bist. Tja, hat dennoch nicht gereicht.
«Für die Belange der Belegschaft bewies er/sie stets grosses Einfühlungsvermögen.»
Can't help it ─ bin nun mal ein einfühlsamer Typ. Immer für die Anderen zur Stelle.

BAM. Der ging in die Magengrube. Und dein Chef meint natürlich, dass du auf das stehst, du Perversling.
Und hier dein Move, wenn dein Schwarm harmlos fragt, ob noch jemand eins trinken kommt:

«Er/Sie hat alle Aufgaben in seinem/ihrem und im Interesse der Firma gelöst»
Jetzt aber. Alle Aufgaben wurden gelöst ─ dann auch noch im Interesse der Firma. Und das Interesse der Firma deckt sich ja sozusagen mit meinem.

Das ist arbeitszeugnistechnisch der GAU, der Knock-Out, dein ganz eigenes Waterloo. Punkt.
«Er/Sie verstand es, alle Aufgaben stets mit Erfolg zu delegieren.»
Zugegeben: Das klingt bereits so etwas dubios. Aber dennoch ist von Erfolg die Rede. Wird so schlimm nicht sein.

Ach, komm schon! Ich wollte doch nur, dass Chantal und Luca wichtige Erfahrungen sammeln. Und habe sie deshalb meine Arbeit erledigen lassen. Offensichtlich hat das dein Chef nicht so aufgefasst ...
«Er/Sie war seinen Mitarbeitern jederzeit ein/e verständnisvolle/r Vorgesetzte/r»
Egal was kommt, du hattest in diesem Fall wenigstens Leute unter dir und somit ein Mindestmass an Autorität. Gute Neuigkeiten?

Natürlich ist man auch in Führungspositionen vor schlechten Arbeitszeugnissen nicht sicher. Aber das Prädikat «keinerlei Autorität» ist gerade etwas gar harsch. Es kann nur damit erklärt werden, dass dein Chef dich ...
... stets zu unserer vollsten Zufriedenheit
... herausragende Arbeitsergebnisse
... in allerbester Weise erledigt
... im höchsten Masse zuverlässig
... umfassende Fachkenntnisse, auch in Randbereichen
... wird von Mitarbeitern anerkannt und geschätzt
äusserst positiv zu werten. Generell ist es für Aussenstehende schwierig, die Codes zu entziffern, da diese von Branche zu Branche oder über Zeit variieren können.
Und ja: es gibt auch Chefinnen. Es sei mir verziehen, dass in diesem Artikel lediglich von «dem Chef» die Rede war. Hat irgendwie besser gepasst.
