Gute Comedy ist zeitlos und komplett unabhängig von Geschlecht und Alter. Gute Comedy funktioniert immer und überall.
Nicht so bessere Comedy.
Die besten Komiker sind immer die der eigenen Generation, des eigenen Geschlechts. Man könnte die Liste erweitern: mit demselben Beziehungsstand, derselben sexuellen Ausrichtung, derselben Gesellschaftsschicht, denselben Problemen.
Natürlich kann ich auch über George Carlin lachen, natürlich freue ich mich auch auf ein neues Programm von Amy Schumer. Auch ihnen gelingt es, mir den Spiegel vorzuhalten.
Mir mit dem Spiegel die Fresse zu polieren, das gelingt allerdings nur den Leuten meiner Generation und meines Geschlechts: Louis C.K., Jim Jefferies, Bill Burr ... und eben Dave Chappelle. Letzterer hat soeben zwei «Specials» auf Netflix veröffentlicht.
Sie sind ein Segen.
Chappelles Themen sind hip: Trumpwahl, Gesellschaftswandel, #metoo.
Seine Sichtweise ist hingegen ... etwas weniger hip.
Chappelle sieht sich mit einer Welt konfrontiert, die er zu verstehen versucht, dem dieses Vorhaben aber immer weniger gelingt. Akzeptanz und Verständnislosigkeit tanzen Tango. Chappelles Zerrissenheit ist deutlich spürbar – und als Mitt-40er weiss Mann genau, wie er sich fühlt.
Vor allem in seinem letzten und persönlichsten Stück «The Bird Relevation» zeigt Chappelle neben einem Pointen-Feuerwerk auch seine nachdenkliche Seite. Das schelmische Grinsen verschwindet und macht der vielbesungenen Komiker-Schwermut Platz. Wenn das gespielt ist, kriegt er dafür einen Oscar. Ah nein. Er ist ja dunkelhäutig.
Bei aller Nachdenklichkeit, der «beste Stand-Up-Comedian aller Zeiten» (Kevin Hart) teilt auch aus. Seine Kritik richtet sich an sich selbst – aber auch an Gesellschaftsgruppen, die momentan eigentlich unter Schutz stehen: Frauen, Transgender, Missbrauchsopfer (von Louis C.K.).
Dafür steckte er selbstverständlich Kritk ein. Er sei nicht mehr lustig. Seine Witze seien schlecht gealtert. Shitstormtrallala.
Komiker durchleben gerade eine schizophrene Phase. Einerseits sind sie so mächtig wie noch nie. Im Social-Media-Meer der tausend Meinungen sind sie Leuchttürme der Deutungshoheit und bestimmen das Narrativ.
Andererseits vollführen Komiker ihren Tanz auf dünnem Eis. Sie leiden besonders an der momentanen Empörungskultur. Das Minenfeld hat sich derart verdichtet, dass eine schadlose Überquerung nicht mehr möglich ist. Irgendjemand ist immer gekränkt. Und die, die am schnellsten beleidigt sind, haben in der Regel die grössten Social-Media-Atomknöpfe.
Deshalb zieht sich Chappelle nach eigenen Angaben nach diesen «Specials» (wieder) aus der Öffentlichkeit zurück. Er ertrage es nicht, wenn seine Witzchen andere Leute kränke.
Seinen Abgang hat er sich mit 60 Millionen (für die vier Netflix-Specials) vergolden lassen. In meinen 40-jährigen Augen hat er jeden Cent davon verdient. Denn Dave Chappelle macht keine gute Comedy, die immer und überall funktioniert. Dave Chappelle macht bessere.